Die "mediale Visitenkarte" der Bundesrepublik spricht Englisch

Von Michael Meyer |
Sei einigen Wochen sieht sich die Deutsche Welle heftiger Kritik ausgesetzt: In ihrem chinesischsprachigen Programm soll sie chinesische Propaganda verbreitet und tendenziös berichtet haben. Die Vorwürfe sind inzwischen entkräftet, nun will man regelmäßig die Auslandsprogramme prüfen. Und statt auf Deutsch zukünftig in Asien auf Englisch senden.
Kaum eine andere Debatte wie die Diskussion um die China-Berichterstattung hat die Deutsche Welle in der letzten Zeit so sehr beschäftigt. Der Vorwurf lautete: Viele Beiträge über China im Hörfunk und im Internet seien tendenziös gewesen, vor allem rund um die Olympischen Spiele im August dieses Jahres. Kritiker monierten, dass insbesondere die Online-Redaktion mit, Zitat, "ideologisch penetranten wie selektiven" Beiträgen auffalle. Ein Protestschreiben wurde von 59 Unterzeichnern ausgefertigt und an den Bundestag geschickt. Zu ihnen zählten Imre Kertész, Mario Vargas Llosa, Ralph Giordano, Arnulf Baring, Katja Lange-Müller und Henryk M. Broder. Zu bezweifeln ist, ob alle Unterzeichner wirklich genau wussten, wogegen sie protestieren.

Der Vorwurf der Propaganda sei jedenfalls haltlos, meint der Vorsitzende des Rundfunkrates der Deutschen Welle, Valentin Schmidt. Eine Untersuchung, für die alle chinesischsprachigen Beiträge über fünf Schwerpunktthemen ins Deutsche rückübersetzt wurden, wie etwa zu den Unruhen in Tibet und dem Fackellauf im Vorfeld der Olympischen Spiele, habe keine Beanstandungen ergeben, so Schmidt:

"Bei dieser Untersuchung ist eindeutig herausgekommen, dass der Vorwurf, die Deutsche Welle sei sehr empfänglich für chinesische Propaganda, völlig unzutreffend ist. Im Kern sind die Vorwürfe widerlegt worden, die Deutsche Welle hat akkurat den Meinungsstand der zitierten Personen wiedergegeben. ( ... ) Aus Anlass dieses Falles haben wir uns vorgenommen, dass wir uns in bestimmten Abständen, möglicherweise auch in anderen Sprachgebieten mal stichprobenartig mit bestimmten Bereichen beschäftigen und gucken, ob der Programmauftrag erfüllt ist."

Russland könnte so ein kritisches Thema sein, meint Valentin Schmidt. Und dennoch: Ein schaler Nachgeschmack bleibt, immerhin ist die stellvertretende Leiterin der China-Redaktion Zhang Danhong mehrmals in Talkshows durch sehr positive Äußerungen zur Menschenrechtslage in China aufgefallen. Deutsche Welle- Intendant Erik Bettermann möchte trotzdem nicht auf sie verzichten und belässt sie in der Redaktion, wenn auch nicht mehr als deren stellvertretende Leiterin. Bettermann ist im Nachhinein verwundert über die Dynamik der Diskussion und die Wucht der Vorwürfe:

"Ich sage als Intendant des Auslandssenders, dass ich die nicht nur ernst genommen habe, sondern ich weiß natürlich, dass westliche internationale Sender, das gilt nicht nur für uns, sondern auch für die BBC oder Radio France International, natürlich immer das Interesse finden bei Diktaturen, bei Ein-Parteien-Systemen, in Militärrundfunkanstalten, weil man natürlich über die Reputation des westlichen Senders dieselben Thesen ins Land zurückschicken möchte.
Gleichwohl ist das Thema, wie geht man journalistisch mit so einer Situation um, nicht nur für die chinesische Sprache relevant, sondern auch für alle anderen 29."

Bettermann setzt daher auf die "Eigenverantwortlichkeit" der Redaktionen und auf das "Sechs-Augen-Prinzip" - sprich: Die gesamte Berichterstattung soll kontinuierlich durch mindestens zwei weitere Redakteure gegen geprüft werden. Die kritisierten Artikel verbleiben aber bis auf weiteres erst einmal im Internetarchiv der Deutschen Welle.

Ein anderes, wichtiges Thema beschäftigt den Deutschen Auslandssender im nächsten Jahr, denn dann geht es um die Finanz- und Aufgabenplanung des Senders für die Jahre 2010 bis 2013. Die "mediale Visitenkarte" der Bundesrepublik Deutschland ist mit 275 Millionen EUR pro Jahr recht schmal finanziert, wenn man bedenkt, dass von diesem Etat alles geleistet werden soll: Fernsehen, Hörfunk, Internet, Ausbildung von Journalisten - und das weltweit. Gerade die Fernsehmacher sind unzufrieden mit der Situation, dass sie im Grunde den gesamten Globus versorgen müssen mit nur einem Programm, das stündlich abwechselt zwischen Deutsch und Englisch, denn alle zwei Stunden werden den Zuschauern Magazine und Nachrichten in Englisch präsentiert:

"Welcome to the Journal on DW-TV ..."

Zwar hat die Deutsche Welle den Programmauftrag, die Deutsche Sprache und Deutsche Kultur zu verbreiten, jedoch ist klar, dass die meisten Zuschauer weltweit kaum oder gar kein Deutsch verstehen. Daher wird man im nächsten Jahr erstmals in Asien zwei Programme starten - das eine 18 Stunden pro Tag in Englisch, das andere überwiegend in Deutsch.

Erik Bettermann: "Wir wollen natürlich deutsche Sprache, wir wollen aber auch den Ausländer, der sich für Deutschland interessiert, erreichen, und die erreichen wir eher in der Lingua Franca Englisch als mit Deutsch. Die Deutsche Sprache, da geht es mir darum, Formen zu finden, Sprache als Kulturträger zu fördern - da ist es nicht damit getan, dass ich den Globus mit deutscher Sprache beriesele, deswegen lernt keiner die Deutsche Sprache."

Bettermanns Pläne gehen aber noch deutlich weiter: Man will künftig auch für Russland, den arabischsprachigen Raum und für Lateinamerika Programme auflegen, die dann überwiegend auf russisch, spanisch oder arabisch senden. Gelingen kann dies nur mit einem rigorosen Effizienzprogramm in Redaktion und Verwaltung, das sich die Deutsche Welle auferlegt hat - und gleichzeitig der Forderung nach 78 Millionen EUR zusätzlicher Mittel bis 2013. Ob der Bundestag, der die Deutsche Welle- Programme aus dem Bundeshaushalt finanziert, dies so abnickt, wird sich im kommenden Jahr zeigen. Für Erik Bettermann geht es dabei auch um grundsätzliche Fragen:

"Das Wichtige ist für mich, dass die Politik in diesem einen Jahr Diskussion für die neue Zielprojektion sagt: Was wollen wir, Bund und Länder, als mediale Visitenkarte. Und dann fangen wir mal an zu rechnen. Das ist insofern eine Zahl, die ist aus unserer Sicht errechnet, aber die muss es und kann es und wird es vielleicht auch nicht sein, denn ich bin ja kein Fantast und weiß, wie die öffentlichen Haushalte im Moment aussehen."
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