Die innere Sicherheit beherrscht die Spiele

Von Anthony Glees |
Am Freitag werden die Olympischen Spiele in London eröffnet. Schon jetzt hat die Royal Army ihren größten Militäreinsatz in Friedenszeiten – und das im eigenen Land – begonnen. Anthony Glees, Politikprofessor in Oxford, hätte dafür Verständnis, wenn die konservativ-liberale Koalition ihre Maßnahmen gut begründen würde. Doch eben dies vermisst er.
Die erste Olympiade im Jahre 776 vor Christus hatte den ausdrücklichen Zweck, so wird berichtet, ein friedliches Miteinander im hellenischen Raum zu fördern. Als Pierre de Courbertin im späten 19. Jahrhundert auf den Gedanken kam, das olympische Spiel wieder ins Leben zu rufen, war er sich im Klaren darüber, dass sein Ziel der Weltfrieden war. Kriege würden ausbrechen, erklärte er, weil Nationen sich nicht gegenseitig verständigen könnten.
Nicht von Kriegen, wohl aber von Terroranschlägen fühlt sich Europa, fühlt sich Großbritannien bedroht. Die Briten haben bereits unzählige Anschläge erlebt. Ihr Bedürfnis nach Sicherheit ist daher ganz besonders groß. Und ohne die innere Sicherheit wären sie ihrerseits kaum imstande, die Welt zu Verständigung und Frieden von London aus zu ermuntern.

Gäbe es einen Terroranschlag während der Olympiade, wäre das Ansehen Großbritanniens auf das Schlimmste beschädigt - in den Augen der Welt und der Bürger dieses Landes. Die Spiele würden Symbol des Völkerhasses und des Scheiterns von Verständigung werden.

Mittlerweile aber ist die Sicherheit zu einem weitaus größeren olympischen Thema geworden als der Frieden. Es gibt Stimmen, die kritisieren, es werde große Lücken im Stahlring um die Olympiade geben, während andere meinen, die Sicherheitsvorsorge sei weit übertrieben, sogar widerrechtlich.

In der Tat könnte man glauben, London bereite sich nicht auf sportliche Wettkämpfe vor, sondern auf irgendeinen fürchterlichen Angriff. "HMS Ocean", das größte Kriegsschiff in der britischen Marine, ist in der Themse verankert, mit Angriffshubschraubern vom Typ Appache and Puma vollgeladen. Kampfflieger vom Typ Typhoon wurden auf Londoner Flughäfen stationiert.

Es ist verständlich, dass die Regierung abschrecken will. Wir wissen alle, dass es Al-Kaida-Anhänger in England gibt, auch die IRA und islamistische Einzelgänger. Wir erinnern uns außerdem an die schweren Krawalle im letzten August. Sicherheitsmaßnahmen rund um den olympischen Park und die 30 Wettkampfstätten erscheinen durchaus nötig.

Doch die Fragen bleiben: War die Planung gut? Hat die Regierung die Terrordrohung viel zu sehr überschätzt? Auf die erste Frage gibt es nur eine Antwort: nein.

Die zweite ist viel schwieriger: Diejenigen, die wie ich der Meinung sind, dass wir starke und gute Sicherheitsvorkehrungen brauchen, würden vielem zustimmen können, wenn wir von offizieller Seite die Bestätigung bekämen, die Maßnahmen seien unbedingt nötig. Bis jetzt aber ist dies nicht geschehen. Die Sicherheit bleibt also eine Frage von Vertrauen. Und Vertrauen ist einfach nicht da zurzeit.

Die Olympiade 2012 als 'Sicherheitsspiele' anzusehen, wäre natürlich immer noch besser, als dass der Terror sie total zerstören würde wie in München 1972. Aber das Allerbeste wäre, dass wir schnellstens auf Courbertins noble Gedanken zurückkämen und über Frieden und Völkerverständigung und nicht über Sicherheit reden würden.

Anthony Glees, geboren 1948 in Oxford, ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Buckingham. Er studierte in Oxford, Bonn und Göttingen, lehrte ebenfalls in Oxford, aber auch in Warwick und Brunel, beschäftigt sich wissenschaftlich mit den britisch-deutschen Beziehungen, der Europapolitik und nationalen Sicherheitsfragen und schrieb sechs Bücher sowie Artikel für Zeitungen und Hörfunk.
Anthony Glees
Anthony Glees© June Costard
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