Die kneippsche Lebens- und Heilweise

"Mit Wasser und Bewegung fit"

Eine Frau geht am 23.03.2016 im Arkona Spa im Neptun Hotel Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) in einem Meerwasser-Kneippgang. Der Kneippgang ist Teil der Angebote für die Thalasso-Therapie, einer Therapie am Meer und mit Meerwasser.
Eine Frau geht am 23.03.2016 im Arkona Spa im Neptun Hotel Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) in einem Meerwasser-Kneippgang © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Von Sabine Gerlach · 01.07.2018
Nackte Füße, hochgekrempelte Hosen, kalte Güsse, Wassertreten - so stellen sich die meisten Kneippen vor. Dass sich dahinter ein ganzheitlicher Lebensentwurf mit Nähe zu asiatischen Lebensweisheiten verbirgt, wissen nur wenige.
Mittwochvormittag im Haus des Berliner Kneipp-Vereins. Im ersten Stock ein kleiner Sportraum mit Holzfußboden. Die Fenster weit geöffnet. Sieben Frauen und ein Mann bearbeiten mit ihren Füßen einen kleinen Massageball. Kneipp-Gesundheitstrainerin Christiane Groß im traditionellen schwarzen Tai-Chi-Anzug erklärt genau, was zu tun ist. Aber auch, was die Übungen bewirken:
"Und jetzt haben wir soweit sozusagen unsere Plantarfaszien, also Fascia und Fuß aufgeweckt."

Meditation in Bewegung

Nach dem Aufwecken der Füße beginnt das Tai-Chi-Training. Tai Chi wird auch als Schattenboxen bezeichnet oder als Meditation in Bewegung. Ziel der Übungen ist es, Muskelverspannungen zu lösen und die Gelenke beweglicher zu machen. Aber auch die mentale Entspannung zu fördern. Geschult werden Koordination, Körperhaltung und - Körperwahrnehmung:
"Stellen Sie sich vor, dass Sie an einem goldenen Faden am Himmel aufgehängt sind, so dass Ihre Wirbelsäule so ganz entspannt hängen kann und Ihr Kopf wie ein Heliumballon schwebt."
Christiane Groß achtet darauf, dass die Bewegungen langsam, fließend und mit Bedacht ausgeführt werden. Körper und Seele sollen in Einklang gebracht werden, damit das Chi, die Lebensenergie, fließen kann. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Atmung:
"Tief ein- und ausatmen, indem Sie die Schultern sanft nach hinten sinken lassen. Und jetzt noch mal mit einem großen Seufzer ausatmen."

Berührungspunkte von Kneipp und Tai Chi

Christiane Groß war knapp 20, als sie die fernöstlichen Bewegungs- und Lebenskünste für sich entdeckte. Inzwischen unterrichtet sie Tai Chi und Qi Gong seit rund 30 Jahren. Gleichzeitig gibt sie ihr Kneipp-Wissen weiter:
"Die Bewegung, das Wasser, die Kräuter, die Ernährung und die Ordnungstherapie - heute würde man sagen: Entspannung. Das sind die Elemente dieser ganzheitlichen Lehre von Kneipp, die natürlich 'ne Erfahrungslehre war. Der Unterschied zum Kneipp bei Tai Chi und Qi Gong ist eben, dass das eine Volkskunst ist. Ich persönlich komme jetzt mit meinem westlichen Hintergrund, mit meiner Erziehung als Kneipp-Kind und Kneipp-Erwachsene eben dazu, festzustellen, dass der gleiche Ansatz da ist. Und ich sehe und spüre ja auch in meinem Körper die Verbindung, dass sich das ergänzt und damit beides noch besser wirkt."
Das Gesundheitstraining, das Christiane Groß anbietet, kombiniert beides: traditionelle fernöstliche Bewegungsübungen und kneippsche Wasseranwendungen.

