"Die Lage in Iran wird sich sicher bald normalisieren"
Der iranische Botschafter in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, hat betont, dass die Demonstrationen in seinem Land sich nicht gegen die Islamische Republik richteten. Anders als vor dem Sturz des Schah-Regimes 1979 demonstrierten die Menschen heute innerhalb des Systems, sagte Attar.
Wolfgang Labuhn: Herr Botschafter, seit der Veröffentlichung der Wahlergebnisse am vergangenen Wochenende hat es Massenproteste auf den Straßen von Teheran und vielen anderen Städten im Iran gegeben. Die Demonstranten akzeptieren nicht den Sieg von Präsident Ahmadinedschad, sie glauben, der wahre Sieger ist Mir Hossein Mussawi. Die Demonstranten rufen, "Ich möchte meine Stimme zurück haben!" und "Nieder mit der Diktatur!". Was erleben wir zurzeit in Ihrem Land?
Ali Reza Sheikh Attar: Ich möchte Sie zunächst korrigieren. Bei diesen Demonstrationen gibt es zweierlei Gruppen. Es sind also zwei Gruppen, die demonstrieren. Die eine Gruppe sagt das, was Sie gerade erwähnt haben, und die andere Gruppe unterstützt Ahmadinedschad als den wahren Präsidenten der Islamischen Republik Iran und sie sagen, er ist der wahre Präsident, der gewählt worden ist.
Labuhn: Angesichts der Proteste, Herr Botschafter, hat der Wächterrat angeordnet, dass die Stimmen in einigen Bezirken neu ausgezählt werden. Heißt das nicht, dass auch der Wächterrat davon ausgeht, dass es möglicherweise Unregelmäßigkeiten gegeben haben könnte?
Attar: Der Wächterrat hat die Aufgabe, auf alle Beschwerden einzugehen, und es gibt verschiedene Vorgehensweisen und Schritte, sagen wir mal, im Rahmen des Gesetzes. Der Wächterrat kann die Ergebnisse erstens bestätigen, zweitens kann er manche Urnen nochmals zählen lassen, und drittens, wenn der Wächterrat feststellt, dass es im großen Umfang gefälscht worden ist, dann kann der Wächterrat beantragen, dass die Wahlen wiederholt werden. Es hängt also davon ab, wie gut die Beschwerden dokumentiert und argumentiert worden sind.
Labuhn: Wäre es vorstellbar, dass die Präsidentschaftswahlen wiederholt werden?
Attar: Das ist möglich, nur wenn der Wächterrat feststellt, dass im großen Umfang das Wahlergebnis gefälscht worden ist und die meisten Wahlurnen ein ernstes Problem haben, sagen wir mal so.
Labuhn: Viele fühlen sich erinnert an das Jahr 1979, als es monatelange Proteste gegen das Schah-Regime gab, die schließlich zur islamischen Revolution führten und zur Rückkehr von Ayatollah Khomeini. Erwarten Sie eigentlich jetzt als Resultat dieser gegenwärtigen Entwicklungen auch größere Veränderungen in Ihrem Land?
Attar: Was die islamische Revolution in Iran betrifft muss ich sagen, dass das Volk, dass das iranische Volk damals überhaupt die Legitimität des Schah-Regimes in Frage gestellt hat, weil dieses Regime durch einen Militärputsch mit Hilfe der Amerikaner und Briten 1953 an die Macht gekommen ist, und damals wurde die demokratisch gewählte Regierung von Mossadek gestürzt. Deswegen haben die Menschen damals vor der Revolution gesagt, der Schah muss gehen, weil er illegal ist. Aber heute demonstriert man innerhalb des Systems der Islamischen Republik Iran und deren Gesetze und auch innerhalb dieser Gesetze sind die Menschen an die Wahlurnen gegangen. Die Beteiligung in dieser Höhe, 85 Prozent, kann man in ganz Europa nicht sehen. Es gibt kein vergleichbares Beispiel hier in ganz Europa. Und genau im Rahmen dieser Gesetze beschweren sich die Menschen in Iran bei einer zuständigen Institution, und das ist der Wächterrat.
Labuhn: Warum wird dann von der Regierung in Teheran das Mobilfunknetz teilweise gestört oder lahmgelegt? Warum wird der Internet-Zugang behindert? Warum dürfen ausländische Korrespondenten im Moment nicht frei und ungehindert über die Ereignisse in Ihrem Land berichten?
