Die Krankheiten eines Komponisten
Wenn die Verlags-Annotation vorsichtshalber vermeldet, das Buch sei ohne musikwissenschaftliche Ambitionen geschrieben, so ist das die reine Wahrheit. Ein Schumann ohne Musik also?
Nicht ganz - nur erscheinen die Werke hier nicht als ästhetische Ausdrucksform, sondern als integrierter Teil einer Krankengeschichte, in der das kompositorische Schaffen sowohl aktives Korrektiv wie auch Sublimierung der Zerrissenheiten einer manisch-depressiv geprägten Psyche ist, die später noch zusätzlich von den Spätfolgen einer Syphilisinfektion in Mitleidenschaft gezogen wird.
Dieser Ansatz verwundert kaum - der Autor Theo R. Payk lehrt als Professor für Psychiatrie und Psychologie in Bochum. Wesentlich zugute kommt ihm bei seinem Herangehen die erst seit einem reichlichen Jahrzehnt wiederentdeckte Krankenakte aus dem Nachlass jenes Dr. Richarz, der den Künstler in der Endphase seiner Krankheit in der Nervenheilanstalt Bonn-Endenich behandelte.
Die erst durch diese Aufzeichnungen zweifelsfrei festgestellte Syphilisinfektion, die Schumann mit vielen anderen Künstlerkollegen seines Jahrhunderts teilte, gibt der Labilität seiner Befindlichkeiten und der extremen Auffälligkeit mancher seiner Verhaltensweisen ein solides diagnostisches Fundament und entzieht damit vielen früheren, eher metaphysischen Erklärungsversuchen für den rapiden Verfall des Künstlers den Boden.
Payk zitiert daraus gegen Ende des Buches in einer Ausführlichkeit, der eine gewisse Straffung nicht geschadet hätte. Generell aber sind die farbigen und aus vielen Quellen geschöpften Originalzitate eine Stärke des Buches; auch wenn sie schon in anderen biographischen Betrachtungen Schumanns zu finden waren, formieren sie hier, unter dem Aspekt von dessen Krankheitsgeschichte, einen neuen Zusammenhang. Sehr positiv auch die knappen, aber aussagekräftigen Einblicke ins Lebensumfeld des Komponisten, zum Beispiel zu dessen finanzieller Situation oder zu den Lebensläufen von Freunden und Verwandten.
Allerdings gibt es in dem - überdies auch etwas nachlässig lektorierten - Buch dramaturgische Schwächen, die sich in chronologischen Sprüngen ebenso zeigen wie in der gelegentlichen unvorbereiteten Einführung von Personen und Fakten, die erst an späterer Stelle erläutert werden. Andererseits werden Sachverhalte oder Zitate manchmal doppelt angeführt, ohne dass sich dabei in jedem Falle wirklich neue Aspekte erschließen würden. Gehäuft tritt das zwischen den Kapiteln 2 und 3 auf, die Schumanns Lebenslauf zuerst unter eher bürgerlich-biographischen, dann unter schaffensbezogen Aspekten nachgehen, ohne letztlich beide Ebenen wirklich ganz konsequent zu trennen.
Dabei bleiben auch manche Widersprüche im Detail unaufgelöst, zum Beispiel hinsichtlich seiner Verhältnisse zu Gade oder Mendelssohn und letztlich auch in einer solchen biographischen Kardinalfrage wie den internen Zuständen zwischen Clara und Robert Schumann, wo sich Gefühlsintensität und kleinkrämerische Pedanterie, Großzügigkeit und Rücksichtslosigkeit in merkwürdigster Weise verknüpfen.
So kann Payks Buch, vor allem hinsichtlich des ausgewerteten Quellenmaterials und des medizinischen Verlaufes der Schumannschen Krankheit, eine gute Ergänzung zu schon vorliegenden Materialien geben; sie schließen sich allerdings nicht zu neuen Sichten auf dessen musikalisches Erbe zusammen - kein Buch für Einsteiger in Sachen Robert Schumann, sondern eines, das man neben schon vorhandene stellen kann.
Theo R. Payk: Robert Schumann. Lebenslust und Leidenszeit
Bouvier Verlag, Bonn 2006; 269 Seiten
Dieser Ansatz verwundert kaum - der Autor Theo R. Payk lehrt als Professor für Psychiatrie und Psychologie in Bochum. Wesentlich zugute kommt ihm bei seinem Herangehen die erst seit einem reichlichen Jahrzehnt wiederentdeckte Krankenakte aus dem Nachlass jenes Dr. Richarz, der den Künstler in der Endphase seiner Krankheit in der Nervenheilanstalt Bonn-Endenich behandelte.
Die erst durch diese Aufzeichnungen zweifelsfrei festgestellte Syphilisinfektion, die Schumann mit vielen anderen Künstlerkollegen seines Jahrhunderts teilte, gibt der Labilität seiner Befindlichkeiten und der extremen Auffälligkeit mancher seiner Verhaltensweisen ein solides diagnostisches Fundament und entzieht damit vielen früheren, eher metaphysischen Erklärungsversuchen für den rapiden Verfall des Künstlers den Boden.
Payk zitiert daraus gegen Ende des Buches in einer Ausführlichkeit, der eine gewisse Straffung nicht geschadet hätte. Generell aber sind die farbigen und aus vielen Quellen geschöpften Originalzitate eine Stärke des Buches; auch wenn sie schon in anderen biographischen Betrachtungen Schumanns zu finden waren, formieren sie hier, unter dem Aspekt von dessen Krankheitsgeschichte, einen neuen Zusammenhang. Sehr positiv auch die knappen, aber aussagekräftigen Einblicke ins Lebensumfeld des Komponisten, zum Beispiel zu dessen finanzieller Situation oder zu den Lebensläufen von Freunden und Verwandten.
Allerdings gibt es in dem - überdies auch etwas nachlässig lektorierten - Buch dramaturgische Schwächen, die sich in chronologischen Sprüngen ebenso zeigen wie in der gelegentlichen unvorbereiteten Einführung von Personen und Fakten, die erst an späterer Stelle erläutert werden. Andererseits werden Sachverhalte oder Zitate manchmal doppelt angeführt, ohne dass sich dabei in jedem Falle wirklich neue Aspekte erschließen würden. Gehäuft tritt das zwischen den Kapiteln 2 und 3 auf, die Schumanns Lebenslauf zuerst unter eher bürgerlich-biographischen, dann unter schaffensbezogen Aspekten nachgehen, ohne letztlich beide Ebenen wirklich ganz konsequent zu trennen.
Dabei bleiben auch manche Widersprüche im Detail unaufgelöst, zum Beispiel hinsichtlich seiner Verhältnisse zu Gade oder Mendelssohn und letztlich auch in einer solchen biographischen Kardinalfrage wie den internen Zuständen zwischen Clara und Robert Schumann, wo sich Gefühlsintensität und kleinkrämerische Pedanterie, Großzügigkeit und Rücksichtslosigkeit in merkwürdigster Weise verknüpfen.
So kann Payks Buch, vor allem hinsichtlich des ausgewerteten Quellenmaterials und des medizinischen Verlaufes der Schumannschen Krankheit, eine gute Ergänzung zu schon vorliegenden Materialien geben; sie schließen sich allerdings nicht zu neuen Sichten auf dessen musikalisches Erbe zusammen - kein Buch für Einsteiger in Sachen Robert Schumann, sondern eines, das man neben schon vorhandene stellen kann.
Theo R. Payk: Robert Schumann. Lebenslust und Leidenszeit
Bouvier Verlag, Bonn 2006; 269 Seiten