Die Liebe zu Matrosen

22.05.2008
In ihrem autobiographisch gefärbten Roman "Blau steht dir nicht" schildert Judith Schalansky die Liebe ihrer Hauptfigur Jenny zu Matrosen und deren Anzügen. Neben einigem philosophischen Tiefgang bietet sie dabei auch eine wunderbar leichte, ganz einfache Kindheitsgeschichte mit Muscheln, Seeigeln, sommerlichen Obsttorten und natürlich mit dem Meer.
Sie ist erst 27 Jahre alt. Ihren Debütroman "Blau steht dir nicht. Matrosenroman" beschreibt Martin Walser als "Poesie pur". Judith Schalansky wurde 1980 in Greifswald an der Ostsee geboren, studierte Kunstgeschichte und ist diplomierte Kommunikationsdesigngrafikerin. Die Idee für das Buch entstand während ihres Studiums. Aus einer Seminararbeit mit dem Thema "Der Matrosenanzug - Eros in 1000 Formen" wurden eine Diplomarbeit und der Roman.

Martin Walser nennt das Buch "Poesie pur", und er fügt noch ein Wort hinzu: "Erstaunlich!" In beidem hat er Recht. Sicherlich ist es erstaunlich, dass eine so junge Autorin ein derart perfektes Buch schreiben kann; noch erstaunlicher ist die ätherische Leichtigkeit des Textes. In der deutschen Literatur eher selten. Streng genommen ist es gar kein Roman.

Genau genommen ist "Blau steht dir nicht. Matrosenroman" überhaupt kein Roman sondern eine Miniatur. Es gibt keinen richtigen Plot und auch keine stringente Handlung. Mit dem Genrebegriff "Miniatur" bezeichnet man allerdings nicht etwa kleine Texte; eine "Miniatur", von lat. "minium"= "Zinnober", bezeichnet in der Malerei - z.B. der Renaissance - Rötel-Skizzen. Und so schreibt Judith Schalansky, sie skizziert das Große im Kleinen und das Kleine im Großen, assoziativ, episodisch, realistisch.

Die Hauptfigur ist Jenny, mal als kleines Mädchen und dann als erwachsene Frau und Ich-Erzählerin. Dahinter verbirgt sich die Autorin, das Material ist weitgehend autobiographisch; sogar Kinderfotos von Judith Schalansky illustrieren den Text.

Jenny wächst in der DDR auf, die Sommerferien verbringt sie jedes Jahr bei ihren Großeltern auf der Insel Usedom. Und Jenny liebt "Matrosenanzüge", aber ihre Großmutter sagt immer nur: "Blau steht dir nicht".

Als Jenny nun erwachsen ist - die Faszination für Matrosenanzüge und Matrosen ist geblieben - unternimmt sie Reisen, auch das meist autobiographisch, auf den Spuren der Matrosenwelt, nach Riga, nach Odessa, nach New York und wieder auf die Insel Usedom.

Aus Sprachtupfern entsteht ein impressionistisches Gemälde: Licht flirrt und kein Wort zu viel.

"Schaumkronen hüpften wie kleine Papierboote, die immer wieder kenterten."

Das ist Poesie, aber elegisch ist diese Miniatur nicht. Jede einzelne Episode hat ihren eigenen starken Sog und treibt den Leser weiter, und dazu kommt eine große Vorliebe der Autorin für trockenen Humor. FKK in der DDR:

"Angezogen blieben nur ein paar verklemmte Sachsen und die Kinder vom katholischen Sankt-Otto-Heim."

"Blau steht dir nicht. Matrosenroman" ist sowohl höchst unterhaltsame Literatur als auch eine Perle für Literatur-Insider: Ein kulturhistorisch anspruchsvolles Buch mit philosophischem Tiefgang, gleichzeitig aber auch eine wunderbar leichte, ganz einfache Kindheitsgeschichte mit Muscheln, Seeigeln, sommerlichen Obsttorten und natürlich mit dem Meer.

Katja Lange-Müller attestiert Judith Schalansky, sie habe ein "blaues Herz, das vor allem nicht stillsteht". Richtig, ein Buch mit einem schnellen Puls, seine anderen Grundpfeiler sind Leichtigkeit und Witz, die an Tucholsky erinnern. Judith Schalanskys Rezept: "einfach nicht darüber nachdenken", genauso wie beim schwimmen lernen.

Rezensiert von Lutz Bunk

Judith Schalansky: Blau steht dir nicht – Matrosenroman,
marebuchverlag (marebibliothek, Bd. 35) 2008
141 Seiten, 18 Euro