Attar: In Bezug auf die ausländischen Berichterstatter muss ich Sie korrigieren. Ich kann Ihnen nur ein Beispiel nennen und ein paar Zahlen. Wir haben 30 deutschen Journalisten die Einreisegenehmigung erteilt und Visa, 50 amerikanischen und 40 britischen. Hätten wir das nicht gewollt, hätten wir ihnen auch kein Visum erteilt.
Wir haben es jetzt mit einer besonderen Situation in den Städten zu tun. Es gibt ja Vandalismus auf Straßen in Teheran, das haben wir beobachtet. Viele von ihnen werden von außen geleitet und wir haben, so weit ich weiß, den ausländischen Journalisten empfohlen, mit Begleitung eines Sicherheitspersonals zum Beispiel auf die Straßen zu gehen, weil man besonders in dieser Menschenmenge vorsichtig sein muss. Wenn es einige Einschränkungen gibt, dann bezieht sich das tatsächlich auf die Sicherheit, auf die persönliche Sicherheit dieser Berichterstatter, weil wir dafür zuständig sind.
Etwas Merkwürdiges ist auch passiert, so dass die Nutzer oder die Anhänger der verschiedenen Kandidaten die Internet-Seiten der Gegner blockieren durch irgendwelche Software-Programme. Dadurch können wir von hier sogar viele Internet-Seiten von verschiedenen Nachrichtenagenturen nicht erreichen. Auch die staatliche Nachrichtenagentur von Iran, also Irna, können wir sehr schlecht jetzt erreichen.
Labuhn: Könnte es sein, dass wir in einem halben Jahr einen ganz anderen Iran erleben?
Attar: Die Lage wird sich sicher bald normalisieren, weil alles, was bis jetzt geschehen ist, im Rahmen der Gesetze der Islamischen Republik Iran passiert ist, sowohl die Wahlen als auch die Proteste als auch der Prozess der Überprüfung der Wahlergebnisse, und diejenigen Menschen in Iran, die die Gesetze in Iran nicht respektieren, die Zahl dieser Menschen ist nicht so groß. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bekämpft diese kleinere Gruppe. Es ist so, dass das normale Leben im Gange ist in Iran. Die Menschen gehen zur Arbeit morgens oder ins Büro und am Nachmittag nehmen sie an einer Demonstration teil. Das heißt, es gibt also keinerlei Stopp der sozialen und gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Aktivitäten in Iran.
(Hinweis: Der Dolmetscher für das Interview mit Botschafter Ali Reza Sheikh Attar wurde von der iranischen Botschaft gestellt.)
Das Interview mit Ali Reza Sheikh Attar können Sie mindestens bis zum 18. November 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Ali Reza Sheikh Attar: Ich möchte Sie zunächst korrigieren. Bei diesen Demonstrationen gibt es zweierlei Gruppen. Es sind also zwei Gruppen, die demonstrieren. Die eine Gruppe sagt das, was Sie gerade erwähnt haben, und die andere Gruppe unterstützt Ahmadinedschad als den wahren Präsidenten der Islamischen Republik Iran und sie sagen, er ist der wahre Präsident, der gewählt worden ist.
Labuhn: Angesichts der Proteste, Herr Botschafter, hat der Wächterrat angeordnet, dass die Stimmen in einigen Bezirken neu ausgezählt werden. Heißt das nicht, dass auch der Wächterrat davon ausgeht, dass es möglicherweise Unregelmäßigkeiten gegeben haben könnte?
Attar: Der Wächterrat hat die Aufgabe, auf alle Beschwerden einzugehen, und es gibt verschiedene Vorgehensweisen und Schritte, sagen wir mal, im Rahmen des Gesetzes. Der Wächterrat kann die Ergebnisse erstens bestätigen, zweitens kann er manche Urnen nochmals zählen lassen, und drittens, wenn der Wächterrat feststellt, dass es im großen Umfang gefälscht worden ist, dann kann der Wächterrat beantragen, dass die Wahlen wiederholt werden. Es hängt also davon ab, wie gut die Beschwerden dokumentiert und argumentiert worden sind.
Labuhn: Wäre es vorstellbar, dass die Präsidentschaftswahlen wiederholt werden?
Attar: Das ist möglich, nur wenn der Wächterrat feststellt, dass im großen Umfang das Wahlergebnis gefälscht worden ist und die meisten Wahlurnen ein ernstes Problem haben, sagen wir mal so.
