Die Kunst lebt

Von Ulrike Gondorf |
Modenschauen, Edelboutiquen, Luxuskaufhäuser in Japan und den USA haben die kargen floralen Installationen von Makoto Azuma längst entdeckt. Das NRW-Forum in Düsseldorf hat den 32-jährigen Japaner jetzt zu seiner ersten Museumsausstellung eingeladen. "Botanical Sculpture" zeigt ausschließlich lebende Objekten: Blumen, Bonsai-Bäumchen, Gräser, Blätter und Zweige. Wegen der Vergänglichkeit der Ausstellungsstücke ist die Schau im Düsseldorfer Museumsgelände Ehrenhof nur bis zum 3. August zu sehen.
Makoto Azuma bei den letzten Vorbereitungen seiner Ausstellung: ein durchsichtiger Würfel aus Plexiglas wird mit Wasser gefüllt. Gleich wird der Künstler mit fast unsichtbaren, raffiniert verspannten Fäden eine zierliche kleine Pinie darin zum Schweben bringen. Der Künstler? Sein Übersetzer vermittelt erst einmal, wie Azuma selbst seine Arbeit sieht.

" Das sind die Objekte, von denen er am meisten überzeugt war, und er arbeitet immer mit Pflanzen, aber er ist eigentlich kein Künstler, sondern Florist. "
Aus Lilienstängeln mit schweren Blütenkelchen und großblättrigen Anturien, aus Orchideen und Hortensien filigran gefiederten Chrysanthemen und kaum erblühten Amaryllis, aus den Blättern exotischer Bäume und Sträucher besteht ein mehr als zehn Meter langes, reliefartiges Wandbild - ausschließlich in weiß und grün gehalten -, das den Besucher im NRW-Forum schon im Treppenhaus empfängt. Die dekorative Wandgestaltung ist sozusagen die Visitenkarte des Floristen Azuma, der eine erfolgreiche Karriere gemacht in den letzten zehn Jahren. Sein Laden in Ginza, der teuersten Einkaufsmeile Tokios, ist eine angesagte Adresse. Dabei gibt es dort nicht eine einzige Blume zu kaufen.

" Er macht das mit Absicht ohne Blumen, er bekommt Aufträge, die Kunden kommen, und besprechen, was für Blumen, dann geht er selber auf den Markt einkaufen und dann fängt er an, seine künstlichen Sachen selber zu machen. "

Modehäuser wie Hermès und Miyake zählen zu diesen Kunden, in einer Galerie in New York und mit einer riesigen Schaufenster-Installation in Paris hat Azuma bereits Furore gemacht. Angefangen hat das alles für den studierten Musiker eher zufällig, auf der Suche nach einem Nebenjob.

" Er hat angefangen mit 21, das war ein Zufall, hat er eine Anzeige gesehen von einem Blumenladen, hat sich beworben, dann hat er angefangen zu arbeiten, und ab dem Zeitpunkt interessiert er sich für Blumen. Er hat in einer Band gespielt, das macht er auch immer noch, aber seitdem macht er mehr für Blumen als für die Musik. "
Blumenkunst, Ikebana, hat in Japan eine große Tradition. Sie hat viel mehr mit Meditation und religiöser Versenkung zu tun als mit dekorativem Arrangieren. Die Sprache der Blumen, bei uns zum platten Werbeslogan verkommen, hat im fernöstlichen Denken eine symbolische, philosophische Dimension. Naheliegend, dass Azuma sich hier einreiht mit seinen botanischen Skulpturen, aber zu einer Interpretation seiner Arbeit lässt sich der junge Mann, der einen kleinen Baum als Anstecker auf dem T-Shirt trägt, nicht verlocken.

" Er ist natürlich Japaner, er weiß auch, worum es geht, Religion oder Geist oder Meditation, aber das, was er macht, ist seine Sache, er möchte nicht unbedingt sagen, dass das ein japanischer Garten ist, --- also das, was er macht, ist seine eigene Art. "

Vielleicht wird "der andere Herr Azuma" auf seine Art gesprächiger sein. Der "andere Herr Azuma", so erzählt der Pflanzenkünstler, das ist der Leafman, eine Schaufensterpuppe, deren Körper von den Knien aufwärts in einer riesigen Blätterkrone verschwindet. Ein Doppelgänger-Bild sei das für ihn, von dem er oft geträumt habe. Gleich zweimal ist es in der Ausstellung vertreten. Eine eindrucksvolle Visualisierung des alten Märchen- und Mythenmotivs von der Verwandlung eines Menschen in einen Baum. Und ohne Zweifel eine Arbeit, die an Bedeutungsschichten rührt, die mit der Kunstfertigkeit eines Floristen nichts mehr zu tun haben. Das steht auch für Werner Lippert vom NRW-Forum außer Frage.

" Das ist eine großartige Verbindung zwischen der philosophischen japanischen Blumen- und Pflanzenkunst und dem Minimalismus des Westen, - und ich glaub, dass es hier darum geht, konzeptionelle Blumengebinde zu erfinden oder zu installieren, die nichts mit dem zu tun haben, was man sich zu Hause auf den Wohnzimmertisch stellen könnte, oder was man als Deko nimmt, extrem sperrige Gebilde, und das find ich sehr faszinierend, dass hier der Brückenschlag zwischen Asien und dem Westen gelingt. "

Nachdenklich vertiefen kann man sich in die Bonsai-Skulpturen Azumas, die das Vegetativ-Kreatürliche der Miniaturbäume in starken Kontrast setzen zu den geometrisch-strengen Formen, in die sie im wahrsten Sinne des Wortes eingebunden werden mit einem Netz von Fäden. Neben dem Aquarium mit dem schwimmenden Baum ist das von der Decke hängende Metallskelett eines Würfels zu sehen, das eine Bonsai-Pinie trägt. Die scharfe Ausleuchtung sorgt für eine perspektivisch verzerrte zweidimensionale Wiederholung im Schattenbild auf der Wand. Sie wirkt wie die Konstruktionszeichnung einer surrealen Maschine. Technik und Natur, Leben und Sterben, Zeit und Vergänglichkeit, Schönheit und ihre Gefährdung markieren die spannenden Pole, zwischen denen Azuma seine Skulpturen positioniert.

" Es gibt diesen Eisblock und in diesem Eisblock ist ein Bonsaibaum eingefroren. Der liegt für mich sozusagen im Koma, ich weiß nicht, ob man ihn tatsächlich wieder lebendig machen kann, aber theoretisch wäre es möglich, und das ist der Höhepunkt der Ausstellung, dass man den Moment absoluter Perfektion in der Natur einfriert, so dass er für die Besucher, für die Nachwelt erhalten bleibt. "

Dass dieser Augenblick sich eigentlich immer entzieht, macht die Ausstellung so spannend für den Besucher. Und so herausfordernd für das NRW-Forum. Lippert:

" Wir hatten noch nie eine Ausstellung, die komplett aus lebenden Pflanzen besteht und das große Problem ist die Logistik, die Blumen müssen gepflegt werden, sie müssen mindestens einmal die Woche ausgetauscht werden, wir müssen das Wasser kontrollieren, in den Becken austauchen, wir müssen die Temperatur niedrig halten, also was Karl Valentin gesagt hat: Kunst macht Arbeit, das bewahrheitet sich bei uns. "

Info
Azuma Makoto
Botanical Sculpture
NRW-Forum Düsseldorf
5.7.-3.8.2008