"Die Jungs haben das toll gemacht"

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Sportdirektor des Bundesligaaufsteigers TSG 1899 Hoffenheim, Bernhard Peters, sieht die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft auf einem guten Weg. Wenn sie sich weiter stabilisiere und in der Besetzung noch mehr Sicherheit bekomme, traue er ihr eigentlich alles zu, sagte Peters mit Blick auf den Titel.
Jörg Degenhardt: Das war ein katastrophaler Start in die Euro 2008 - zumindest aus Sicht der Gastgeber Österreich und der Schweiz -, denn nach den Niederlagen wird es für die Teams beider Länder schwer, sich im Wettbewerb zu halten. Und die nächste Runde ohne die Veranstalter, das könnte Folgen für die Fußballbegeisterung in den Alpenländern haben. Die Deutschen, die haben nicht viel falsch gemacht gestern Abend, aber wohl jede Menge richtig beim 2 zu 0 über Polens beste Fußballer. Über das erste Spiel der DFB-Elf und den Auftakt zu dieser Fußball-Europameisterschaft wollen wir jetzt reden mit einem Mann, der maßgeblich beteiligt war am Sommermärchen 2006, der damals die deutschen Kicker fitt gemacht hat, der heute noch mit Jürgen Klinsmann befreundet ist. Mittlerweile arbeitet er als Sportdirektor beim Bundesliga-Aufsteiger Hoffenheim. Ich meine Bernhard Peters. Guten Morgen Herr Peters!

Bernhard Peters: Guten Morgen. Hallo!

Degenhardt: War das gestrige Spiel der DFB-Elf schon nach Ihrem Geschmack?

Peters: Ja. Ich finde, die Jungs haben das toll gemacht. Sie haben den Ball klasse laufen lassen. Das war über weite Strecken ein richtig gutes Kombinationsspiel. Es gab natürlich auch mal Phasen, wo sie so ein bisschen den Faden verloren haben, vor der Halbzeit und die Viertelstunde nach der Halbzeit, aber eigentlich waren sie unheimlich präsent und haben mit einem oder zwei Kontakten schnell gespielt und das hat mir schon sehr gefallen. Wir haben tolle Tore gemacht.

Degenhardt: Ein spezielles Wort zu Lukas Podolski. Warum ist der im Nationalteam so stark? Liegt das auch am Trainer?

Peters: Ja. Ich glaube, dass er sicher schon auch seit Jürgen Klinsmanns Ära das Vertrauen dieser Trainer-Crew und das Vertrauen von Jogi Löw intensiv spürt. Das ist, glaube ich, ein Spieler, der das auf der emotionalen Ebene unheimlich gut braucht.

Degenhardt Kann es trotzdem sein - Sie haben ja angedeutet, Herr Peters, die deutsche Mannschaft hätte zwischenzeitlich so ein bisschen den roten Faden verloren -, dass diese Mannschaft ein wenig die Leichtigkeit des Sommers 2006 verloren hat?

Peters: Das ist meines Erachtens zu früh, da jetzt seriös ein Urteil zu fällen. Sie haben es sehr gut gemacht gegen eine starke polnische Mannschaft, die ja phasenweise auch echt gut gespielt hat. Ich glaube sie haben erstklassige Chancen, zunächst mal die Vorrunde zu überstehen, und ich traue ihr eigentlich alles zu.

Degenhardt: Können Sie eigentlich als ehemaliger Fitness-Trainer sehen, inwieweit die Mannschaft im Saft steht, ob sie sozusagen noch nicht ganz hundertprozentig frisch ist, weil kurz vor Beginn der EM das Trainingslager lag, oder ob alle auf die Minute genau toppfitt sind?

Peters: Erstmal muss ich Sie berichtigen, dass ich nicht Fitness-Trainer war, sondern dass ich den Jürgen Klinsmann, sagen wir, in der Belastungssteuerung ein bisschen beraten habe. Ich habe den Eindruck, dass die Jungs sehr fitt sind, aber auch da muss man in Ruhe abwarten, weil es geht um die Erholungsfähigkeit innerhalb eines Turniers, ob sie sich wirklich auch im fünften und sechsten Spiel bei diesem hohen Tempo wenig Fehler leisten. Darum geht es, und das muss man abwarten. Ich habe den Eindruck, dass die Trainingssteuerung Richtung Europameisterschaft sehr gut geklappt hat und dass sie gestern auf dem Punkt voll da waren.