Labuhn: Viele fühlen sich erinnert an das Jahr 1979, als es monatelange Proteste gegen das Schah-Regime gab, die schließlich zur islamischen Revolution führten und zur Rückkehr von Ayatollah Khomeini. Erwarten Sie eigentlich jetzt als Resultat dieser gegenwärtigen Entwicklungen auch größere Veränderungen in Ihrem Land?
Attar: Was die islamische Revolution in Iran betrifft muss ich sagen, dass das Volk, dass das iranische Volk damals überhaupt die Legitimität des Schah-Regimes in Frage gestellt hat, weil dieses Regime durch einen Militärputsch mit Hilfe der Amerikaner und Briten 1953 an die Macht gekommen ist, und damals wurde die demokratisch gewählte Regierung von Mossadek gestürzt. Deswegen haben die Menschen damals vor der Revolution gesagt, der Schah muss gehen, weil er illegal ist. Aber heute demonstriert man innerhalb des Systems der Islamischen Republik Iran und deren Gesetze und auch innerhalb dieser Gesetze sind die Menschen an die Wahlurnen gegangen. Die Beteiligung in dieser Höhe, 85 Prozent, kann man in ganz Europa nicht sehen. Es gibt kein vergleichbares Beispiel hier in ganz Europa. Und genau im Rahmen dieser Gesetze beschweren sich die Menschen in Iran bei einer zuständigen Institution, und das ist der Wächterrat.
Labuhn: Warum wird dann von der Regierung in Teheran das Mobilfunknetz teilweise gestört oder lahmgelegt? Warum wird der Internet-Zugang behindert? Warum dürfen ausländische Korrespondenten im Moment nicht frei und ungehindert über die Ereignisse in Ihrem Land berichten?
Attar: In Bezug auf die ausländischen Berichterstatter muss ich Sie korrigieren. Ich kann Ihnen nur ein Beispiel nennen und ein paar Zahlen. Wir haben 30 deutschen Journalisten die Einreisegenehmigung erteilt und Visa, 50 amerikanischen und 40 britischen. Hätten wir das nicht gewollt, hätten wir ihnen auch kein Visum erteilt.
Wir haben es jetzt mit einer besonderen Situation in den Städten zu tun. Es gibt ja Vandalismus auf Straßen in Teheran, das haben wir beobachtet. Viele von ihnen werden von außen geleitet und wir haben, so weit ich weiß, den ausländischen Journalisten empfohlen, mit Begleitung eines Sicherheitspersonals zum Beispiel auf die Straßen zu gehen, weil man besonders in dieser Menschenmenge vorsichtig sein muss. Wenn es einige Einschränkungen gibt, dann bezieht sich das tatsächlich auf die Sicherheit, auf die persönliche Sicherheit dieser Berichterstatter, weil wir dafür zuständig sind.
Etwas Merkwürdiges ist auch passiert, so dass die Nutzer oder die Anhänger der verschiedenen Kandidaten die Internet-Seiten der Gegner blockieren durch irgendwelche Software-Programme. Dadurch können wir von hier sogar viele Internet-Seiten von verschiedenen Nachrichtenagenturen nicht erreichen. Auch die staatliche Nachrichtenagentur von Iran, also Irna, können wir sehr schlecht jetzt erreichen.
Labuhn: Könnte es sein, dass wir in einem halben Jahr einen ganz anderen Iran erleben?
Attar: Die Lage wird sich sicher bald normalisieren, weil alles, was bis jetzt geschehen ist, im Rahmen der Gesetze der Islamischen Republik Iran passiert ist, sowohl die Wahlen als auch die Proteste als auch der Prozess der Überprüfung der Wahlergebnisse, und diejenigen Menschen in Iran, die die Gesetze in Iran nicht respektieren, die Zahl dieser Menschen ist nicht so groß. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bekämpft diese kleinere Gruppe. Es ist so, dass das normale Leben im Gange ist in Iran. Die Menschen gehen zur Arbeit morgens oder ins Büro und am Nachmittag nehmen sie an einer Demonstration teil. Das heißt, es gibt also keinerlei Stopp der sozialen und gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Aktivitäten in Iran.
(Hinweis: Der Dolmetscher für das Interview mit Botschafter Ali Reza Sheikh Attar wurde von der iranischen Botschaft gestellt.)
Das Interview mit Ali Reza Sheikh Attar können Sie mindestens bis zum 18. November 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.