Die Kamera als Statement

Von Anette Schneider · 22.10.2013
Robert Capa gilt als der wichtigste Kriegsfotograf des 20. Jahrhunderts. Rastlos reiste er im Auftrag internationaler Magazine von einem Brennpunkt zum nächsten. 1947 wurde Capa Mitbegründer der legendäre Fotoagentur Magnum.
Republikanische Soldaten in Schützengräben, beim Schachspielen, Lesen, Kämpfen, Sterben. Zivilisten auf der Flucht, ängstlich in den Himmel blickend, an dem Bomber der Faschisten auftauchen. Verletzte, Tote, Trauernde.

"Im Krieg musst du jemanden hassen oder jemanden lieben, du musst einen Standort haben, sonst hältst du nicht durch, was da abläuft",

zitiert Richard Whelan in seiner Capa-Biografie "Die Wahrheit ist das beste Bild" den großen Kriegsfotografen.

Zwischen 1936 und 1939 fotografierte Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg. Er - und einige Gleichgesinnte - hielten erstmals Krieg nicht mehr angeblich "objektiv" und aus sicherer Distanz fest, sondern, so der Fotohistoriker Ulrich Rüter:

"Er möchte sich einmischen und mit der Fotografie ein Statement abgeben. Deshalb ist er ja auch immer so dicht dran. ... Und das spricht natürlich sehr für seine Fotografie, die wirklich sich bemühte, unmittelbar zu sein, den Betrachter zu berühren, anzusprechen und ihn ins Geschehen mit einzubeziehen. Und das zeichnet seine Fotografien aus."

Capa bezog Stellung. Für die Verteidiger der Republik. Gegen die aufständischen Faschisten. Seine Reportagen erschienen in internationalen Zeitschriften. 1938 stellte "Life" ihn als "einen der besten Pressefotografen der Welt" vor. Da war er 24 Jahre alt.

Robert Capa wurde am 22.10.1913 als Endre Ernó Friedmann in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in Budapest geboren. Seine Eltern führten einen Modesalon. Doch der lernbegierige Sohn ging seinen eigenen Weg: Er wollte Journalist werden. Früh nahm er teil an Demonstrationen gegen das reaktionäre, judenfeindliche Horthy-Regime. 1931 wurde er verhaftet.

"In dem großen, quadratischen Polizeirevier pfiff Horthys Polizeichef ... Beethovens Fünfte, während er langhaarige junge Männer zusammenschlug. Ich war ein junger Mann von 17 Jahren mit sehr langen Haaren."

Nach seiner Freilassung floh Endre Friedmann nach Berlin. Es begann ein rastloses Leben.

"Er musste Ungarn verlassen, weil er sich politisch einmischte und geäußert hatte. In Deutschland hat der aufkommende Faschismus ihn vertrieben. Über Wien gelangte er dann nach Paris. Und von Paris ist er nach Amerika emigriert, 1939."

In Berlin hatte er als Assistent des Deutschen Photodienstes das Fotografieren gelernt. In Paris traf er exilierte jüdische Kollegen wie David Shymin, kurz "Schim", und Gerda Pohotylles, die seine Freundin wurde. Da die freien Exilfotografen nur schwer Aufträge erhielten, hatte sie die Idee, ihre Biografien so zu ändern, dass sie nicht gleich als Flüchtlinge erkannt wurden: Sie wurde Gerda Taro, Friedmann ein erfolgreicher US-amerikanischer Fotograf.

"Ich arbeite unter einem neuen Namen: Man nennt mich Robert Capa."

Gerda Taro kam 1937 bei der Arbeit im Spanischen Bürgerkrieg ums Leben. Robert Capa verfolgte später an der Seite der westlichen Alliierten die Befreiung Europas vom Faschismus: Nordafrika, Italien, die Landung in der Normandie, Paris, Berlin.

Wann immer er konnte, zeigte er selbstbewusste Menschen in ihrem Alltag, in ihrem Bemühen um ein besseres Leben. Capa dokumentierte Streiks, Bergarbeiter in Wales, den Alltag in der UdSSR, die Staatsgründung Israels. Und 1947 gründete er mit Cartier-Bresson, Schim und einigen anderen die legendäre Fotoagentur Magnum. Ulrich Rüter:

"Es war die Erkenntnis, dass man die Macht über seine eigenen Bilder behalten möchte. Der Gebrauch soll von den Machern weiter bestimmt werden. Man wollte wissen, wer die Bilder wo veröffentlicht, und die Bilder auch dann selber behalten."

Gegen die Willkür der Redakteure setzten die Magnum-Fotografen eigene Projekte. In ihnen zeigten sie, was ihnen wirklich wichtig war. Deshalb sagte Capa auch nur widerwillig zu, als ihn "Life" im Frühjahr 1954 drängte, in Vietnam den Krieg der Franzosen gegen die junge Republik zu dokumentieren.

"Weil er auch ... kriegsmüde war und sich nach anderen Dingen sehnte und deshalb so viel Wert darauf legte, dass er Bücher produzieren konnte, dass er freier arbeiten konnte und nicht immer wieder in die Situation des Krieges hineingeworfen wurde."

Am 25. Mai 1954 kam Robert Capa im Indochinakrieg durch eine Mine ums Leben. Er wurde 41 Jahre alt.
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