Die letzte Party

12.08.2011
In seinem Roman "So was von da" erzählt Tino Hanekamp das Geschehen von nur einer Nacht. Ein von der Schließung bedrohter Hamburger Club soll mit einer letzten Party zu Silvester in die Geschichte des Szenelebens eingehen. Doch der berüchtigte Karl Schneider aka Kiezkalle will noch eine alte Rechnung beglichen haben.
Das Tolle an diesem Roman: Er liest sich, als sei er wie im Rausch geschrieben worden, als sei er von einer langen, wunderbaren Clubnacht inspiriert worden. Tino Hanekamps Sprache hat etwas Hastiges, Atemloses, in den Sätzen stecken Euphorie, Lebensbejahung und Gegenwart sowieso. Und tatsächlich dreht sich das Geschehen von "So was von da" um nur eine einzige Nacht.

Der 23-Jährige Oskar Wrobel will seinen von der Schließung bedrohten Hamburger Club nach zwei tollen, ökonomisch allerdings nicht sehr erfolgreichen Jahren mit einer letzten Party zu Silvester in die Annalen des Szenelebens eingehen lassen. Er sammelt Freunde ein, besorgt Getränke, Drogen, Eis zum Kühlen und "Friedhofskerzen zwecks Fummellicht in den Bumsbuden". Womit er nicht rechnet: dass der berüchtigte Bordellbetreiber und Zuhälter Karl Schneider aka Kiezkalle eine alte Rechnung beglichen haben will und 10.000 Euro in bar verlangt. Dazu kommt, dass sich Oskar in einer Nacht wie dieser, einer Nacht der Abschiede, der großen und bislang einzigen Liebe seines Lebens erinnert: Mathilda.

Das ist natürlich zunächst nicht der ganz große Stoff. Doch gelingt es dem 32-jährigen Tino Hanekamp außerordentlich gut, Oskars bewegte Innenwelt mit der Atmosphäre auf St. Pauli im Allgemeinen und im Club im Besonderen abzugleichen und seinem Roman Tempo zu verleihen: die Stunden vor der Eröffnung, Mitternacht, unvorhergesehene Ereignisse wie der Besuch der Innensenatorin, deren Sohn als Musiker auftritt. Dazu kommen Listen mit den verschiedenen Phasen einer gelungenen Clubnacht, sechs an der Zahl, über die "Causa Schneider" oder die zehn Punkte umfassende "Anleitung zur Gründung einer Event-Location mit cash-flow-fixierter Entertainmentgastronomie und integrierter Work-Life-Balance-Solution".

Ja, genau: Tino Hanekamp schreibt Popliteratur. "So was von da" ist ein auf die Gegenwart fixierter Clubroman, den man in einem Atemzug mit Rainald Goetz` "Rave", Rainer Schmidts Techno-Epos "Liebestänze" oder den Büchern von Helene Hegemann und Airen aus dem letzten Jahr nennen muss.

Doch das ist Hamburg und nicht Berlin. Musiker wie Die Sterne, Erobique oder Ego-Express haben ihren Auftritt, und Hanekamp taucht tief in das ganz spezielle Milieu der Hansestadt ein. In ein Milieu, in dem wackere Antifakämpfer auf dem Kiez genauso eine Rolle spielen wie besagte Innensenatorin, deren Berater bereits ahnen, dass Leute wie Oskar "in ein paar Jahren in einem unserer Theater arbeiten oder städtische Kulturveranstaltungen organisieren" werden.

Hanekamp kennt sich aus – er erzählt hier mitten aus seinem eigenen Leben: Er lebt seit Jahren in Hamburg, wo er erst den inzwischen abgerissenen Club "Weltbühne" gründete und seit einiger Zeit das "Uebel und Gefährlich" betreibt. Doch Hamburg hin oder her: Sätze wie "Love is in the air. Jetzt nur nicht zu viel trinken, das Level halten, weiter, weiter, immer weiter, never stop that feeling" sind Sätze der Nacht. Sie gelten in jeder Stadt, in jedem Club, überall auf der Welt.

Besprochen von Gerrit Bartels

Tino Hanekamp: So was von da
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011
302 Seiten, 14, 95 Euro