Die Klavierkonzerte von Bohuslav Martinů

"Eine gespenstische Geschichte"

Ein Mann mit kurzen, aschblonden Haaren lächelt in die Kamera, während hinter ihm ein Garten mit orangefarbenen Blumen zu sehen ist.
Vielseitiger Interpret eines vielseitigen Komponisten: Robert Kolinsky ist Pianist, Autor, Filmemacher und Intendant der Martinů-Festtage in Basel © Robert Kolinsky / Robert Kolinsky
Gast: Robert Kolinsky, Pianist; Moderation: Elisabeth Hahn · 21.03.2021
Fünf Klavierkonzerte schrieb Beethoven, aber auch Bohuslav Martinů. Dazu weitere Werke für Klavier, manchmal mit, meistens ohne Orchester, zusammen mehr als zweihundert. Eine der Entdeckungen: das 4. Konzert mit dem geisterhaften Titel "Beschwörung".
Bohuslav Martinů war ein äußerst produktiver Komponist, von dem mehr als 400 Werke überliefert sind, darunter auch Großformatiges wie jeweils ein gutes Dutzend Opern und Ballette.

Hier geht es zur Playlist der Sendung.

Auch fünf offizielle Klavierkonzerte gehören zu seinem Œuvre, daneben weitere konzertante Werke wie ein linkshändig zu spielendes Divertimento, ein Concertino und eine "Sinfonietta Giocosa" für Klavier und Orchester. Obwohl die Musik von Bohuslav Martinů (1890-1959) in den letzten Jahren auch international geschätzt wird, hört man seine Klavierkonzerte jenseits der tschechischen Grenze nur selten.

Strenge Form, fantasievolle Sinnsuche

Das Klavierkonzert Nr. 1 (1926) ist Martinůs erstes Werk im Stil des Neoklassizismus. Strenge Form und Orientierung an der Musik des 18. Jahrhunderts bestimmen das Klavierkonzert Nr. 2 (1934) gleichermaßen, doch auch hier verbindet Martinů die Tradition mit seinem eigenen charakteristischen Stil. Das Klavierkonzert Nr. 3 (1947-1948) entstand in schwerer Zeit – nach dem Krieg, aber auch nach einem folgenreichen Unfall des Komponisten.

Wo liegt die Wahrheit?

Während seiner Arbeit am Klavierkonzert Nr. 4 (1955-1956) schrieb Martinů an seinen Biographen Miloš Šafránek: "Es wird wieder einmal so eine gespenstische Geschichte, alles nur Zauberei, ich hoffe es wenigstens". Diese Atmosphäre äußert sich schon im Untertitel "Incantation" ("Beschwörung"). Später bezeichnete Martinů das Klavierkonzert als "den Ausdruck eines rastlosen Suchens nach der Wahrheit und der Bedeutung des Lebens, und zugleich als eine Huldigung an die Musik, den Zufluchtsort, die Kraft und die Waffe des Musikers".
Auf einem schwarz-weiß Foto ist eine kleine Stube zu sehen, in der Bett und Tisch neben einem Küchenregal stehen.
Komponist mit Überblick: Bohuslav Martinů war der Sohn eines Schusters und Turmwächters und wurde 1890 in diesem Turmzimmer im böhmischen Polička geboren.© imago images / CTK Photo
Das "Incantation"-Konzert steht wie ein Monolith im gesamten Schaffen des Komponisten da. Freie Form, emotionale Eruptionen, ein stetiger Kampf zwischen Solist und Orchester und ein innovatives Klanggespür zeichnen dieses Ausnahmewerk aus. Sein fünftes und letztes Klavierkonzert, die "Fantasia Concertante", komponierte Martinů in der Schweiz, hier dominieren mediterrane Leichtigkeit und virtuose Anmut.

Martinů als Lebensaufgabe

Der 1970 geborene Pianist Robert Kolinsky leitet seit mehr als 25 Jahren die Martinů-Festtage in Basel. 2009 nahm er gemeinsam mit dem Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Vladimir Ashkenazy die Klavierkonzerte Nr. 2 und Nr. 4 auf. Im Studio der "Interpretationen" erzählt er von seiner langjährigen Erfahrung mit der Musik von Bohuslav Martinů und von der nötigen Neubewertung seines Klavierwerks.
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