Die Maulwurf-Künstlerin
Wenn Kunst aufwühlt, dann ist Anna Witts "Maulwurf" ein großes Kunstwerk. Die 24-Jährige ist eine von fast 100 Studierenden der Münchner Kunstakademie, die ihre Projekte auf der Bundesgartenschau präsentieren.
Aber sie ist die einzige, die sich dabei in einem umzäunten Gehege befindet. Nicht die zwei Millionen Blumenzwiebeln galt es vor dem menschlichen Maulwurf zu schützen, vielmehr die Besucher. Denn wo in Deutschland ein Loch ist, da muss auch ein Zaun sein.
Anna Witt: "Walzenförmiger, halsloser Körper, sehr große, seitwärts gestellte Grabeschaufeln, rüsselartige Schnauze ... "
Männerstimme: "Das ist eine junge Studentin, die sich für sechs Wochen in die Rolle eines Maulwurfs versetzt und sich entsprechend dem Biorhythmus eines Maulwurfs durch Erdmasse graben wird. "
Anna Witt: "... Ohren im Fell verborgen, ohne Muscheln. Augen mohnkorngroß, meist vom Fell überdeckt. "
Gerhard Bräu: "Im ersten Moment dachte ich, die gute Dame ist etwas lebensmüde, weil der Mensch einmal nicht fliegen kann, auf der anderen Seite für das normale einfache Reingraben in den Boden net wirklich geeignet ist. "
Einfach nur wühlen wollte Anna Witt, mit einer kleinen Handschaufel durch die Erde, und irgendwo auf der Bundesgartenschau auftauchen. Gerhard Bräu, Tunnelfachmann an der Technischen Universität München, war entsetzt. Denn ohne Sicherungsmaßnahmen wäre die Künstlerin wohl verschüttet worden.
Anna Witt: "Anfangs war mir das nicht bewusst. Ich dachte, ja, einfach ein bisschen graben, so wie meine ursprüngliche Idee: ein Comic-Maulwurf, der in rasender Geschwindigkeit durch die Erde wühlt. "
Doch sie erfuhr: Der Mensch kann nur mit ausgefeilter Technik durch die Erde dringen. So wurde aus einer künstlerischen Blitzidee eine Tiefbaustelle - mit schwerem Gerät und Metallverschalung. - Rückblick.
Noch drei Tage bis zur Eröffnung. Dauerregen, elf Grad. Die Künstlerin und weitere vier Mann waten durch den Schlamm, um das technisch aufwendigste Kunstprojekt der BUGA vorzubereiten - und das mit Abstand schmutzigste dazu. Nur einer sitzt im Trockenen: der Baggerführer.
Eineinhalb Meter tief ist der Graben; Länge: zwölf Meter.
Dann werden die Seiten verschalt: mit neun Zentimeter dicken Stahlwänden, schwimmbadkachelblau und tonnenschwer, durch Querstreben miteinander verbunden. Der Graben wird mit Erde aufgefüllt und abgedeckt. Nach sechs Stunden ist die Arbeit geschafft. - Zwei Tage später: Generalprobe. Nieselregen, kühler Wind. Anna Witt hat ihre Ausrüstung dabei.
Anna Witt: "Das ist mein Helm, meine Knieschoner, meine Regenjacke, meine Handschuhe, mein Zimmererhammer und Schaufel, und dann hab ich noch so Tüten für die Schuhe zum Drüberstülpen. "
Ein Notbehelf gegen den wassergetränkten Humus, der nun im Graben auf sie wartet.
Anna Witt: "Anfangs war Erde eher so was Geborgenes, so was Schönes zum Anfassen und was, womit man gerne spielt. Und jetzt im Moment ist es halt matschig, so dass ich gerade eben auch beim Öffnen des Tunnels gemerkt habe, mmh, ich will's eigentlich gar nicht anfassen. Es ist halt klebrig und schlammig und kalt und unangenehm. "
Anna Witt, 1 Meter 60 groß, steigt in den dunklen Graben hinab. Wenn die Künstlerin kniet, hat sie noch 25 Zentimeter Luft nach oben.
Anna Witt: "Es ist klein und eng! Ich sehe schon, glaube ich, ziemlich weit mit meinere Stirnlampe. Aber jetzt, wo ich so unten hocke, kann ich mir gerade nicht vorstellen, vier Stunden zu verbringen in dem Loch. "
Am nächsten Tag wird es ernst. Für Anna Witt, die im sechsten Semester Bildhauerei studiert, ist es das zweite Großprojekt. Vor eineinhalb Jahren baute sie in einer Münchner Galerie ein komplettes Wohnzimmer auf. 400 Euro waren darin versteckt, die die Besucher finden und behalten konnten. Das Mobiliar war hinterher zertrümmert. Diesmal ist Anna Witt selbst der Zerstörer.
