Die Magie des Rock 'n' Roll in Worte fassen

11.02.2011
Verbirgt sich hinter AC/DC nur ene Horde talentfreier Rabauken - oder die beste Band der Welt? Der "New York Times"-Autor Anthony Bozza widmet den australischen Rockern eine inbrünstige Streitschrift.
"Let There Be Rock" predigt die australische Band AC/DC seit mehr als 35 Jahren, und ebenso lange ist sie dabei Zielscheibe zahlloser Musik-Kritiker, die in der Gruppe um das Brüderpaar Malcolm und Angus Young eine Horde talentfreier Rabauken erkennen, die statt Musik nur unhörbaren Lärm produzieren. Was dem Unternehmen AC/DC stets gleich sein konnte, gehört es doch zu den erfolgreichsten Rockbands überhaupt. Warum das so ist und warum AC/DC nicht einfach nur erfolgreich, sondern sogar die Größten sind, will ein Büchlein von Anthony Bozza erklären.
Nein, erklären ist ein zu schwaches Wort: Eigentlich ergeben die 176 Seiten des im Hauptberuf für die renommierte "New York Times" tätigen Autors nichts weniger als eine Streitschrift für die Sache AC/DC. Inbrünstig, immer knapp vor dem delirierenden Zustande des absoluten Fans stehend, kämpft Bozza gegen all die Vorurteile, die einer relativ simpel geradeaus spielenden Rockband teilweise bis heute entgegenschlagen.

Genau das aber macht die Sache selbst für einen absoluten Nichtkenner interessant. Denn: Dieses - übrigens in einem wunderbar gemachten Umschlag steckende - Werk fungiert zugleich als Erklärstück über die Strukturen des Rock. Der Autor erläutert akribisch, welche Akkorde ausreichen, um mehr als 30 Jahre äußerst erfolgreich zu sein (es sind: A, C, D, gelegentlich E, manchmal auch H!), wenn sie nur so kreativ und geschickt phrasiert werden, wie es eben die beiden Gitarristen Angus und Malcom Young beherrschen. Wir erfahren, welche Modulationen an den Instrumenten vorgenommen wurden und wie wichtig Malcoms enormes Rhythmusgefühl ist. Auch die beiden Sänger Bon Scott (gestorben 1980) und dessen Nachfolger Brian Johnson werden genau analysiert.

In seinen besten Momenten ist Bozza tatsächlich sehr nahe dran, die Magie des Rock 'n' Roll in Worte zu fassen. Dabei helfen - und das ist interessant - Musikwissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wichtiger US-amerikanischer Akademien. Dort sind Rock und Pop schon viel viel länger Teil des Curriculums, als das bei uns der Fall ist.

Kenntnisreich und cool wird über Gitarrenphrasen und Stimmakrobatik gesprochen. Von Skandalgeschichten und Familienschnappschüssen hingegen bleibt der Leser weitgehend verschont - kein Wunder: AC/DC ist ein weitgehend geschlossenes System, in das bislang kein Biograf einzudringen vermochte. Lieber lässt er Kollegen wie den "Mötley Crüe"-Schlagzeuger Tommy Lee oder den früheren "Guns 'n' Roses"- Gitarristen Slash zu Wort kommen. Was nicht überrascht - und hier dürfte Kritik einsetzen -, denn Bozza hat auch über diese beiden Musiker Bücher geschrieben und dabei offenbar bereits "O-Töne" der bekennenden AC/DC-Fans gesammelt.

Hier zeigt sich der Autor erkennbar als Viel- und Schnellschreiber, der flott und zupackend sein Handwerk beherrscht und bei dem man gewiss davon ausgehen darf, dass alle Fakten stimmen. Nur: Im Sturm des Wortgewitters entstehen hin und wieder Redundanzen, und die kurze Distanz zum Objekt droht mitunter ganz zu verschwinden. Dennoch: Wer die erfolgreichste Rockband unserer Tage verstehen möchte, dem nützt dieses ordentlich ins Deutsche übertragene Büchlein sehr. Harte Fans der Band brauchen es natürlich nicht.

Besprochen von Andreas Müller

Anthony Bozza: Warum AC/DC die Größten sind
Aus dem Englischen von Violeta Topalova
Heyne Verlag
176 Seiten, 12,99 Euro