"Die Macht des Unwahrscheinlichen"

Verblüffende Zufälle

Lotto-Kugeln
2009 und 2010 wurden kurz hintereinander dieselben Lottozahlen gezogen - in Bulgarien und in Israel. © dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen
Von Volkhart Wildermuth · 20.05.2015
Wie kann es sein, dass kurz hintereinander dieselben Lottozahlen gezogen werden? David Hand geht in seinem Buch "Die Macht des Unwahrscheinlichen" diesen und anderen Fragen nach. Er konzentriert sich dabei auf die Normalität des extrem Unwahrscheinlichen.
Der Schauspieler Anthony Hopkins sollte in der Verfilmung von "The Girls from Petrovka" mitspielen. Der Roman war ausverkauft, aber in der U-Bahn fand er ein gebrauchtes Exemplar.
Später stellte sich heraus, dass genau dieses Exemplar dem Buchautor gehörte. Er hatte es einem Freund geliehen, der es verloren hatte. Unwahrscheinlich? Ja, und doch völlig normal, folgt man dem Unwahrscheinlichkeitsprinzip des britischen Mathematikers David Hand. Demnach passiert Unglaubliches täglich.
Wer das nicht glauben will, der wird auf der letzten Seite der Boulevardblätter eines Besseren belehrt. Da prophezeit Krake Paul Fußball Ergebnisse oder es wird von Menschen berichtet, die sieben Mal vom Blitz getroffen wurden oder vierfache Lottogewinner sind.
Verblüffend sei das nur, weil der menschliche Geist nicht für den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten ausgelegt sei, so David Hand. Der versucht, seinen Lesern ein besseres Gespür für Statistik zu vermitteln und konzentriert sich dabei auf die Normalität des extrem Unwahrscheinlichen. Das ist dank der vielen verblüffenden Beispiele für die Macht des Zufalls unterhaltsam.
Dabei hat das Thema auch einen ersten Hintergrund. Viele Variationen von Aberglaube und Verschwörungstheorien entstehen, weil Menschen das Prinzip "Zufall" als Erklärung einfach nicht akzeptieren wollen.
Es geht auch um Psychologie und Evolutionstheorie
Dabei zeigen die verschiedenen Elemente des Unwahrscheinlichkeitsprinzips sehr gut, warum das Unglaubliche eben doch geschehen kann - mehr noch geschehen muss. Eines dieser Elemente ist das Gesetz der ganz großen Zahl. Jede einzelne Lottokombination ist sehr unwahrscheinlich. Aber es gibt eben eine ganz große Menge von Ziehungen weltweit, und so ist es praktisch unvermeidlich, dass auch mal kurz hintereinander dieselben Zahlen gezogen werden, so wie etwa 2009 in Bulgarien und 2010 in Israel.
In beiden Fällen wurde Betrug vermutet, schuld war der Zufall. Ein anderes Element nennt David Hand Wahrscheinlichkeitshebel und illustriert es am Börsencrash von 1987. Analysten sagen damals, ein Crash dieser Größe ereigne sich nur alle 20 Milliarden Jahre. Dabei kam es zu den nächsten großen Zusammenbrüchen 2007 und 2010. Die von den Analysten genutzten Modelle zur Wirtschaftsentwicklung entsprächen, so David Hand, offenbar nicht der Wirklichkeit. Schon kleine Fehler in diesen Modellen führen zu großen Fehlern in den Prognosen, mit weitreichenden Folgen.
Statistik ist das Kerngebiet von David Hand und wann immer sich dem Thema widmet, folgt man ihm gerne. Dagegen wirkten seine Ausflüge Richtung Psychologie, Evolutionstheorie und Kosmologie etwas beliebig. Aber das stört kaum, zu relevant sind die anderen Stellen seines Buches.
Auch nach der Lektüre wird man nicht selbst berechnen können, ob sich hinter einer regionalen Häufung von Krebsfällen der Zufall verbirgt oder ein Chemieunfall. Aber David Hand vermittelt das geistige Werkzeug, das hilft, den Spezialisten die richtigen Fragen zu stellen.
Und trotz aller Entzauberung des Zufalls - auch nach der Lektüre der knapp 290 Seiten – ist man verblüfft zu lesen, dass Bob Taylor 1974 bei einem Golfturnier drei Tage hinter einander immer dasselbe Loch mit nur einem Schlag traf. Dabei ist das völlig normal!
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