Die "Jupiter"-Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart

Strahlend und streng

Wolfgang Amadeus Mozart auf einem posthumen Gemälde von Barbara Krafft, 1819
Wenn Instrumente wie Personen handeln: Wolfgang Amadeus Mozart, posthum porträtiert von Barbara Krafft © imago / Gesellschaft der MusikfreundeWien
Moderation: Ulrike Timm · 28.06.2020
Wolfgang Amadeus Mozart schrieb seine letzte Sinfonie in schwierigen Zeiten, die man diesem strahlenden Werk nicht anmerkt. Mit der "Jupiter"-Sinfonie kam der Götterliebling endgültig auf dem Olymp an.
"Ich bin immer zu Hause", notiert Mozart im Sommer 1788. Seine letzten drei Sinfonien schuf der Komponist in gerade einmal sechs Wochen, und das bedeutete selbst für den oft blitzschnell komponierenden Mozart einen einsamen Rekord.

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Ein Schaffensrausch im privaten und öffentlichen Lockdown. Mozart war gerade umgezogen in den ruhigen Wiener Vorort Alsergrund. In Österreich herrschte Wirtschaftskrise, man stand im Krieg gegen das Osmanische Reich; Inflation, Hunger, Epidemien und Revolten hatten das künstlerische Leben Wiens zum Erliegen gebracht.

Eine instrumentale Mini-Oper

Trotzdem merkt man der "Jupiter"-Sinfonie, der letzten und strahlendsten der abschließenden sinfonischen Trias, die bedrückenden Zeitumstände nicht an. Mozart notierte nach Abschluss der Komposition im August 1788 schlicht: "eine Sinfonie fertig!". Den Namen "Jupiter"-Sinfonie verpasste der deutsch-britische Konzertimpresario Johann Peter Salomon dem Werk, wegen seines festlichen Charakters, der nach allen Seiten hin offenen Grundtonart C-Dur und wohl auch wegen der atemberaubenden Konstruktion des Finales.
Mozarts Schwerpunkt zur Entstehungszeit der "Jupiter"-Sinfonie lag eigentlich auf der Oper, zuletzt hatte er "Don Giovanni" komponiert, davor "Le nozze di Figaro". Das färbte ab – auch auf diese letzte Sinfonie KV 551, die von der Instrumentation und vom Anspruch her Mozarts prächtigste ist und durchaus auf Wirkung komponiert wurde. Auch in seinen Sinfonien ist der Komponist nämlich Theatermensch, jedes kleine Motiv hat seinen ganz eigenen Charakter. Insbesondere neuere Aufnahmen entwickeln diese Motive wie gegensätzliche Personen, die sich bühnenwirksam auch im Sinfoniesatz treffen und miteinander zu sprechen scheinen.
Der Dirigent René Jacobs bei einer Probe mit dem Freiburger Barockorchester, 2008 in der Salle Pleyel, Paris
Zur Not tut's auch ein Stift, wenn kein Taktstock zur Hand ist: René Jacobs, Garant lebendiger Mozart-Interpretationen, bei einer Probe mit dem Freiburger Barockorchester© imago
Ein sinfonischer Mozart, wie szenisch gedacht, eine Mini-Oper mit Instrumenten. Im Eröffnungssatz zitiert Mozart sogar eine eigene Arie, die er ursprünglich für einen Kollegen als Bühnenmusik zugeliefert hatte – man kann davon ausgehen, dass er beim Publikum auf vergnügten Wiedererkennungswert setzte. Wobei eine Uraufführung, wohl geplant für den Herbst 1788, bis heute nicht sicher nachgewiesen ist. Womöglich hat der Komponist sein Werk nie selbst in einer Aufführung erlebt.
Berühmt wurde die "Jupiter"-Sinfonie auch für ihr Finale, eine atemberaubend verzwirbelte Konstruktion aus streng fugierten Teilen und Sonatenhauptsatzform. Kein Mozart-Satz ist so oft und staunend analysiert worden. Bach-Studien öffneten Mozarts Ohren dafür, dass die kunstvolle Satztechnik viel mehr sein kann als eine trockene formale Prozedur – im Finale der "Jupiter"-Sinfonie gelingt Mozart scheinbar mühelos die Synthese aus Altem und Neuem, aus Strenge und übersprudelnder Vitalität. Das macht den krönenden Schlusssatz zum Geniestreich.

Mozart-Klänge aus hundert Jahren

In der Sendung hören und vergleichen wir Aufnahmen mit ganz unterschiedlichen ästhetischen Ansätzen. Neuere Lesarten betonen im Sinne historischer Aufführungspraxis die diversen musikalischen Charaktere auf kleinstem Raum und kommen dabei doch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen; ältere Interpretationen suchen die opulente große Linie und gleichen Gegensätze eher einander an.
Mozarts "Jupiter"-Sinfonie erklingt in Aufnahmen von Karl Böhm bis René Jacobs, von Herbert von Karajan über Claudio Abbado und Nikolaus Harnoncourt bis zur derzeit neuesten Aufnahme mit Riccardo Minasi und dem Ensemble Resonanz von 2020 – wobei auch ein sehr frühes Tondokument nicht fehlt, nämlich Richard Strauss als Mozart-Interpret anno 1926.
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