Degenhardt: Was trauen Sie denn dieser Mannschaft noch zu?

Peters: Sie hat wie gesagt über weite Strecken sehr dominant gespielt. Ich fand sie klasse. Sie hat in einer guten Besetzung gespielt und wenn sie sich weiter stabilisiert und in der Besetzung noch mehr Sicherheit bekommt über eine gesamte Spielzeit von 90 Minuten, dann ist ihr eigentlich alles zuzutrauen.

Degenhardt: Auch mit dieser Abwehr?

Peters: Ja. Sicher hat man auch gesehen, dass es gestern kaum Probleme gab. Mir war es recht klar, dass sie in der Innenverteidigung diese Defizite, die es in der Vorbereitung gab, auch weil Metzelder noch so lange verletzt war, ausgleichen konnten. Sie haben das gut bearbeitet, gut besprochen und ich hatte den Eindruck, dass sie sehr gut stabil waren und Lehmann sich immer weiter gesteigert hat.

Degenhardt: Ich habe eine Forsa-Umfrage entdeckt, wonach nur 15 Prozent aller Deutschen an den Titel glauben. Ist Gewinnen heute gar nicht mehr so wichtig, Hauptsache das Spiel ist schön und die Leute sind begeistert?

Peters: Nein, nein. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun. Sie glauben nicht unbedingt daran, weil es eben sehr lange keinen Titel gab. Es ist unglaublich schwer, unter den letzten vier dann diesen Titel zu machen. Dazu braucht man eine große mentale Stärke und da muss auf den Punkt alles stimmen. Da muss man den letzten Willen und die letzte Leidenschaft haben. Aber ich glaube, dass das schon jedem deutschen Fan sehr viel bedeuten würde.

Degenhardt: Herr Peters, Sie haben die mentale Stärke angesprochen. Das Umfeld des DFB-Teams sieht ja seit Bundestrainer Jürgen Klinsmann völlig anders aus. Fitness-Spezialisten aus den USA findet man dort, Spielerbeobachter, einen Yogatrainer, Psychologen und so weiter. Braucht man diesen Aufwand wirklich, um in ein großes Finale zu kommen?

Peters: Ja. Ich denke schon, dass es in so einer komplexen Sportart wie Fußball immer mehr darum geht, mit großen Experten alle Bereiche optimal anzusteuern und optimal fortzuentwickeln. Das wird heute ja auf hohem Niveau gemacht, und es ist die Aufgabe von Jogi Löw, dann diese verschiedenen Experten so zusammenzubringen zu einer starken Gesamtleistung des Teams, was nachher dann den Sieg möglich macht. Also, ich glaube, dass man sich auf diesem hohen Niveau mit so vielen starken Experten verschiedener Fachbereiche auseinandersetzen muss und die einbeziehen muss.

Degenhardt: Aber ich kann mich erinnern - Sie sich wahrscheinlich auch -, 1992 ist mal eine Mannschaft, nämlich Dänemark eingesprungen bei der EM. Die Spieler kamen gewissermaßen vom Strand und sind gleich ins Finale gezogen. Das war dann sozusagen die Ausnahme, die die Regel bestätigt?

Peters: Nein. Wenn dann der Gegner zu verspannt ist, zu verkrampft ist in seinen ganzen Ideen, das Spiel zu machen, dann kann das nicht funktionieren. Fußball bleibt immer zu einem großen Teil Intuition. Es bleibt auch ein gewisses Rätsel, was man nie vollkommen durchplanen kann, und das ist ja eigentlich auch gut so.

Degenhardt: Jürgen Klinsmann hat seinem Nachfolger eine SMS geschickt und alles Gute gewünscht. Haben Sie das auch getan?

Peters: Ja, das habe ich auch gemacht.

Degenhardt: Bernhard Peters war das. Er hat Klinsmann damals in Sachen Fitness-Fragen beraten, hat mitgeschrieben am Sommermärchen 2006. Vielen Dank für das Gespräch und der deutschen Mannschaft bei der Euro 2008 alles Gute.