Die Macht der Worte

Von Leonie March |
Während der Apartheid war Lyrik ein Ausdrucksmittel des Widerstands, heute feuert sich die Jugend in Poetry Slams an, entwickelt neue Rhythmen und Formen. Ihre Bühne ist unter anderem das Poetry Africa Festival im südafrikanischen Durban.
Ein kleines Amphitheater in der Innenstadt von Durban. Auf den Steinstufen sitzen überwiegend junge schwarze Südafrikaner. Immer mehr Passanten bleiben neugierig stehen, hören der jungen Frau zu, die in ihrer Muttersprache isiZulu ihr Gedicht über die Ausbreitung von Aids und das Stigma einer HIV-Infektion vorträgt. Auftakt des Poetry Africa Festivals unter freiem Himmel. Veranstalter Peter Rorvik blickt zufrieden auf die vollen Zuschauerränge.

"Vor 13 Jahren, als das Festival zum ersten Mal stattgefunden hat, war das Interesse bei Weitem noch nicht so groß. Doch seitdem nimmt die Zahl der Veranstaltungen und Festivals stetig zu. Lyrik- und Poesie-Clubs schießen wie Pilze aus dem Boden und sind vor allem bei der Jugend ungeheuer beliebt. Die Szene ist sehr vielfältig und reicht von traditioneller Dichtkunst bis zu Slam Poetry, Rap und Hip Hop. Bei unserem Festival wollen wir die gesamte Bandbreite abbilden und haben deshalb junge Künstler ebenso eingeladen, wie erfahrene Dichter."

Berührungsängste gibt es bei diesem Festival nicht. Poetry Slam, Hip Hop und Lyrik werden nicht als Widersprüche gesehen, sondern als Facetten einer Kunstform. Eine Auffassung, die auch die meisten Teilnehmer vertreten. Zum Beispiel Bongani Mavuso. Der 33-Jährige ist Dichter und Moderator einer beliebten Radiosendung, in der Gedichte diskutiert und vorgelesen werden.

"Während der Apartheid gab es viele Dichter im Widerstand, die mit ihrer Kunst gegen das Regime gekämpft haben. Ihre Gedichte sind auch heute noch sehr beliebt. Viele junge Südafrikaner schätzen Poesie und Lyrik, lernen, ihre eigenen Gedanken und Gefühle auszudrücken. Themen, die sie bewegen, sind etwa die hohe Kriminalitätsrate oder Aids. Ich selbst beschäftige mich überwiegend mit meiner Kultur und meiner Rolle als Zulu in diesem Land. Über uns ist in der Vergangenheit viel Falsches geschrieben worden. Mit meinen Gedichten will ich das korrigieren. Denn ich denke, dass es unsere Aufgabe als Dichter ist, den Reichtum unserer Kultur zu bewahren."

Bongani Mavuso schreibt auf isiZulu und auf Englisch. Übersetzung und Sprachgrenzen stellen in einem Land wie Südafrika mit elf offiziellen Sprachen eine Hürde für viele Dichter dar, sagt er. Für den heutigen Auftritt vor überwiegend schwarzen Südafrikanern rezitiert er sein Gedicht "Afrikanische Renaissance" in seiner Muttersprache.

Doch nicht nur südafrikanische Stimmen kommen beim Poetry Africa Festival zur Geltung. Eingeladen sind Dichter aus ganz Afrika. Sie kommen aus dem Kongo, Uganda, Nigeria oder Simbabwe, wie der 26-jährige Tongai Makawa alias Outspoken. Ein Künstlername, der unverblümte Ansichten verspricht. Ein nicht ungefährlicher Anspruch angesichts der politischen Situation in Simbabwe.

"Wir hatten Veranstaltungen, die von Sicherheitspolizisten beobachtet wurden. Aber ich selbst bin noch nie festgenommen worden. Vielleicht warten sie noch auf den richtigen Moment. Ich weiß es nicht. Aber ich konzentriere mich auch nicht auf die Bedrohung. Denn das würde mich nur daran hindern, weiter zu machen."

Tongai Makawa setzt sich mit seiner Arbeit für freie Meinungsäußerung ein, spiegelt die oft verzweifelte Situation seiner Landsleute in seinen Gedichten, veranstaltet regelmäßig Poetry Slams in Harare. Trotzdem sieht sich der Simbabwer nicht in erster Linie als politischer Künstler.

"Ich kenne mich mit Politik nicht besonders gut aus. Aber mich interessierten die Situationen, in denen Menschen leben und das kann man nun mal nicht losgelöst von der jeweiligen Regierung betrachten. Mein Ziel ist es, die Leute dazu zu bringen, sich Gedanken über sich und ihre Lage zu machen, sich ihrer Kraft bewusst zu werden. Denn schließlich bilden wir als Masse von Individuen unsere Gesellschaft. Im Mittelpunkt steht also die Selbstreflektion, aber das wird als politisch eingeordnet."

Tongai Makawa alias Outspoken wird zum Abschluss des Poetry Africa Festivals in Durban auftreten, nach fünf Tagen mit Workshops, Lesungen und Slam Poetry Performances.

Service:
Poetry Africa Festival
5 bis 10. Oktober 2009
Durban