Die Macht behalten um jeden Trick

Von Dieter Putz |
Schröder zockt und seine Partei spielt mit. Er will aus dem Kanzleramt nicht ausziehen,
und die SPD ist sogar bereit, sich dafür lächerlich zu machen. Beide schweißt eine schon atemberaubende Verweigerung der Wirklichkeit zusammen. Die lautet auch am 4. Tag nach der Wahl kurz und bündig: Trotz Großeinsatz und Aufholjagd haben die SPD und Schröder die von ihm angezettelte Wahl verloren, knapp, aber verloren.
Dass sich eine Partei ihrem Kanzler derart ausliefert, das hat man in der Vergangenheit Kohl und der Union vorgehalten. Mit Recht. Und nun gibt Schröder selbst den Kohl und auch ein wenig den Putin, seinen Freund, der darüber nachdenkt, die russische Verfassung zu ändern, um weiterregieren zu können.

Da geht es bei der SPD, man darf ja froh sein, lediglich um die Geschäftsordnung des Bundestages und um ein paar lumpige parlamentarische Traditionen. Sie will aus der einen CDU/CSU-Fraktion, die seit 1949 im Bundestag auftritt, zwei machen, um dann selbst als stärkste Fraktion gezählt zu werden. Ihre Begründungen dafür sind teilweise geradezu abstrus.

Und trotzdem: Was ist der kühle Beweggrund für diese Zockeroperation? Nach parlamentarischem Brauch steht der größten Fraktion zu, den Bundestagspräsidenten und die meisten Ausschussvorsitzenden zu stellen. Und in einer Regierungskoalition - und nur dort - hat sie Anspruch auf das Kanzleramt. Somit auch in der großen Koalition, auf die alles zuzulaufen scheint.

Da zu kämpfen, ist nachvollziehbar. Dafür aber die Geschäftsordnung des Bundestags zu ändern, um das Wahlergebnis umdrehen zu können, schmeckt nach Manipulation, Machiavellismus und Machtversessenheit. Und nichts ist den Bürgern mehr zuwider. Das hat Müntefering offenbar begriffen, als er heute ganz schnell seine Minenhunde zurückpfiff, ohne freilich auf den Trick ganz verzichten zu wollen. "Bisher", heißt sein Zauberwort: Wir verzichten jetzt darauf, aber die Drohung bleibt und mit ihr gehen wir in die Verhandlungen.

Adressat dieser Drohung sind Angela Merkel als die Betroffene und jene Kräfte in der Union, die womöglich zu Zugeständnissen bereit sind. Zugeständnisse in der Kanzlerfrage: Das Amt wird der SPD überlassen. Das wäre Schröders später Sieg. Oder Zugeständnisse in der Sache. Das könnte Müntefering vor der Revolte der Linken in seiner Partei retten. Oder Zugeständnisse in der Person Merkels. Das wäre dann das große Trostbonbon für Gerhard und Doris Schröders Gesamt-Ego: Wir müssen raus aus dem Prachtbau, sie kommt aber nicht rein.

Aber soll uns allen deren Therapie so viel wert sein, dass wir jeden Schaden für das Land hinnehmen? Nein. Wir haben, weiß Gott, gewichtigere Probleme.