Heitere Atmosphäre beim Wasserguss

Im Garten auf der Rückseite des Kneipp-Hauses laufen die Kursteilnehmerinnen zunächst über den Rasen. Danach über den Barfußpfad. Eine kurze, in hölzerne Quadrate unterteilte Gehstrecke mit einem Geländer zum Festhalten. Gelaufen wird über runde Baumscheiben, über große und kleine Kieselsteine. Über Rindenmulsch und über feinen Sand. Zum Schluss werden die Füße in einer Plastikwanne in kaltes Wasser getaucht:
Angeboten werden heute - alternativ - Armbad oder Knieguss, aber nur eins von beiden: "Weil, wenn wir jetzt von den Füßen den Guss machen, dann geben Sie dem Körper den Impuls von unten, das Armbad ist dazu da, das Herz zu kräftigen, sonst kommt der Körper durcheinander."
Für das Armbad steht eine Plastikwanne auf einem Gestell bereit. Die Wanne hat hohe Seitenränder: So lassen sich die vor dem Körper angewinkelten Arme bequem eintauchen. Wer kein Armbad macht, bekommt von Christiane Groß einen Knieguss mit dem Wasserschlauch.

Wer hier war, kommt wieder

Begonnen wird bei den Füßen. Die Atmosphäre ist heiter und entspannt. Man kennt sich. Rosa Meinick ist schon im dritten Jahr dabei:
"Also, weil ich einfach ganz viel von Kneipp halte und von dem Wasser und von dem Wassertreten und auch von den Güssen. Ich bin begeistert von den Kneippanwendungen und finde das so schön, dass hier beides verbunden wird. Die Bewegung vom Tai Chi, diese Bewegungen, die den ganzen Körper durchfluten und beweglicher machen und dann noch die Wasseranwendung. Das belebt mich und es ist einfach wunderschön."
Auch Hildegard Bosbach ist schon lange und aus Überzeugung in der Gruppe:
"Mit wenig Mitteln hocheffektiv. Kneipp, Herz-Kreislauf, Natur und das andere: Koordination und ja, Meditation. Spätestens jetzt, nach diesen Anwendungen, ist man erst mal für den ganzen Tag fit. Man steht anders, man bewegt sich anders."
Beendet wird die Stunde mit dem "Tyrannen", einer Tai-Chi-Übung, die barfuß auf der Wiese ausgeführt wird.

Prävention für Menschen im Alter

Tai Chi, Qi Gong, Pilates und Yoga gehören zu den Sport-Präventionskursen, die der Kneippverein Berlin anbietet. Zudem gibt es Wandergruppen. Und:
"Dann haben wir als Prävention die Wirbelsäulenkurse und ganz allgemein Nordic Walking beispielsweise. Wir haben Schwimmen, Schwimmkurse, Wassergymnastik, sehr wichtig. Wir haben die Gymnastik für ältere Menschen mit Musik und leichten Geräten, auch das könnte man als Prävention noch bezeichnen für Menschen im Alter. Und das machen wir hier schon seit Jahrzehnten."
Gudrun Beckmann, seit 1980 Vorsitzende des Berliner Kneipp-Vereins, hat sich intensiv mit der Lehre von Sebastian Kneipp beschäftigt. Kneipp, der 1897 starb, entwickelte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sein ganzheitliches Gesundheitskonzept. In jungen Jahren war Kneipp, der später Priester wurde und schon zu Lebzeiten als Wasser- und Kräuterdoktor Berühmtheit erlangte, ein schwerkranker Mann. Er litt an offener Tuberkulose:
Ein Porträt des Geistlichen Sebastian Kneipp
Ein Porträt des Geistlichen Sebastian Kneipp© imago stock&people
"Durch das große Glück, dass ihm ein von schlesischen Ärzten geschriebenes Buch über die Wirkung des Wassers innen und außen, des kalten Wassers, in die Hand fiel, machte er Eigenversuche. Dann ist er im November in Villingen in die eiskalte Donau gestiegen und hat als Student kurze Tauchbäder genommen. Nach einigen Monaten hat man festgestellt, dass die Tuberkulose ausheilte und dass es ihm wieder gut ging."

