Die liebsten Feindbilder der GIs

Von Jochen Stöckmann |
Er nutzte Zeichenstift und Pinsel als seinen Waffen gegen den Nationalsozialismus und Terror: Arthur Szyk malte und zeichnete in seiner Wahlheimat USA zahlreiche Karikaturen von Hitler, Goebbels und Göring, die auf Reklamewänden, in Telefonbüchern und auf Flyern veröffentlicht würden. Im Deutschen Historischen Museum Berlin sind die Werke nun zu sehen.
Ein ungeschlachter, zottelbärtiger Jude liegt am Boden. Uncle Sam und John Bull, USA und Großbritannien, stehen in Ketten gefesselt daneben. So etwas hätte man 1942 von deutschen Propagandablättern erwartet, aber nicht von einer US-Zeitschrift. Doch Arthur Szyk, ein aus Polen emigrierter Künstler, stellte die Situation in ein gänzlich anderes Licht: Er zeigt daneben den debil in seinem Hakenkreuz-Thron versunkenen Hitler, macht Mussolini und den japanischen Kaiser zu lächerlichen Hofschranzen eines Möchtegern-Diktators - und führt schlagend vor Augen:

"Mit welchen Gestalten das NS-Regime hervortrat, diesem unförmigen Göring, diesem hinkenden Goebbels, dem geifernden Hitler. Das hat eine lange Tradition in der Bildenden Kunst, dass man das Böse als hässlich zeigt."

Hans Ottomeyer, Direktor des Deutschen Historischen Museums, ist beeindruckt von der altmeisterlichen Präzision, die in dieser ersten deutschen Retrospektive des Zeichners und Illustrators offenbar wird. Hierzulande kaum bekannt, war der im polnischen Lodz geborene Arthur Szyk in den USA mehr als populär:

"Arthur Szyks Bilder wurden in über 500 Armee-Stützpunkten gezeigt. 1944 erschienen allein in einer einzigen New Yorker Zeitung über 100 Karikaturen, sie waren auf Reklamewänden, in Telefonbüchern, auf Flyern, überall. Er galt als Ein-Mann-Armee, das US-Militär ernannte ihn zum Bürgersoldaten der Freien Welt."

Irvin Ungar, Kurator der Szyk Society, hat die Ursachen dieses Erfolgs erforscht. Die Wirkung der Szyk-Karikaturen, so heißt es in einer US-Wochenschau von 1946, sei nur mit einer "politischen Atombombe" zu vergleichen. Der Künstler selbst war da realistischer, sprach von Zeichenstift und Pinsel als seinen Waffen - die er mit Bedacht einsetzen konnte:

"Er soll jede Zeitung gelesen, immer Radio gehört haben. Als er - noch ein Teenager - nach Paris kam, war er in den Bibliotheken, besuchte die Museen. Er studierte regelrecht Literatur und Kunst, aus deren Traditionen er sein eigenes Werk entwickelte."

Die Präambel des Völkerbundes und später auch die Verfassung seiner neuen Wahlheimat USA versieht Szyk mit fein ziselierten Illustrationen in leuchtenden Farben, ganz in der Art mittelalterlicher Buchmaler. Das schaut ein wenig nach Elfenbeinturm, nach Künstler-Exerzitien in der mönchischen Klause aus. Tatsächlich aber gehörte Szyk zu den allerersten, die sich gegen die Nazis engagierten. So beginnt die Ausstellung denn auch mit zwei Selbstporträts in Uniform, geschmückt mit einem Orden in Gestalt des polnischen Adlers. Mit diesem feinen Sinn für Embleme attackiert Szyk den Gegner, wendet das SS-Wappen des Totenkopfes gegen das Haupt der Mörderbande und zeigt Hitler selbst mit der nackten Visage eines Knochenmannes:

"In diesem etablierten Genre leistet er das allerbeste, was Suggestion angeht, was Glaubenmachen angeht, durch den äußersten Realismus und die äußerste Schärfe seiner Darstellung."

Auch dem Oberkommando der Wehrmacht hält Szyk einfach nur den Spiegel vor, präsentiert zwei preußische Monokelträger mit Schmissen in pompös dekorierter Generalsuniform. Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbour allerdings greift auch er zu den Propagandawaffen des Gegners: Japaner tauchen da als mörderisch grinsende Schlitzaugen auf, werden mit ungewohnt plattem Strich, allzu denunziatorisch dargestellt:

"Hier finden wir dann auch eine Übernahme der in der amerikanischen Populärkultur verbreiteten rassistischen Stereotype gegenüber Asiaten und insbesondere Japanern. Das ist keine Prägung Szyks, die er aus Europa mitbringt, sondern er sieht, dass es einen dritten Achsenpartner gibt, der insbesondere seine Wahlheimat USA angreift. Und er sucht nach allgemeinverständlichen Bildtraditionen oder Bildmotiven."

Kurator Johannes Zechner hält aber auch ein "Gegenbild" parat, Szyks eindrücklichen Hinweis auf den Warschauer Ghettoaufstand, mit jüdischen Widerstandskämpfern, die ganz in der Tradition mittelalterlicher Holzschnitte dargestellt sind, wie aus den Bauernkriegen. Gleich daneben der Aufruf zur Gründung einer jüdischen Armee:

"Niemand kümmerte das, aber er verlangte Taten, nicht Mitleid! Nur Jammern über sterbende Kinder, ermordete Menschen reichte nicht. Er war zornig, nicht verbittert."

Alexandra Bracia ist mit 86 Jahren nach Berlin gekommen, sie hat als Tochter Szyks erlebt, wie ihr Vater arbeitete. Wie ein Mann von großer Gelehrsamkeit, ein Kenner alteuropäischer Bildtraditionen, es auf die Titelseiten großer Magazine wie "Time" oder "Collier's" brachte. Am Anfang verspottete der Zeichner Hitler als historischen Wiedergänger des Pharao oder eines Hunnenkönigs Attila. Dann wurde er drastischer, rief unter der wortspielerischen Überschrift "Prophylaxis" zur Vorbeugung gegen die ansteckende Krankheiten mit sich schleppenden Elendsgestalten der drei Achsenmächte auf:

"Die GIs liebten Bilder wie "Prophylaxis”, das war ein enormer Erfolg. Voller Humor, eine Karikatur, aber eben auch ernst gemeint."

Dieser differenzierte Stil, eine virtuose Technik in der altfränkisch-realistischen Art eines Matthias Prechtl neben drastischen Überspitzungen mit dem fast schon gemeinen Witz eines Ralf König, diese ganz eigene Linie zwischen erlesener Buchmalerei und Comic ganz ohne Sprechblasen wirkt ein wenig befremdlich - und offenbart nach einem halben Jahrhundert gerade dadurch seine besondere Qualität, ein heute noch aktuelles "Geschichtsbild", beschreibt Kuratorin Katja Widmann ihre Begegnung mit Szyks Werk:

" Dass wir anfangs nicht wussten, hat er nicht anders gekonnt oder hat er nicht anders gewollt? Inzwischen sind wir sehr viel klüger: Er wollte nicht expressionistisch arbeiten, wo man gleich weiß "Ich habe in den zwanziger Jahren gearbeitet". Ich möchte aber auch nicht kubistisch arbeiten, ich bin niemand, der von Picasso her kommt. Ich möchte jemand sein, der etwas Eigenes schafft für große Zeiträume."