Die Kaaba auf dem Markusplatz
Der deutsche Künstler Gregor Schneider wollte auf dem Markusplatz in Venedig anlässlich der dortigen Biennale eine besondere Installation errichten: ein riesiger schwarzer Metallwürfel, der große Ähnlichkeit mit dem Heiligtum der Moslems, der Kaaba in Mekka hat. Aus Angst vor Anschlägen wurde die Skulptur untersagt.
Wie frappierend es gewesen wäre, mitten auf dem Markusplatz vor einem schwarzen Würfel von 15 Metern Seitenlänge zu stehen, zeigt die Videosimulation, die Gregor Schneider im Arsenal präsentierte. Da sah man zunächst die um die Kaaba kreisenden Pilgermassen von Mekka, dann den von Touristen wimmelnden Markusplatz, der nun plötzlich ein befremdliches Zentrum hatte.
Tatsächlich, und diesen Gedanken wollte die Videosimulation verbreiten, ähnelt Venedigs Markusplatz dem Vorplatz oder auch dem Innenhof einer Moschee: Da gibt es diese unhierarchische Weite, dieses Gefühl grenzenloser Offenheit bei gleichzeitig bergendem Architekturbestand.
Ist es also wahrscheinlich, dass diese Arbeit vor allen Dingen provoziert hätte, provoziert bis an die Grenze des Erträglichen? Hätte man damit nicht nur die islamische Gemeinde aufs Tiefste verletzt, sondern auch noch die Gefahr eines terroristischen Vergeltungsschlages gegen ganz Venedig heraufbeschworen?
Gregor Schneider hält diese Ängste der venezianischen Präfektur für eine groteske Fehlinterpretation seiner ursprünglich geplanten Arbeit. Vielmehr sei so die Chance vertan worden, die tiefe Gemeinsamkeit der Kulturen zu dokumentieren. Und außerdem sieht der Künstler, der 2001 mit seinem Haus Ur den Goldenen Löwen für den deutschen Pavillon holte, im Faible des Westens für die Formen minimalistischer Skulptur eine vergleichbare Spiritualität, wie sie sich in der arabischen Welt angesichts der Kaaba artikuliert.
Kein Zweifel, der schwarze Würfel von Gregor Schneider auf dem Markusplatz wäre das Signet einer Biennale geworden, die sich ansonsten seltsam kraftlos und restaurativ zeigt. Und nicht nur das Signet, sondern auch der Beweis für eine mögliche weltpolitische Bedeutung der Kunst, die diese Biennale weitgehend schuldig bleibt. Jedes Fernsehteam hätte sich darauf gestürzt, jede Zeitung damit aufgemacht, jeder Tourist vom Anspruch der Kunstbiennale erfahren.
Die Brisanz der Arbeitsweise von Gregor Schneider liegt darin, dass er innerhalb der Kunstwelt den Zweifel an der Kunst sät. Die Erscheinungsformen seiner Kunst bewegen sich auf der Kippe zwischen harter und bisweilen grausamer Alltagswirklichkeit und dem Formenschatz des Ästhetischen. Wenn da plötzlich tote Menschen in seinen installierten Räumen zu liegen scheinen, dann macht der Hinweis auf bezahlte Darsteller die Bewegungslosigkeit dieser Körper nicht weniger unheimlich.
Zumindest die Paranoia ist bei Gregor Schneider immer überaus real, und sein künstlerisches Genie liegt darin, das Geheimnis ihrer Reproduzierbarkeit ergründet zu haben. Seine Werke, auch das unendlich verschachtelte Haus Ur mit seinen Phobie erzeugenden Räumen, sind beklemmende Projektionsflächen unserer biografischen, sozialen und kulturellen Ängste.
Diesen Effekt hätte auch der schwarze Würfel auf dem Markusplatz gehabt: uns nicht nur mit einer vom Himmel gefallenen Undurchdringlichkeit zu konfrontieren, sondern auch mit dem Rätsel grassierender Wahnvorstellungen. Und da wäre es nicht nur um unseren eigenen Wahn gegangen, sondern auch um kollektiven Wahn, um politisch existenten Wahn, um den Wahn gegenseitiger Projektion. Und das alles hätte sich abgespielt angesichts einer überaus rationalen Form, die zum Grundvokabular der Geometrie und Architektur gehört.