Heilsames Reiz-Reaktions-Prinzip

Auch, weil Kneipp nach seinen Bädern so schnell er konnte zum Kloster zurückgelaufen war, um wieder warm zu werden. Intuitiv hatte er genau das Richtige getan.
"Das ist eigentlich ein grundlegendes Prinzip, das nennt man Reiz-Reaktions-Prinzip oder neu-wissenschaftlich 'Hormesis'", sagt Professor Doktor Andreas Michalse. "Wann immer wir den Körper stimulieren und trainieren, tut es ihm im Prinzip gut, wenn wir ihn nicht überanstrengen. Das kennen wir vom Sport, da hat es jeder auch irgendwie erfahren. Und das gibt es eben auch mit Wärme und Kälte und nichts anderes ist die Kneipptherapie. Die stimuliert den Körper und das führt dann eben bei verschiedensten Erkrankungen zu der Vielzahl von guten Wirkungen."
Andreas Michalsen ist Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Berliner Immanuel-Krankenhaus. In seiner Klinik gehören alle fünf Säulen der kneippschen Lehre zum ganzheitlichen Gesundheits- und Behandlungskonzept:
"Wenn wir diese Reiz-Reaktions-Therapie oder dieses Prinzip anschauen, dann war Kneipp eben natürlich so klug, dass er nicht nur über Wasser nachgedacht hat und das angewandt hat. Er hat natürlich genauso die Bewegung immer im Vordergrund gesehen, hat das auch manchmal verbunden beim Tautreten oder eben bei erfrischenden Spaziergängen oder beim Wassertreten. Also Bewegung plus Wärme, Kälte und natürlich ist Bewegung und natürlich auch die Ernährung ein immanenter Bestandteil der traditionellen Kneipptherapie und damit eben auch der Naturheilverfahren."

Die Krankenkassen zahlen kaum

Bis in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts war die Lehre von Sebastian Kneipp ein anerkanntes Heilverfahren. In den meisten Krankenhäusern gab es Bäderabteilungen und auch in Arztpraxen wurden Behandlungen mit Wasser durchgeführt. Heute gehört die Hydrotherapie kaum noch zur medizinischen Versorgung, da die Krankenkassen die personal- und zeitintensiven Behandlungen entweder gar nicht oder nicht adäquat bezahlen. Und das, obwohl wissenschaftliche Studien deren Wirksamkeit belegen.
"Das ist eine Entwicklung, die ich ganz stark kritisiere. Es gibt kaum mehr eine Arztpraxis, in der sowas gemacht wird. Weil es sich nicht lohnt. Es gibt kaum mehr Krankenhäuser, die sowas machen. Man hat es im Prinzip aus der medizinischen Versorgung leider Gottes herausgeschmissen und das ist genau das Falsche."

Keine schädlichen Nebenwirkungen

Dabei kann Kneipp helfen, gesund zu bleiben oder Krankheitssymptome zu lindern. Sogar bei chronischen Leiden wie Arthrose, Rheuma oder Diabetes. Anders als viele Medikamente, die dauerhaft eingenommen werden, hat Kneipp keine schädlichen Nebenwirkungen. Folgerichtig gehören auch Rehabilitationskurse zu den Bewegungsangeboten des Berliner Kneipp-Vereins.
Wer Arthrose hat, Knie-, Hüftbeschwerden oder Rückenprobleme, ist im Reha-Sport-Kurs von Tim richtig. Auch heute ist es sonnig und sommerlich warm, also trifft man sich gleich im Garten. Nur der starke Wind und laute Verkehrsgeräusche stören die Idylle. Im Reha-Sportkurs wird zweimal gekneippt. Am Ende gibt es Kniegüsse und zu Beginn ein Armbad. Ein echter Wachmacher. Von den Kneippianern deshalb gerne auch als Espresso bezeichnet.
Nach dem Armbad beginnt die Reha-Gymnastik. Tim hat alle Teilnehmerinnen und deren individuellen Bedürfnisse im Blick, wiederholt geduldig, was zu tun ist und korrigiert - wenn nötig.

