"Die konnten ihre Masken noch nicht aufsetzen"

Moderation: Barbara Wahlster |
Der Autor Moritz Rinke hat sich überrascht über das Auftreten von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der so genannten Elefantenrunde am Wahltag gezeigt. "Ich dachte zuerst, er hätte ein paar Pillen genommen", sagte Rinke im Deutschlandradio Kultur.
Fazit: Müssten Sie über den Wahlsonntag und die Reaktionen schreiben: Worauf würden Sie sich konzentrieren?

Moritz Rinke: Ich würde mal sagen, es ist kein typisches Thema für mich, weil es zu sehr schon beleuchtet und an allen Ecken und Enden abgegrast und abgeleuchtet ist. Wenn ich über etwas schreiben würde, dann würde ich über die Elefantenrunde schreiben. Ich glaube, das war einer der spannendsten Momente der Wahl. Und zwar deshalb, weil das eigentlich eine Stunde war, in der die Programmatik sozusagen auf den Gesichtern der Politiker noch nicht justiert war. Die waren sozusagen ohne Justierung. Die konnten ihre Masken noch nicht aufsetzen.

Und es war sozusagen so eine Mischung zwischen, es gibt so einen schönen Titel von Peter Handke, der ist mir sofort eingefallen, "Die Stunde, in der wir nichts voneinander wussten" - sozusagen wer geht mit wem. Und wenn man das beobachtet hat: Die Blicke von Schröder zu Westerwelle. Na, kippt er? Kippt die FDP ein viertes Mal? Die Blicke von Schröder zu Fischer: Na, er wird ja wohl nicht. Das war unglaublich, fand ich. Diese offenen Stellen, diese Blöße vor den Neujustierungen, sag' ich mal.

Fazit: In der "Berliner Zeitung" stand ja heute gerade zu den Blicken und dem Gesicht von Bundeskanzler Gerhard Schröder: ernsthaft verrückt oder verrückt vor Freude. Also, es war dann doch ein sehr beklemmendes Moment. Fanden Sie nicht?

Rinke: Ja, so habe ich ihn auch noch nicht erlebt. Es war so: Ich dachte zuerst, er hätte ein paar Pillen genommen, so ein bisschen wie auf Extasy. Ich glaube, dieser irre Druck, der sich sozusagen dann entlädt bei Politikern, die dann noch eine halbe Stunde vorher sich euphorisch von der Partei haben feiern lassen und dann plötzlich wieder so moderat im Studio erscheinen müssen. (…)

Das vollständige Gespräch mit Moritz Rinke können Sie als Audio in der rechten Spalte hören.