Die letzten Briten verlassen NRW

Was bleibt vom Alliiertensport?

Amateure spielen Rugby.
Die vereinende Kraft des Rugby. © imago stock&people
Von Heinz Schindler · 06.05.2018
In den 50er-Jahren lebten gut 70.000 Briten in Deutschland, heute sind es nur noch wenige. Der Abzug der Alliierten ist beschlossene Sache. Welchen Einfluss hatte das britische Leben in und vor den Kasernen auf den Sport? Und: Was wird davon bleiben?
Grün, soweit das Auge reicht. Beinahe verloren wirken die Fußball- und Rugbyfelder vor dem Hintergrund eines geschlossenen Flugplatzes. Dahinter: Bäume und kilometerweit die karge Landschaft der Senne. Hier am Rande des Truppenübungsplatzes in Bad Lippspringe bei Paderborn treffen sich seit Jahrzehnten Briten und Deutsche. Früher zum Volksfest, der Rhine Army Summer Show. Heute sind es die Spielerinnen und Spieler des FC Paderborn United, erzählt dessen Vorsitzender John Pluckwell.
"Wir haben hier Leute aus Nepal, aus Uganda, aus der ganzen Welt. Wir haben eine Bindung untereinander und ebenso zu unseren deutschen Freunden. Ob sie nun schon im Team sind oder erst noch dazukommen wollen. Unser Verein ist Teil der britischen Streitkräfte in Deutschland und sind ein Teil Paderborns. Wir sind Paderborner."
Dies ist das Ergebnis von mehr als siebzig Jahren, in denen Briten hier leben. Die Anfänge waren ein vorsichtiges Abtasten, berichtet die Historikerin Dr. Bettina Blum von der Uni Paderborn:
"Also aus Detmold wissen wir, dass es ein Fußballspiel gab zwischen einer deutschen Sportgruppe und einer Soldatenmannschaft am 9. Dezember 1945. Und handschriftlich wurde dann drunter geschrieben, dass die Briten dann zwei zu eins gewannen. - Und was ich ganz spannend fand: dass bei manchen Zeitzeugen diese Erinnerung als Kind auf dem Fußballplatz mit Briten was mitbekommen. Und das Fairplay steht eben groß im Vordergrund."
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The one and only: Das deutsch-britische Team F.C. Paderborn United.© Heinz Schindler
Der faire Wettbewerb, gemeinsam Ziele erreichen und an der Fitness arbeiten – was für die Briten in der Armee gilt, wird auf den Sport übertragen, so Tommy Elias, Vorsitzender des Paderborner Rugby Teams:
"Historisch gesehen ist Deutschland in den großen Sportarten weitaus besser als jedes britische Team. Im Rugby ist das offenbar anders und ich denke unser Team hier in Paderborn konnte die Wahrnehmung des Rugbysports beeinflussen. Die Leute nennen Rugby oft einen Volkssport, der von Gentlemen gespielt wird. Vielleicht haben wir diese Kultur gute Sportsleute zu sein, in den Vordergrund stellen können. Oder haben es versucht - als Rugbyspieler."

Es ist ein gemischtes Feld

Neben Rugby kamen andere Sportarten durch die britische Armee nach Deutschland, erzählt Bettina Blum. Sie hat eine Ausstellung über das Leben der Briten in Westfalen kuratiert und stieß auf Sportarten, die in den Fünfzigern als extravagant galten.
"Es hat in Bad Lippspringe einen Fallschirmclub gegeben. Also, der wurde von der brititschen Armee betrieben und war zur Ausbildung von Soldaten gedacht. Gerade an den Wochenenden gab's da aber keine Kurse und von daher gab's die Möglichkeit für die deutsche Bevölkerung eben diese Anlagen auch zu nutzen. Und viele Leute hier aus der Gegend haben in Bad Lippspringe ihren ersten Fallschirmsprung gemacht."
Ob Fallschirmspringen, Golf oder Polo – indem die Briten ihre Sportanlagen öffneten, kamen Einheimische zu Sportarten, die sie sich anderenfalls kaum hätten leisten können.
Paderborn United wurde 1990 gegründet als ein deutsch-britischer Verein. Die Fußballer spielen in der deutschen Kreisliga, seit einem Jahr spielen auch Frauen. Etwa Julia Scott.
"Wir spielen zwar nur mit neun, aber wir sind ungefähr zwanzig, die zum Training kommen. Ein paar von denen sind in der Army, paar von denen sind halt (Soldaten-)Frauen und manche, so wie ich, wir arbeiten halt nur hier für die Engländer. Aber es ist ein gemischtes Feld eigentlich."
Erinnerungen an die englische Soldatenmannschaft in Detmold.
Erinnerungen an die englische Soldatenmannschaft in Detmold.© A.Gaidt / Stadt-und Kreisarchiv Paderborn
Durch die regelmäßigen Versetzungen der Soldaten ist das Kommen und Gehen eine Konstante in der Mannschaft und im Verein. Davon betroffen ist auch das Paderborn Ladies Rugby Team. Spielerin Sharon Brotherton.

"Wir haben ein Vermächtnis zu hinterlassen"

"Mit dem Rückzug werden wir einige Spielerinnen verlieren. Deswegen wollen wir unbedingt deutsche Spielerinnen gewinnen. Haben auch schon an der Uni Paderborn Werbung gemacht zum Beispiel. Wir haben ein Vermächtnis zu hinterlassen. Je mehr deutsche Spielerinnen wir haben, desto leichter wird das."
Die Rugby-Männer von Tommy Elias haben hier bereits Erfolg gehabt.
"Das Verhältnis zwischen deutschen und britischen Spielern hat sich in den letzten zwei Spielzeiten stark verändert. Als ich vor anderthalb Jahren hier anfing, waren es siebzig Prozent Briten, dreißig Prozent Deutsche. Mittlerweile ist es umgekehrt: siebzig Prozent Deutsche und dreißig Prozent gehören der Armee an."
Mit jedem deutschen Spieler steigt die Hoffnung, dass es nach dem Abzug der Briten in zwei Jahren mit dem Rugby weiter geht. Die Fußballer des FC Paderborn United hingegen stehen vor der Auflösung, dessen ist sich John Pluckwell sicher.
"Leider wird Paderborn United Fußball enden. Wir werden unser Clubheim zurückgeben, das Equipment bekommen deutsche Vereine und die Spieler nehmen ihre persönlichen Dinge mit. Unser Erbe, das sind hoffentlich die beiden Rugby-Teams für Paderborn."
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Was haben die Alliierten zur Entwicklung des Sports in Deutschland beigetragen? Ein Gespräch mit dem Sporthistoriker Ansgar Molzberger:
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