Zu Recht bedauern die Kuratorinnen der Biennale, dass die Politik hier die Rolle des Zensors gespielt hat. Wenn die "Erfahrung der Kunst" wirklich brisant wird, kneift man gern. In Venedig gibt es da eine sehr geringe Toleranzschwelle.
Tatsächlich, und diesen Gedanken wollte die Videosimulation verbreiten, ähnelt Venedigs Markusplatz dem Vorplatz oder auch dem Innenhof einer Moschee: Da gibt es diese unhierarchische Weite, dieses Gefühl grenzenloser Offenheit bei gleichzeitig bergendem Architekturbestand.
Ist es also wahrscheinlich, dass diese Arbeit vor allen Dingen provoziert hätte, provoziert bis an die Grenze des Erträglichen? Hätte man damit nicht nur die islamische Gemeinde aufs Tiefste verletzt, sondern auch noch die Gefahr eines terroristischen Vergeltungsschlages gegen ganz Venedig heraufbeschworen?
Gregor Schneider hält diese Ängste der venezianischen Präfektur für eine groteske Fehlinterpretation seiner ursprünglich geplanten Arbeit. Vielmehr sei so die Chance vertan worden, die tiefe Gemeinsamkeit der Kulturen zu dokumentieren. Und außerdem sieht der Künstler, der 2001 mit seinem Haus Ur den Goldenen Löwen für den deutschen Pavillon holte, im Faible des Westens für die Formen minimalistischer Skulptur eine vergleichbare Spiritualität, wie sie sich in der arabischen Welt angesichts der Kaaba artikuliert.
Kein Zweifel, der schwarze Würfel von Gregor Schneider auf dem Markusplatz wäre das Signet einer Biennale geworden, die sich ansonsten seltsam kraftlos und restaurativ zeigt. Und nicht nur das Signet, sondern auch der Beweis für eine mögliche weltpolitische Bedeutung der Kunst, die diese Biennale weitgehend schuldig bleibt. Jedes Fernsehteam hätte sich darauf gestürzt, jede Zeitung damit aufgemacht, jeder Tourist vom Anspruch der Kunstbiennale erfahren.
Die Brisanz der Arbeitsweise von Gregor Schneider liegt darin, dass er innerhalb der Kunstwelt den Zweifel an der Kunst sät. Die Erscheinungsformen seiner Kunst bewegen sich auf der Kippe zwischen harter und bisweilen grausamer Alltagswirklichkeit und dem Formenschatz des Ästhetischen. Wenn da plötzlich tote Menschen in seinen installierten Räumen zu liegen scheinen, dann macht der Hinweis auf bezahlte Darsteller die Bewegungslosigkeit dieser Körper nicht weniger unheimlich.
Zumindest die Paranoia ist bei Gregor Schneider immer überaus real, und sein künstlerisches Genie liegt darin, das Geheimnis ihrer Reproduzierbarkeit ergründet zu haben. Seine Werke, auch das unendlich verschachtelte Haus Ur mit seinen Phobie erzeugenden Räumen, sind beklemmende Projektionsflächen unserer biografischen, sozialen und kulturellen Ängste.
Diesen Effekt hätte auch der schwarze Würfel auf dem Markusplatz gehabt: uns nicht nur mit einer vom Himmel gefallenen Undurchdringlichkeit zu konfrontieren, sondern auch mit dem Rätsel grassierender Wahnvorstellungen. Und da wäre es nicht nur um unseren eigenen Wahn gegangen, sondern auch um kollektiven Wahn, um politisch existenten Wahn, um den Wahn gegenseitiger Projektion. Und das alles hätte sich abgespielt angesichts einer überaus rationalen Form, die zum Grundvokabular der Geometrie und Architektur gehört.
Zu Recht bedauern die Kuratorinnen der Biennale, dass die Politik hier die Rolle des Zensors gespielt hat. Wenn die "Erfahrung der Kunst" wirklich brisant wird, kneift man gern. In Venedig gibt es da eine sehr geringe Toleranzschwelle.