Anna Witt: ""Ein Maulwurf ist ja ein Feind eigentlich vom Gartenliebhaber, der die Ordnung zerstört. Und die BUGA ist ja eine geordnete Struktur. Es wird genau festgelegt, was man betreten darf, was nicht. Also, es ist für die Erholung eigentlich ziemlich reglementiert alles. "
Auch der Bauzaun, der die Künstlerin umgibt, ist vorgeschrieben - aus Sicherheitsgründen. So sitzt sie wie ein Raubtier im Gehege. Auf dem Weg zu ihrem Einsatz steigt das Lampenfieber hoch.
Anna Witt: "Jetzt werden die Überlegungen konkret, wie ich dann wirken werde, wenn ich da reinsteige, was man dann sieht letztendlich, und dass ich mir denke: Was werden die anderen denken? Das war halt immer noch ferner, und das rückt halt jetzt näher. "
Strahlendes Frühlingswetter. Die Performance beginnt. Wie der Maulwurf schaufelt Anna Witt vier Stunden lang und schüttet oben einen großen Humushügel auf. Die feuchte Erde aus dem Innern hebt sich deutlich ab: ein tiefes Umbra auf der staubig-braunen Oberfläche, die unterdessen getrocknet ist. Auf der anderen Seite des Zauns: die Besucher.
Mann: "Wo ist die Kunst?"
Mann: " Ich hab hier gerade einen Kopf auftauchen sehen. "
Frau: " Mir geht durch den Kopf, dass ich das niemals machen könnte, weil ich absolute Panik hätte unter der Erde, und gerade in so einem Tunnel. Also, ich finde das irgendwie faszinierend. "
Frau: "Auch gerade von der Landschaftsarchitektur her ist das ja alles sehr streng und sehr gerade geordnet und sehr steril. Und ich fand das gerade spannend von der Aktion her, weil sie das auch untergräbt. Also, dieses Wohlgeordnete auf der Oberfläche mit diesem dunklen Ungeordneten unter der Erde. "
18 Uhr. Anna Witt steigt aus dem Schacht. Der erste Grabungstag ist geschafft - knapp zwei von insgesamt zwölf Metern Tunnellänge, die sie in den nächsten Wochen durchwühlen wird.
"Anna, das waren deine ersten vier Stunden!
Ja, jetzt bin ich ganz nass!
Zeig mal deine Oberarme!
Na ja, da hat sich noch nichts verändert, glaube ich! (lacht) So schlimm ist es nicht.
Wie gefällt 's dir von oben?
Ja, also, schaut schon aus fast wie 'n Maulwurfshügel. Ja, doch, gefällt mir eigentlich. "
Die Künstlerin bedeckt den Einstieg.
Für heute ist der Graben ist geschlossen. Der Maulwurf ruht. Doch in drei Tagen gräbt er weiter.
Anna Witt: "Walzenförmiger, halsloser Körper, sehr große, seitwärts gestellte Grabeschaufeln, rüsselartige Schnauze ... "
Männerstimme: "Das ist eine junge Studentin, die sich für sechs Wochen in die Rolle eines Maulwurfs versetzt und sich entsprechend dem Biorhythmus eines Maulwurfs durch Erdmasse graben wird. "
Anna Witt: "... Ohren im Fell verborgen, ohne Muscheln. Augen mohnkorngroß, meist vom Fell überdeckt. "
Gerhard Bräu: "Im ersten Moment dachte ich, die gute Dame ist etwas lebensmüde, weil der Mensch einmal nicht fliegen kann, auf der anderen Seite für das normale einfache Reingraben in den Boden net wirklich geeignet ist. "
Einfach nur wühlen wollte Anna Witt, mit einer kleinen Handschaufel durch die Erde, und irgendwo auf der Bundesgartenschau auftauchen. Gerhard Bräu, Tunnelfachmann an der Technischen Universität München, war entsetzt. Denn ohne Sicherungsmaßnahmen wäre die Künstlerin wohl verschüttet worden.
Anna Witt: "Anfangs war mir das nicht bewusst. Ich dachte, ja, einfach ein bisschen graben, so wie meine ursprüngliche Idee: ein Comic-Maulwurf, der in rasender Geschwindigkeit durch die Erde wühlt. "
Doch sie erfuhr: Der Mensch kann nur mit ausgefeilter Technik durch die Erde dringen. So wurde aus einer künstlerischen Blitzidee eine Tiefbaustelle - mit schwerem Gerät und Metallverschalung. - Rückblick.
Noch drei Tage bis zur Eröffnung. Dauerregen, elf Grad. Die Künstlerin und weitere vier Mann waten durch den Schlamm, um das technisch aufwendigste Kunstprojekt der BUGA vorzubereiten - und das mit Abstand schmutzigste dazu. Nur einer sitzt im Trockenen: der Baggerführer.
Eineinhalb Meter tief ist der Graben; Länge: zwölf Meter.
