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In seinem Kunstraum Esponja bietet der Künstler und Kurator Yusuf Etiman eine Nische für die schwul-lesbische Szene im brasilianischen Sao Paulo. Nach dem Machtantritt des Präsidenten Jair Bolsonaro sitzt der Schock gerade dort tief.
Er beschimpft Frauen, Schwarze und Schwule. Künstler nennt er "Schmarotzer" des Systems. Das Kulturministerium möchte er abschaffen. Der rechtsextreme Ex-Militär Jair Bolsonaro ist neuer Staatspräsident Brasiliens. Was das für Künstlerinnen und Künstler bedeutet, erzählt der Kurator Yusuf Etiman. Er ist in der Türkei geboren, lebt seit vielen Jahren in Berlin - hat hier den underground-club "Basso" betrieben und wirkt im Nachtclub Berghain als Kreativdirektor. Vor einigen Jahren hat er seine Fühler auch nach Brasilien ausgestreckt und lebt inzwischen zur Hälfte in Sao Paulo, wo er den Kunstraum Esponja gegründet hat.
Für ihn und seine Freude sei die Machtübernahme von Bolsonaro ein großer Schock, sagte Etiman im Deutschlandfunk Kultur. Niemand habe glauben wollen, dass es soweit kommen könne, dass Bolsonaro gewählt wird. "Er ist ganz explizit gegen Forschung, Wissen, noch mehr gegen Kunst und LGBT." Lesben, Schwule und Transsexuelle seien für den Präsidenten neben der Kunst die Hauptfeinde. "Das ist natürlich gerade für mich, meine Arbeit, meinen Freundeskreis und auch für mein persönliches Leben von großer, negativer Bedeutung", sagte der homosexuelle Künstler. Im Wahlkampf habe sich Bolsonaro etwas milder gebärdet, sodass auch schwule Brasilianer ihm ihre Stimme gegeben hätten, um gegen die Arbeiterpartei zu stimmen. Sie hätten darauf gehofft, dass er sich als Präsident gemäßigter verhalten werde.
Mit Blick auf die weitere politische Zukunft Brasiliens sagte Etiman, dass er keine Rückkehr zur Militärdiktatur von 1964 erwarte. "Wir haben eine ganz andere Zeit, wir haben ganz andere Kommunikationsmittel", sagte er. Sie hätten allerdings schlimme Folgen im Wahlkampf gezeigt, beispielsweise durch "Fake News". Aber man könne sich heute dank des Internets viel besser vernetzen.
Bolsonaro habe offenbar auch im Ausland mit seiner liberalen Wirtschaftspolitik Freunde gewinnen können, kritisierte Etiman. Er nannte die FDP-nahe "Stiftung für die Freiheit" sowie die Deutsche Bank, die über ihn als angeblichen "Kandidat der Märkte" getwittert habe.
Sein Kunstraum Esponja bedeutet in deutscher Übersetzung Schwamm, was eine gute Metapher für einen Raum sei, der Inhaltsstoffe der Umgebung aufnehme, sagte Etiman. Dort entwickelten sich Veranstaltungen und Initiativen. Unter jetzigen Umständen sei das auch hilfreich, weil dieses Dachgeschoß mehr Sicherheit biete als eine Galerie auf der Straße. "Gerade die schwul-lesbisch-transsexuelle Subkultur und Kunst sind im Visier des neuen Regimes." Es werde aber vermutlich zunächst das Kultusministerium abschaffen und Geld streichen.
Weggehen werde er deshalb nicht, sagte der Künstler. Es sei wichtig da zu bleiben und einen Raum anzubieten, wo man unter sich sei. (gem)
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