Die Macht der Suchmaschinen

Von Michael Meyer · 27.06.2006
Die bekanntesten drei amerikanischen Suchmaschinen Google, Yahoo und Microsoft erreichen einen Marktanteil von fast 90 Prozent. Sie sortieren die Netzinhalte mit einer Rangliste vor. Um die besten Plätze im Netz ist ein Kampf ausgebrochen. Mit der Macht der Suchmaschinen beschäftigte sich eine Tagung der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin.
"Da musst du mal googeln" – dieser Satz ist bei vielen Menschen bereits in den Sprachgebrauch eingegangen, das Wort "googeln" steht seit neuestem sogar im Duden. Doch nur die wenigsten Menschen sind sich bewusst, wie die Suchmaschinen eigentlich funktionieren.

Es sei zum Beispiel ein Irrglaube, dass in dem Moment, in dem man die Suche am Computer startet, die Suchmaschinen wirklich das ganze Netz absuchten. Dies sagt Marcel Machill, Professor für Journalismus und Internationale Mediensysteme an der Uni Leipzig. Es sei vielmehr so, dass etwa 60 Prozent des Internets bereits auf den Servern vorsortiert sei. Da die meisten Menschen sich nicht die Mühe machen, selbst im Netz zu suchen, seien die Ergebnisse von Google oder Yahoo eine Art elektronische Vorauswahl. Machill sieht daher eine publizistische Verantwortung bei den Suchmaschinen:

"Die Suchmaschinen haben eine enorme Machtposition erlangt. Diese Machtposition haben sie erlangt, weil sie gute Technologie anbieten und für uns eine sehr wertvolle Hilfe sind, um sich im Internet zurechtzufinden. Allerdings erwächst nun aus dieser Machtposition auch eine Verantwortung. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Bis vor drei Jahren hat Google, wenn man "NSDAP" als Suchbegriff eingab, verlinkt auf eine Naziseite eines Herrn Gerry Lauk, der sitzt in Nordamerika und kann dort ungestraft seinen Rassenhass verbreiten, Google hat darauf verlinkt. Und nun argumentiere ich: Das darf nicht sein, denn Google hat eine solche Machtposition, dass es auch darüber mitentscheiden muss, was bekommen wir genau zu Gesicht, wenn wir solche Begriffe eingeben."

Google hat allerdings bereits reagiert und verweist nicht mehr auf die erwähnte Nazi-Seite ebenso wie Google ganz stark das Thema Kinderpornografie oder Raubkopien in Blick hat. Allerdings: Google sieht sich nicht als eigenständiges Medium, sondern als eine Art Internetregister. Dass im Netz auch jede Menge Schmutz und Schund stehen, kann und will Google nicht verhindern, betont Rachel Whetstone, Pressesprecherin von Google England:

"Letztendlich glauben wir, dass wir nur dafür zuständig sind, Leute auf bestimmte Inhalte zu lenken, wir wollen aber nicht redaktionelle Entscheidungen treffen, was Menschen sehen und lesen dürfen und was nicht. Wir versuchen, so unabhängig und neutral zu sein wie möglich. Das heißt nicht, dass Sie nicht via Google Dinge finden, die Sie ablehnen. Das werden Sie sicher, das ist nun mal die Realität des Internets, dass Menschen dort Inhalte ablegen, die Sie mögen oder nicht, das ist Ansichtssache. Wir denken nicht, dass wir der Schiedsrichter sein sollten, sondern die jeweiligen Parlamente und gewählten Volksvertreter, denn die vertreten die Ansichten ihrer Wähler, und wir denken, so sollte es geregelt werden."

Paradoxerweise hat sich Google aber ausgerechnet in China dazu verpflichtet, seine Suchmaschine redaktionell zu bearbeiten. So kann man in China via Google zum Beispiel nichts über das Massaker auf dem Tiananmen-Platz erfahren ebenso wenig etwas über die Besetzung Tibets. Diese Anpassung an die offizielle Parteilinie in China hat Google viel Kritik eingebracht. Kommerz gehe vor Moral, so der Vorwurf an Google.

Da die Suchmaschinen ein nicht zu kontrollierendes Machtpotenzial haben, stellt sich auch die Frage, welchen Einfluss sie eigentlich auf den Journalismus haben. Gerade kleine, personell schlecht ausgestattete Redaktionen nutzen Google oft als einzige Quelle. Das ist fatal für den Journalismus insgesamt, meint Nic Newman, bei der Londoner BBC zuständig für die Online-Aktivitäten:

"In den letzen zehn Jahren mussten wir uns erst einmal an das Internet gewöhnen, wie man diese wunderbaren neuen Medien überhaupt nutzt, und wie man sie besser nutzen kann. Also zum Beispiel: Wie man jemanden findet, den man interviewen will, da ist es schon fantastisch. Aber oft findet man die Inhalte für eine gute Recherche gar nicht im Internet. Es gibt eine Tendenz, dass Leute es sich leicht machen, im Internet suchen, es geht halt schneller und sie gehen in kein Archiv oder reden mit Leuten, das ist das Problem. Es ersetzt eben nicht gute journalistische Praxis. Und was wir gelernt haben ist: die Journalisten müssen nach wie vor ausgewogen berichten, müssen gut ausgebildet sein, Google ist da nur ein Werkzeug von vielen. "

Um die Übermacht der drei amerikanischen Suchmaschinen zu beseitigen, müssten verstärkt andere, neue Anbieter auf den Markt kommen, wünschenswert wäre auch eine Art nicht-kommerzielles Suchsystem. Zum Teil gibt es das schon wie etwa die deutsch-französische Suchmaschine "Quaero". Aber diese Konkurrenz steckt noch am Anfang –
dennoch wird die Internet-Landschaft in zehn Jahren deutlich anders aussehen als heute, sagt Marcel Machill von der Uni Leipzig:

"Der Suchmaschinenbereich ist im Internet der Bereich, der die höchsten Gewinne verspricht. Dementsprechend ist da auch zu erwarten, dass da noch erhebliche Investitionen getan werden wie in den vergangenen zwei Jahren auch. Da sind von den Großen, von Google, von Yahoo Milliarden investiert worden. Ich würde mir wünschen, dass solche Investitionen stärker in Europa gemacht werden, auch in Asien – es geht letztlich um eine Diversifizierung. Es geht darum, einen Pluralismus in diesem Suchmaschinensektor auch herzustellen, vielleicht gelingt das ja in den nächsten zehn Jahren."

Service:

Über die Macht der Suchmaschinen sprachen am 26. und 27. Juni 2006 auf einer Tagung der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin Experten, Journalisten und Wissenschaftler.
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