Mehr Prävention gefragt

Voraussetzung für die Teilnahme an einem Reha-Sportkurs ist eine Verordnung von Arzt oder Ärztin und das OK der Krankenkasse.
Gisela Kent hat die ersten 50 Bewegungs-Einheiten schon hinter sich:
"Ich habe Arthrose und Lendenwirbel- und Hüftprobleme, mir gefällt es sehr gut, ich habe die 50 ersten Einheiten hinter mir und die zweite Runde verschrieben gekriegt und freue mich, dass das so gekommen ist, denn mir gefällt das sehr gut. Der Trainer ist auch freundlich, lustig, spaßig, sodass es immer Freude macht, wieder mitzumachen. Er macht einem Mut, korrigiert einen und das gefällt mir auch. Mit dem Kneippen, ja das finde ich auch sehr gut, ich fühl mich ein bisschen erfrischt muss ich sagen."
Die Kneipp-Gesundheitstrainer, aber auch das Personal in Seniorenheimen oder Kindertagesstätten, die nach dem ganzheitlichen Gesundheitskonzept von Kneipp arbeiten und entsprechend zertifiziert sind, müssen eine spezielle Zusatzausbildung und regelmäßige Fortbildungen nachweisen. Ginge es nach Professor Doktor Andreas Michalsen, würde Kneipp flächendeckend angeboten:
"Wir haben ja ein gravierendes, hochdramatisches Problem. Dass wir mehr präventiv was tun sollten, liegt ja auf der Hand und insofern, glaube ich, reicht es nicht mehr aus, einzeln zu informieren oder zu motivieren, sondern es muss in die Struktur rein. Und das Beste wäre natürlich in die Schulen, in die Kindergärten, damit unsere Kinder von vornherein auch dafür ein Bewusstsein entwickeln und auch sehen, dass das Spaß macht und dass das nichts Doofes ist."

Auch den Kindern macht es Freude

Dass Kneippen schon Kindern Spaß macht, ist in der Kneipp-Kita im Berliner Bezirk Spandau mitzuerleben. Die Kneipp-Kita unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von anderen Kindertagesstätten. Vor der Kita befinden sich große Sandflächen, Spielgeräte zum Wippen, Schaukeln und Balancieren und eine Torwand. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt auf der rechten Seite einen Kräutergarten und auf der Linken eine Fass-Sauna. Alle Kinder gehen einmal pro Woche in die runde Schwitzhütte.
"Wir arbeiten hier nach dem Kneipp-Konzept", sagt Kita-Leiter Rico Lüttke. "Das heißt, dass unser Gesundheitskonzept auf dem Kneipp-Konzept basiert. Die Kinder haben viele Möglichkeiten sich hier frei zu bewegen. Und so ein Kita-Alltagist gar nicht so anders als in anderen Kitas, nur dass wir eben am Vormittag die Kneipp-Anwendungen noch mit drin haben."

