Die Kraft der Liebe
Hanna Krall ist die Reporterin des Schicksals. Nüchtern, präzise und unverwechselbar verwandelt die geehrte und verehrte polnische Autorin Lebensgeschichten von Überlebenden in Literatur. "Herzkönig" beginnt Anfang des Krieges mit einer Lovestory.
Maria Pawlicka lernt einen schönen blonden Mann kennen und heiratet ihn. Als Maria erfährt, dass ihr Mann wie ein Stück Vieh in einen Wagon gestoßen und wie all die anderen von der Warschauer "Rampe" abtransportiert worden ist, gibt es für sie nur das eine Ziel, ihren Mann zu suchen und zu finden. Als sie gefragt wird, "wer soll das tun?", sagt Maria unerschrocken: "Ich":
Hanna Krall erzählt in "Herzkönig" die Geschichte einer todesmutigen Suche. Die furchtlose Maria betet nicht, weil der Gott, der es nicht gut mit ihr meint, nicht ihr Gott ist. Sie färbt sich die Haare blond und legt Stroh auf den Haaransatz, damit man sie nicht als Jüdin erkennt. Die Geschichte von Maria Pawlicka wird mal beschleunigt, mal langsam erzählt, weil Hanna Krall von der Energie der Liebe erzählen möchte und das auch tut.
Weil sie zeigen will, dass Liebe fast die berühmten Berge versetzt, aber eben nur fast. Hanna Krall beschreibt die lebensgefährliche Suche in äußerster Verknappung, weil sie davon überzeugt ist, dass man weniger Sätze braucht, "je größer die Verzweiflung ist".
Hanna Krall verknüpft die Vergangenheit mit der Zukunft, die Zeit der KZs mit der Gegenwart, die Träume der inzwischen alten Maria von ihren Enkeln, mit den Alpträumen aus der Vergangenheit. Hanna Krall erzählt Marias Geschichte als Endlosfilm, den man anhalten, dessen Ton man abdrehen kann, der aber niemals ganz abzustellen ist.
Marias Geschichte, die Geschichte des Holocaust, der Ghettos und KZs liegt über dem Leben, dem Alltag, über der nach dem Krieg irgendwann wieder sich einstellenden sogenannten Normalität. Aber eine Normalität kann es nicht geben, nicht für die Menschen, die Dinge erlebt und gesehen haben wie Maria, auf deren Arm eine Auschwitz-Nummer tätowiert ist.
Als der Krieg vorbei ist und sie endlich ihren Mann gefunden hat, fragt sich Maria: "Warum freue ich mich kein bisschen?" Dabei haben sie und ihr Mann sich doch umarmt. Wahrscheinlich, so wird sie sich trösten, kann ich kein Glück empfinden, "weil ich Handschuhe anhabe"!
"Herzkönig" ist ein Lebensbericht von hunderttausend ähnlichen Lebensberichten, den aber nur Hanna Krall so gnadenlos nüchtern auf engstem Raum erzählen kann. Manchmal fasst sie in zwei drei Sätzen das Unglaubliche zusammen, ohne ein einziges Adjektiv. "Herzkönig" ist eine ergreifende (wahre) Erzählung vom Überleben. Schicksale vor dem Vergessen zu bewahren, ist Hanna Kralls Lebensaufgabe. Das tut sie, seit 1986 ihr erstes Buch "Die Untermieterin" erschien.
Rezensiert von Verena Auffermann
Hanna Krall. Herzkönig
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall.
Verlag Neue Kritik, Frankfurt. 2007, 172 Seiten. 19,50 Euro
Hanna Krall erzählt in "Herzkönig" die Geschichte einer todesmutigen Suche. Die furchtlose Maria betet nicht, weil der Gott, der es nicht gut mit ihr meint, nicht ihr Gott ist. Sie färbt sich die Haare blond und legt Stroh auf den Haaransatz, damit man sie nicht als Jüdin erkennt. Die Geschichte von Maria Pawlicka wird mal beschleunigt, mal langsam erzählt, weil Hanna Krall von der Energie der Liebe erzählen möchte und das auch tut.
Weil sie zeigen will, dass Liebe fast die berühmten Berge versetzt, aber eben nur fast. Hanna Krall beschreibt die lebensgefährliche Suche in äußerster Verknappung, weil sie davon überzeugt ist, dass man weniger Sätze braucht, "je größer die Verzweiflung ist".
Hanna Krall verknüpft die Vergangenheit mit der Zukunft, die Zeit der KZs mit der Gegenwart, die Träume der inzwischen alten Maria von ihren Enkeln, mit den Alpträumen aus der Vergangenheit. Hanna Krall erzählt Marias Geschichte als Endlosfilm, den man anhalten, dessen Ton man abdrehen kann, der aber niemals ganz abzustellen ist.
Marias Geschichte, die Geschichte des Holocaust, der Ghettos und KZs liegt über dem Leben, dem Alltag, über der nach dem Krieg irgendwann wieder sich einstellenden sogenannten Normalität. Aber eine Normalität kann es nicht geben, nicht für die Menschen, die Dinge erlebt und gesehen haben wie Maria, auf deren Arm eine Auschwitz-Nummer tätowiert ist.
Als der Krieg vorbei ist und sie endlich ihren Mann gefunden hat, fragt sich Maria: "Warum freue ich mich kein bisschen?" Dabei haben sie und ihr Mann sich doch umarmt. Wahrscheinlich, so wird sie sich trösten, kann ich kein Glück empfinden, "weil ich Handschuhe anhabe"!
"Herzkönig" ist ein Lebensbericht von hunderttausend ähnlichen Lebensberichten, den aber nur Hanna Krall so gnadenlos nüchtern auf engstem Raum erzählen kann. Manchmal fasst sie in zwei drei Sätzen das Unglaubliche zusammen, ohne ein einziges Adjektiv. "Herzkönig" ist eine ergreifende (wahre) Erzählung vom Überleben. Schicksale vor dem Vergessen zu bewahren, ist Hanna Kralls Lebensaufgabe. Das tut sie, seit 1986 ihr erstes Buch "Die Untermieterin" erschien.
Rezensiert von Verena Auffermann
Hanna Krall. Herzkönig
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall.
Verlag Neue Kritik, Frankfurt. 2007, 172 Seiten. 19,50 Euro