Die Lausitz mediterran

Von Adolf Stock · 01.06.2010
Zehn Jahre wurde in der Lausitz geplant, gebuddelt und gebaut. Es gibt jetzt 30 Seen, blank geputzte Industriedenkmäler, schwimmende Häuser, eine Seestadt und ein Lagunendorf. Die Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land will im südlichen Brandenburg zeigen, wie eine von Altlasten geprägte Industrieregion den Wandel schafft. Die Lausitz soll ihr Schmuddel-Image verlieren. Dort wo der Kohletagebau großflächige Brachen hinterlassen hatte, entsteht eine attraktive Seenlandschaft. Im Informations- und Ausstellungszentrum Großräschen wird jetzt eine vorläufige Bilanz gezogen.
Die Lausitz ist traditionell ein Bergbaurevier. Nach der Wende 1989 und dem Ende der DDR war über Nacht alles anders: Die Braunkohleförderung wurde weitgehend eingestellt, zurück blieben triste Mondlandschaften und desillusionierte Bewohner, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten. Viele Menschen verließen die Lausitz, um an anderen Orten Arbeit zu finden, sagt der Geschäftsführer der Internationalen Bauhausstellung Fürst-Pückler-Land, kurz IBA genannt, Ralf Kuhn.

"Was ich hier gesehen habe, war zum großen Teil ziemlich schrecklich. Gerade in Großräschen, wo ich jetzt wohne, wo unser Büro ist, hatte ich das Gefühl, hier kann man eigentlich kaum leben."

Was macht man mit ausgedienten Industriebrachen? Rolf Kuhn hatte schon am Dessauer Bauhaus mit dem Projekt Wörlitzer Gartenreich Erfahrungen gesammelt, jetzt wurde in der Lausitz nach neuen Antworten gesucht.

Als Werkstatt für neue Landschaften will die IBA Fürst-Pückler-Land den notwendigen Strukturwandel unterstützen. Ihr Herzstück ist die Seestadt Großräschen. Auf die Idee, rund um eine leergebaggerte Kohlegrube eine Seestadt mit Hotels, Strand und Hafen zu bauen, reagierten viele Bewohner zunächst mit Spott und Hohn.

Rolf Kuhn: "Ich höre jetzt manchmal von Menschen, die Vorträge im Jahr 2000 von mir gehört haben, dass sie das damals alles für Spinnerei hielten und dass es aber dann doch so gekommen wäre, wie ich 2000 es mir vorgestellt habe, und dass sie es jetzt ganz toll finden, wie es gekommen ist. Aber offensichtlich war es doch recht schwierig sich vorzustellen, wie aus alten Geräten der Industrie, aus alten Gebäudehüllen etwas Neues, Schönes und für dieses entstehende Seenland auch etwas Wichtiges, Ausstrahlendes, Anziehendes werden kann."

Hotel, Strand und Hafen gibt es nun, nur der See lässt noch etwas auf sich warten. Erst 2015 wird das Tagebauloch vollständig geflutet sein. Doch schon jetzt kommen viele Besucher.

Die Ausstellung auf den IBA-Terrassen zeigt die Projekte des letzten Jahrzehnts. Eine 80 Meter hohe Abraumförderbrücke wurde 2002 zum Museumsbergwerk. Der liegende Eiffelturm der Lausitz war nur kurzzeitig in Betrieb. Bis heute weckt er bei der Bevölkerung ganz unterschiedliche Emotionen:

"Das ist das Gerät, was unsere Heimatdörfer weggebaggert hätte, wenn es jetzt hier nicht als Museum stehen würde. Und schon deshalb ist es eigentlich ein gutes Gefühl, wenn man das jetzt hier so stehen sieht."

Rolf Kuhn spricht von einer wegweisenden Erfolgsgeschichte:

"Wir haben mit 25.000 Besuchern gerechnet, und im Dezember 2002 hatten wir 70.000 Besucher, und das war ein Riesenerfolg. Sie müssen sich vorstellen, die 400 Einwohner von Lichterfeld, die hatten zum großen Teil ihre Arbeit verloren, weil man den Tagebau Klettwitz eingestellt hatte, der Nachbarort Bergheide war abgebaggert. Wenn die liebe Verwandtschaft kam und gesagt hat: Na bei euch sieht's aber aus! Können Sie sich vorstellen, wie man sich da fühlt? Wenn man jetzt dort hingeht, und die Leute sprechen darüber, dass sie Besucher aus allen Erdteilen hatten, die sind jetzt so stolz. Jetzt sind die Gaststätten voll am Wochenende, der Fleischer hat noch nie so viele Würstchen produziert, seitdem es das Besucherbergwerk gibt, und selbst die Tankstelle hat den doppelten Umsatz."

Es ist eine IBA von unten. Man spricht mit den Bewohnern und fordert sie auf mitzumachen. Mit Projekten wie der Förderbrücke als Museumsbergwerk bekommt die Lausitz ein neues Gesicht und eine neue wirtschaftliche Perspektive. Das gilt auch für die schwimmenden Häuser und die Bio-Türme der Kokerei Lauchhammer.

Konrad Wilhelm ist 1951in Lauchhammer geboren. Er ist so alt wie die Kokerei, die nach 1989 abgeräumt wurde. Jetzt stehen nur noch ein paar Bio-Türme, die früher zur Klärung industrieller Abwässer dienten. Sie sind Kulisse für Konzerte und Ritterspiele. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler hat das ungewöhnliche Industriedenkmal mit dem Castel del Monte verglichen. In Lauchhammer schütteln die Leute den Kopf, wenn man sie danach fragt, nicht im Traum hätten sie jemals an Apulien gedacht.

Konrad Wilhelm: "Die Bio-Türme standen für jeden sichtbar am Zaun, am Straßenrand. Da hat man sich identifiziert, dass das eben das Synonym für Dreck und Gestank ist. Und jetzt bleibt es erhalten als einziges Überbleibsel der gesamten 150-jährigen Ära der Braunkohlenindustrie hier, wird herausgeputzt und ist jetzt Anziehungspunkt für viele Tausende Leute, die sonst Lauchhammer überhaupt nicht wahrgenommen hätten. Und das bedarf Zeit, um das zu verstehen und dieses Spagat auszuhalten."

Zum Konzept der IBA gehören die Erinnerung an das industrielle Erbe und der mutige Blick in die Zukunft. Die Präsentation der Projekte ist nur eine Zwischenbilanz. Am Ende des Jahres werden örtliche Fördervereine die Projekte übernehmen und weiterentwickeln. Doch jetzt wird erst einmal gefeiert. 600.000 Euro gibt es für das Open-Air-Festival, das im Sommer für Aufbruchsstimmung sorgen soll. Der Schweizer Theatermacher Jürg Montalta wird an sieben verschiedenen Orten mit den Bewohnern "Paradies 2" inszenieren, um "Wehmut, Depression und Verstopfung" aus den Lausitzer Köpfen zu kriegen.


Links zum Thema:

Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land

Reiseroute Lausitzer Industriekultur

Theaterprojekt: Alles verloren â€" alles gewonnen?


Literatur:
Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land 2000 – 2010 (Hg.): Neue Landschaft Lausitz. Berlin (Jovis Verlag) 2010
IBA-Projekt Besucherbergwerk
IBA-Projekt Besucherbergwerk© Lena Schmidt