Schon mit drei Jahren waschechte Kneippianer

Gekneippt wird jeden Tag. Im wöchentlichen Wechsel gibt es kalte Gesichtsgüsse, Armbäder, Kniegüsse oder Wassertreten. Ungewöhnlich ist deshalb auch die Ausstattung der Badezimmer. Dort befinden sich Wassertretbecken und flache Badewannen für die Allerkleinsten:
"Bei den ganz Kleinen, also U3-Bereich beginnen wir spielerisch, da kriegen die Kinder eben nicht gleich einen Schlauch ins Gesicht oder in die Hand, da stellen wir Schüsseln auf oder machen Duftbäder, damit die Kinder einfach mit Wasser in Berührung kommen. Die panschen, die spielen, es werden Farben rein gegeben, Duftzusätze, Kräuter, Spiele werden mit Wasser gemacht und dann sind die ab Drei eigentlich waschechte Kneippianer."
Die Vorschulkinder aus der Gruppe von Rita Meyer sind bereits waschechte Kneippianer. In dieser Woche ist der Knieguss an der Reihe. Die Kinder haben im Nebenraum schon Schuhe und Strümpfe ausgezogen und kommen barfuß ins Badezimmer.
Damit das Herz sich nicht erschreckt, wird mit den Kneipp-Güssen immer herzfern auf der rechten Körperseite begonnen. Mit dem Wasserstrahl, der durch das am Ende gekrümmte Giessrohr gebündelt wird, beginnt die fünfjährige Natalia an der Außenseite des rechten Fußes. Danach wird der Strahl bis hoch zum Knie geführt und dann über die Beininnenseite wieder zum Fuß zurück.
Nach dem Knieguss auf der Körpervorderseite, ist die Rückseite dran und die Prozedur beginnt von vorn. Von rechts nach links, von unten nach oben, von außen nach innen: So lautet das kneippsche Mantra. Nach dem Guss wird das Wasser von Beinen und Füßen nur mit den Händen abgestreift, Handtücher zum Abtrocknen gibt es nicht. Das Wasser soll auf der Haut verdunsten. Auch dadurch werden Stoffwechsel und Kreislauf angeregt. Damit die Füße wieder warm werden, hüpfen die Kinder:

Kneipp-Kinder werden seltener krank

Die Erzieherinnen und Erzieher, die in einer Kneipp-Kita arbeiten, sind speziell aus- bzw. fortgebildet. Und sie leben den Kindern das, was sie vermitteln, auch vor, betont Rita Meyer:
"Kinder merken schon, ob das authentisch ist, was man da mit ihnen macht, ob man das lebt oder ob das wirklich nur ein Angebot für den Tag ist. Und das ist auch wichtig, gerade für diese Arbeit, dass man wirklich selber davon überzeugt ist und dass man das dann auch leben kann und dass ist dann auch viel einfacher. Weil man einfach spürt, wie gut es einem tut und was es bei den Kindern bewirkt. Und dann ist das eigentlich so ein Selbstläufer. Dann ergeben sich viele Ideen, viele Möglichkeiten, die man auch in die Kita-Arbeit miteinbringen kann und man merkt dann, wie es Spaß macht und das ist dann eigentlich der Erfolg der Arbeit: dass die Kinder Spaß daran haben.
Natürlich ist es manchmal auch anstrengend. Gerade im Winter, wenn alle Kinder ihre Strumpfhose ausziehen müssen, um Wassertreten zu machen oder um Kniegüsse zu machen. Dann bedarf es natürlich auch einiger Überzeugungsarbeit und Unterstützung, dass man das dann jeden Tag auch wirklich durchsetzt und jeden Tag macht. Es ist natürlich auch mit viel Arbeit und Aufwand verbunden, aber der Erfolg zeigt uns, dass es richtig ist."
Kneipp-Kinder werden seltener krank und sind robuster:
"Ganz normale Erkältungskrankheiten sind doch stark zurückgegangen in den letzten Jahren. Vor allem der Verlauf ist sehr viel kürzer, also dass der Schnodder nicht so entzündet ist und gelblich und grün. Das dauert ein, zwei Tage und dann ist das auch erledigt."

Gesunder Lebenswandel

Ein geregelter Tagesablauf, der Wechsel von Aktivität und Entspannung, gesundes Essen, und der geübte Umgang mit Heilkräutern gehören für die Kinder zum Kita-Alltag. Und natürlich Bewegung. Kitaleiter Rico Lüttke:
"Uns ist wichtig, dass die Kinder ihrem eigenen Bewegungsbedürfnis nachkommen können, also, dass wir uns jetzt in eine Reihe stellen, dann machen alle eine Rolle oder sowas, sowas ist bei uns nicht so gern gesehen. Viele Gemeinschaftsspiele, wenig Konkurrenzspiele, das ist uns auch ganz wichtig, das ist eigentlich die Grundlage."
Die Kinder sollen lernen, sich und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, aber auch, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, ergänzt seine Kollegin Anne Eltermann:
"Wichtig ist für uns auch erstmal, dass wir jeden Tag rausgehen, egal wie das Wetter ist. Wir sind entweder hier im Garten oder wir gehen in die Umgebung, wir gehen auch mal auf andere Spielplätze, dass die Kinder auch wieder mal andere Bewegungsmöglichkeiten haben, auch so mal Bewegungsparcours, wo sie ihre Kräfte messen können: Was kann ich schon, was kann ich noch nicht so gut?"
Auch sinnliche Erfahrungen wie Tautreten oder im Winter eine Runde barfuß durch den Schnee laufen zählen zum Erlebnisschatz der Kinder: "Wir rennen nur eine Runde und dann gehen wir wieder rein."

