"Die Macht der Kinder"

Rezensiert von Andreas Baum |
Kinder machen reich. Dieses Buch ist eine Streitschrift. Der Autor wägt nicht ab, sondern vertritt eine kämpferische These. Schon mit dem Titel ist das Anliegen des Autors auf den Punkt gebracht. Der Umschlag ist so gestaltet, dass, betrachtet man ihn aus der Ferne, nur noch der fett gedruckte Imperativ "Macht Kinder!" zu lesen ist.
In wenigen Jahrzehnten, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen, steht jedem jungen Arbeitenden ein Bezieher von Altersbezügen gegenüber. Und das werden sich die Jungen schlicht nicht gefallen lassen. Wir müssen rasch und rasant die Geburtenrate steigern, sagt Deupmann, sonst droht uns eine ökonomische Katastrophe.

Warum bekommen die Deutschen so wenig Kinder?
In uns wirkt, sagt Deupmann, die nationalsozialistische Ideologie weiter. Denn einerseits misstrauen wir immer noch einer Bevölkerungspolitik, die das Gebären belohnt, weil dies die Nazis ebenfalls getan haben. Und andererseits herrsche immer noch das Frauenbild der aufopferungsbereiten, hingebungsvollen Mutter vor. Frauen, die Karriere und Kinder vereinbaren, sieht dieser "deutsche Müttermythos" nicht vor. Die Statistik scheint Deupmann Recht zu geben. In Europa werden dort am meisten Kinder gezeugt, in denen die Frauen traditionell gleichberechtigt sind und in denen die Berufstätigkeit von Müttern eine Selbstverständlichkeit ist, in Skandinavien zum Beispiel, aber auch in Frankreich. Deutschland liegt bei der Geburtenrate im unteren Mittelfeld. Noch weniger Kinder werden dort geboren, wo noch stärker als bei uns traditionelle Rollenbilder gelten, in Italien und in Spanien - beides ebenfalls Länder mit einer faschistischen Vergangenheit. Fazit: Wo arbeitende Frauen diskriminiert werden, bekommen sie keine Kinder.

Sofortmaßnahmen gegen die Kinderlosigkeit.
Deupmann schlägt einen Zhen-Punkte-Plan für eine kinderfreundliche Gesellschaft vor. Zu seinen Forderungen gehört neben dem Recht auf einen Krippenplatz eine Kindergartenpflicht ab dem dritten Lebensjahr. Außerdem soll das Erziehungsgeld auf 80 Prozent des letzten Nettogehaltes erhöht werden. Damit wären die finanziellen Nachteile des Kinderkrieges ausgeglichen, wie aber das Klima einer Gesellschaft verändert werden kann, in der sich der persönlicher Erfolg am Life-Style misst, darüber sagt der Autor nicht viel. Die Entscheidung gegen Kinder ist nicht selten die Entscheidung für einen individualistischen Lebensstil, und das wird sich auch dann nicht grundlegend ändern, wenn Familien mehr Geld bekommen.

Einseitig, aber gut zu lesen.
Deupmann schreibt durchgängig spannend und ist auch in den Passagen, in denen er trockenes Zahlenmaterial verarbeitet, nie langweilig. Sein Plädoyer fürs Kinderkriegen ist allerdings so unbedingt und einseitig, dass er den Widerspruch des kritischen Lesers weckt, der ein Ding gern von zwei Seiten betrachten möchte. Schwer verständlich ist, warum er das höhere Renteneintrittsalters als Schreckgespenst an die Wand malt: Viele Erwachsene fangen heute erst im Alter von 30 Jahren an, richtig zu arbeiten. Warum sollten sie das nicht im Alter ausgleichen? Und angesichts einer Bevölkerungsexplosion in weiten Teilen der Welt relativiert sich die Aufforderung "Macht Kinder!" doch sehr. Vielleicht sind wir mit unserer niedrigen Geburtenrate global gesehen gar nicht auf einem so schlechten Weg. Wünschenswert wäre doch eine Gesellschaft, in der die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, ebenso respektiert wird wie die, mehrere zu bekommen. Insgesamt gibt Deupmann mit seinem Buch also Stoff für Debatten, er durchdenkt ein bekanntes Problem neu, und das in angenehm lesbare Weise.

Ulrich Deupmann: Die Macht der Kinder
S. Fischer Verlag
220 Seiten
16,90 Euro