Die Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel

Vom Plastikmüll zur Kunst

Die Konzeptkünstlerin Swaantje Guentzel steht mit einer Plastiktüte im Wald.
Die Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel sammelt für ihre politischen Arbeiten jede Menge Müll © Jan Philip Scheibe
Von Andrea Richter · 15.06.2017
Die Künstlerin Swaantje Güntzel beschäftigt sich mit der Beziehung von Menschen und Natur. Dafür bringt sie Müll zurück an die Orte, an denen er produziert wird und erinnert spielerisch bis brutal an die Folgen der Umweltverschmutzung.
Ein altes Industriegebäude in einem Gewerbehof in Hamburg. Hier arbeitet die Künstlerin Swaantje Güntzel, eine große Frau, Mitte 40, braune Locken, Sommersprossen. Mit dem Fahrstuhl fahren wir in den fünften Stock.
"Wir sind hier in einem alten Bürogebäude, das für Kreative zur Verfügung gestellt wurde, also schon seit zwei Jahren und ich bewohne – also ich benutze ein Büro am Ende des Flurs, was jetzt mein Atelier ist."
Zwanzig Quadratmeter, große Fenster, viel Licht, fast ein wenig zu viel. Vor dem Fenster die Lagerhalle eines Supermarkts. Auf einem Tisch aufgereiht liegen etwa 100 Plastik-Ü-Eier, blaugelb, orange, darin kitschig-bunte Plastiktiere.
Das Billigspielzeug stammt aus einer Containerhavarie und wurde im Januar vor Langeoog angespült. Ein mannshoher Greifarmautomat steht an der Stirnwand, er ist leer. An der Wand gegenüber das Materialdepot und Archiv, braune Pappschachteln in einem wandbreiten Regal.
"In diesen Kartons sortiere und archiviere ich die Dinge, die ich selber finde oder die ich geschickt bekomme. Ich bekomme ja viel Material von Meeresbiologen von Hawaii, mit denen ich zusammenarbeite. Hier ist zum Beispiel ein Karton, das ist tragischerweise der größte, einen Karton gefüllt nur mit Einwegfeuerzeugen."

Ihr Thema ist die Umweltverschmutzung

Das Hauptthema der Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel ist Umweltverschmutzung, besonders die der Meere und die damit einhergehende Vernichtung der Lebensräume von Tieren, Pflanzen und schlussendlich die des Menschen.
"Das hier ist zum Beispiel eine Arbeit, die ich aus dem Müll gemacht hab’, den mir die Meeresbiologen aus Hawaii geschickt haben, einen Kinderspielzeugkreisel, den ich aufgeschnitten hab’ und in den ich 340 Gramm Plastikmüll gefüllt hab diese 340 Gramm stammen alles aus dem Magen eines kleinen Albatrosskükens, mehrere Einwegfeuerzeuge, Flaschendeckel, kleine Kugeln, Plastikbruchstücke und dieser kleine Vogel hat von seinen Eltern genau diese Menge Plastik verfüttert bekommen. Denn das Tragische bei den Albatrossen ist auch, dass die Elterntiere das nicht nur selber fressen, weil sie es irrtümlich für Futter halten, sondern es auch an ihre Nachkommen verfüttern."
Ein Strandspaziergang an der Elbe, auch hier Plastikmüll, leere Flaschen, Verpackungsreste, Plastikschnüre.
"Die Vögel sind ja fast das Ende einer Entwicklung, die man schon fast apokalyptisch nennen kann. Wenn man sich überlegt, wie viel Plastikmüll inzwischen im Meer ist, und zwar überall: in der Tiefsee, er wird gefressen von Walen, von Fischen. Wo soll das noch hinführen? Wir sind ja eigentlich an einem Punkt, wenn mir jemand vor zwanzig, dreißig Jahren gesagt hätte, so sieht die Welt in zwanzig, dreißig Jahren aus, das hätte doch jeder für einen Horrorfilm gehalten."

Ein Greifarmautomat voller Müll

Der Greifarmautomat, der von der Künstlerin geleert wurde, wartet nun darauf, mit Plastikflaschen, angeschwemmt in einem Naturschutzgebiet an der Elbe, aufgefüllt und schließlich in der Millerntor Gallery auf St. Pauli ausgestellt und dort benutzt werden. So gelangt der Müll dorthin zurück, wo täglich so viel davon achtlos weggeworfen wird.
Swaantje Güntzels künstlerische Objekte und Interventionen sind auf eine seltsame Weise verstörend und anziehend zugleich. Sie verfügen über einen ästhetischen Reiz, der uns im ersten Moment unterhaltsam scheint, bei genauerem Hinsehen jedoch die grausamen Konsequenzen unseres gedankenlosen Tuns eiskalt spiegelt.
Diese Kunst ist politisch. Sie kritisiert unser Konsumverhalten und zwingt uns förmlich, unsere Komfortzone zu verlassen. Das ist unbequem, aber verdammt wirkungsvoll. Auch so kann Kunst sein.

Bildergalerie mit weiteren Arbeiten: www.swaantje-guentzel.de

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