Dann werden die Seiten verschalt: mit neun Zentimeter dicken Stahlwänden, schwimmbadkachelblau und tonnenschwer, durch Querstreben miteinander verbunden. Der Graben wird mit Erde aufgefüllt und abgedeckt. Nach sechs Stunden ist die Arbeit geschafft. - Zwei Tage später: Generalprobe. Nieselregen, kühler Wind. Anna Witt hat ihre Ausrüstung dabei.
Anna Witt: "Das ist mein Helm, meine Knieschoner, meine Regenjacke, meine Handschuhe, mein Zimmererhammer und Schaufel, und dann hab ich noch so Tüten für die Schuhe zum Drüberstülpen. "
Ein Notbehelf gegen den wassergetränkten Humus, der nun im Graben auf sie wartet.
Anna Witt: "Anfangs war Erde eher so was Geborgenes, so was Schönes zum Anfassen und was, womit man gerne spielt. Und jetzt im Moment ist es halt matschig, so dass ich gerade eben auch beim Öffnen des Tunnels gemerkt habe, mmh, ich will's eigentlich gar nicht anfassen. Es ist halt klebrig und schlammig und kalt und unangenehm. "
Anna Witt, 1 Meter 60 groß, steigt in den dunklen Graben hinab. Wenn die Künstlerin kniet, hat sie noch 25 Zentimeter Luft nach oben.
Anna Witt: "Es ist klein und eng! Ich sehe schon, glaube ich, ziemlich weit mit meinere Stirnlampe. Aber jetzt, wo ich so unten hocke, kann ich mir gerade nicht vorstellen, vier Stunden zu verbringen in dem Loch. "
Am nächsten Tag wird es ernst. Für Anna Witt, die im sechsten Semester Bildhauerei studiert, ist es das zweite Großprojekt. Vor eineinhalb Jahren baute sie in einer Münchner Galerie ein komplettes Wohnzimmer auf. 400 Euro waren darin versteckt, die die Besucher finden und behalten konnten. Das Mobiliar war hinterher zertrümmert. Diesmal ist Anna Witt selbst der Zerstörer.
Anna Witt: ""Ein Maulwurf ist ja ein Feind eigentlich vom Gartenliebhaber, der die Ordnung zerstört. Und die BUGA ist ja eine geordnete Struktur. Es wird genau festgelegt, was man betreten darf, was nicht. Also, es ist für die Erholung eigentlich ziemlich reglementiert alles. "
Auch der Bauzaun, der die Künstlerin umgibt, ist vorgeschrieben - aus Sicherheitsgründen. So sitzt sie wie ein Raubtier im Gehege. Auf dem Weg zu ihrem Einsatz steigt das Lampenfieber hoch.
Anna Witt: "Jetzt werden die Überlegungen konkret, wie ich dann wirken werde, wenn ich da reinsteige, was man dann sieht letztendlich, und dass ich mir denke: Was werden die anderen denken? Das war halt immer noch ferner, und das rückt halt jetzt näher. "
Strahlendes Frühlingswetter. Die Performance beginnt. Wie der Maulwurf schaufelt Anna Witt vier Stunden lang und schüttet oben einen großen Humushügel auf. Die feuchte Erde aus dem Innern hebt sich deutlich ab: ein tiefes Umbra auf der staubig-braunen Oberfläche, die unterdessen getrocknet ist. Auf der anderen Seite des Zauns: die Besucher.
Mann: "Wo ist die Kunst?"
Mann: " Ich hab hier gerade einen Kopf auftauchen sehen. "
Frau: " Mir geht durch den Kopf, dass ich das niemals machen könnte, weil ich absolute Panik hätte unter der Erde, und gerade in so einem Tunnel. Also, ich finde das irgendwie faszinierend. "
Frau: "Auch gerade von der Landschaftsarchitektur her ist das ja alles sehr streng und sehr gerade geordnet und sehr steril. Und ich fand das gerade spannend von der Aktion her, weil sie das auch untergräbt. Also, dieses Wohlgeordnete auf der Oberfläche mit diesem dunklen Ungeordneten unter der Erde. "
18 Uhr. Anna Witt steigt aus dem Schacht. Der erste Grabungstag ist geschafft - knapp zwei von insgesamt zwölf Metern Tunnellänge, die sie in den nächsten Wochen durchwühlen wird.
"Anna, das waren deine ersten vier Stunden!
Ja, jetzt bin ich ganz nass!
Zeig mal deine Oberarme!
Na ja, da hat sich noch nichts verändert, glaube ich! (lacht) So schlimm ist es nicht.
Wie gefällt 's dir von oben?
Ja, also, schaut schon aus fast wie 'n Maulwurfshügel. Ja, doch, gefällt mir eigentlich. "
Die Künstlerin bedeckt den Einstieg.
Für heute ist der Graben ist geschlossen. Der Maulwurf ruht. Doch in drei Tagen gräbt er weiter.