Auch für Erwachsene ist es nie zu spät

Was Kinder spielerisch lernen, müssen Erwachsene mühsam einüben. Aber zu spät ist es nie. Zum Angebot der rund 600 Kneippvereine in Deutschland gehören Kurse und Vorträge über gesunde Ernährung, über die Wirkung und Anwendung von Heilkräutern und über die kneippschen Bäder, Wickel und Güsse. Im Mittelpunkt stehen aber die Sportkurse, die alle auch Nichtmitgliedern offen stehen.
Bernd Lümmen besucht regelmäßig einen der Reha-Sportkurse und zusätzlich jeden Mittwoch den Tai-Chi-Kurs von Christiane Groß. Bewegung plus Kneipp: Für ihn die ideale Kombination:
"Ja, das passt gut zusammen, also, ich hab zur Zeit überhaupt keine Beschwerden mehr. Das ist das Schöne, aber man will ja auch keine mehr bekommen und die Ergänzung ist ganz toll, ja. Eine sehr angesagte Sache, ich glaube, das ist auch ein bisschen ein Revival, Kneipp ist wieder im Kommen, glaube ich, und ich finde die Idee toll, dieses Ganzheitliche. Jetzt reden ja immer alle von chinesischer Medizin und ganzheitlichen Ansätzen, aber Kneipp macht das hier in Deutschland schon früher sehr lange gemacht. Klar, die chinesische Tradition ist viel älter und deswegen finde ich die Verbindung auch sehr naheliegend."

Nichts Dogmatisches

Die Abwehr- und Selbstheilungskräfte stärken und Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen, so lautet das kneippsche Credo. Kneipp habe aber nichts Rigides oder Dogmatisches, betont die Vorsitzende des Berliner Kneipp-Vereins, Gudrun Beckmann:
"Gesundheit muss Spaß machen. Ich möchte gerne die Menschen mit Kneipp infizieren, dass sie davon überzeugt sind. Aber wir dürfen auch nicht versuchen, die Menschen ganz umzudrehen und sie in eine Richtung zu pressen, die ihnen zuwider läuft. Das ist vollkommen unmöglich. Jeder Mensch muss individuell für sich herausfinden, auch was die kneippschen Anwendungen anbetrifft, was ihm gut tut!"
Christa Badepohl weiß, was ihr gut tut. Jeden Montag geht die 85jährige in eine Parkanlage im Süden Berlins. Im Britzer Garten macht sie Qi Gong und nutzt die öffentlich zugängliche Wassertretanlage:
"Das Besondere ist das Wasser hier, die Natur, die Bäume, dieses Ringsherum, das ist schon so viel Gutes für die Seele und für den Körper. Wasser ist irgendwie mein Lebenselement. Das Beste ist vor allem, was ich im Augenblick mache, Gesichtsguss, also wirklich mit dem kalten Wasser morgens und ich bin dann wach. Dreimal, so richtig schön mit Einatmen. Das ist so eine einfache Sache, die kann man eigentlich jeden Morgen machen, auch wenn man keine Zeit hat. Finde ich klasse, sehr gut."
Und auch ich habe herausgefunden, was mir gut tut: Nach der heißen Dusche am Morgen gönne ich mir einen kalten Ganzkörperguss.
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