"Die Illusion ist verloren gegangen"

Ken Adam im Gespräch mit Joachim Scholl · 17.11.2008
Ken Adam wurde berühmt durch seine Filmkulissen für James Bond und durch den "War Room" für <em>Dr. Seltsam</em>. Seine heutigen Kollegen beneidet er nicht: Die Computersimulationen seien zwar ein unglaubliches Handwerkszeug, aber die Illusion gehe gegenüber den herkömmlichen Bauten verloren.
Joachim Scholl: Ich freue mich nun, ihn persönlich zu begrüßen. Welcome to Deutschlandradio Kultur. Ken Adam, hello!

Ken Adam: Danke schön.

Scholl: Wir befinden uns hier in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz. In diesen Tagen ist der neue James-Bond-Film weltweit in die Kinos gekommen, "Ein Quantum Trost". Sie haben ihn noch nicht gesehen?

Adam: Nein, ich habe es noch nicht gesehen.

Scholl: Aber den Film wohl vorher mit dem neuen Bond-Darsteller Daniel Craig?

Adam: Ja.

Scholl: Wie fanden Sie ihn? Wie finden Sie diesen Neuen?

Adam: Anders, aber ich fand ihn nicht schlecht, ja.

Scholl: Und wie gefällt in dieser neue James Bond als Typ?

Adam: Ich glaube, er hat den Humor verloren. Und leider, Leute wie "Q" usw., das sind fantastische Car Chases usw. Aber man hat mir gesagt, man wusste nicht, wer in diesen Autos war.

Scholl: Als man Sie, Ken Adams, für Ihren James-Bond-Film engagierte, "Dr. No", da waren Sie anfangs alles andere als begeistert. Ihre Frau Letitia soll gesagt haben, mach das bloß nicht. Das ist Mist.

Adam: Ja.

Scholl: Wie kam es denn dennoch dazu?

Adam: Ich kannte ja beide Produzenten. Ja gut, für Cappi hatte ich mehrere Filme gemacht und vor allen Dingen einen sehr erfolgreichen Film mit Peter Finch, das war damals "Der Prozess" von Oscar Wilde. Und so hatte ich ein gewisses Vertrauen in ihn. Auch der Regisseur Terence Young kannte ihn sehr gut. Und er dachte sich selber, er wäre ein Bond nämlich. Während des Zweiten Weltkrieges war er ein Kommandeur in der Irish Guard auf einem Tank. Und er sah sich immer als irgendwie James Bond und hatte einen gewissen Humorsinn.

Ich wusste, dass diese ersten hundert Seiten nicht so bleiben werden. Und die blieben auch nicht so. Dann sah ich trotzdem, dass ich eine große Möglichkeit habe, den Film zu entwerfen, wie ich es will, weil ich keine Kontrolle hatte. Erstens war der Film ein Low Budget Film. Ich meine, der ganze Film war weniger als eine Million Dollar. Und die mussten alle in Jamaika sein und ich auch und konnte aber nicht dort bleiben, weil ich die Dekors in Pinewood in England schon entwerfen musste. Aber es war keiner da, der über meine Schulter gucken konnte.

Dann kam mir die Idee, die Dekors so zu entwerfen, wie um das neue Zeitalter zu reflektieren. Das heißt, wir lebten mit Computer, am Anfang der Computer, mit neuen Materialien und im Film wurden die alten, wie am Theater, Konstruktionen auch noch benutzt. Und ich habe den ganzen Konstruktionsleuten gesagt, ich möchte neue Materialien haben, Stahl, Kupfer, Stainless Steel. Und das hat mir die Möglichkeit gegeben, den ersten Film zu stilisieren und ein modernes Zeitalter zu zeigen, die 60er Jahre damals. Und die Filme waren ahead of their time.

Scholl: Waren Ihrer Zeit voraus?

Adam: Ja.

Scholl: Sie haben den Stil dann eigentlich für die ganze Bond-Reihe geprägt?

Adam: Ja.

Scholl: Mit den Bauten, vor allem den Kommandozentralen der Bösen. Man erinnert sich noch an die Kommandozentrale von Blomberg oder an die Zentrale in dem Vulkan, ein unglaubliches Bauwerk. Noch berühmter ist vielleicht filmhistorisch gesehen der berühmte War Room in Stanley Kubrick "Dr. Strangelove", "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben". Das hat sogar Ronald Reagan so beeindruckt, dass er ihn für bare Münze genommen hat, diesen Raum?

Adam: Ja, wie er Präsident wurde, hat er seinen Stabschef gefragt, ob er sich den War Room mal besehen kann. Da sagte er, welchen War Room? Den War Room aus Dr. Strangelove.

Scholl: Sie haben einmal diesen Film "Dr. Seltsam" als den wichtigsten Ihrer Karriere bezeichnet.

Adam: Ja.

Scholl: Warum? Was macht diesen Film so bedeutend für Sie?

Adam: Ich will Ihnen sagen, wenn ich zurücksehe, es hat richtig, nicht nur gepasst, aber es hat alle beeinflusst. Und das, meiner Ansicht nach, war das ideale Production Design, nämlich die Arbeit eines Production Designers, die dramatische Stimmung eines Drehbuches zu spiegeln oder zu erfinden und in "Strange Love" ist mir das fast hundertprozentig gelungen. Und deswegen, glaube ich, war es eines der wichtigsten Dekors, das ich jemals entworfen habe.

Scholl: Wir sprechen uns in Berlin, Ken Adam, am Potsdamer Platz. Hier in der Nähe haben Sie einmal gelebt vor dem Krieg, vor den Nazis, denen Sie und Ihre Familie dann gottlob nach London entkamen. Wie nahe ist Ihnen Berlin geblieben oder wie fern ist es geworden? Sie sind ja immer öfter hier.

Adam: Ja, Savignyplatz und die Nähe des Kurfürstendamms, das liegt mir immer noch sehr. Und Berlin irgendwie hat sich verändert, aber bleibt Berlin. Es ist eine fantastische Stadt. Ich sage immer, ein bisschen provinziell, aber provinziell ist der Charme von Berlin, wissen Sie.

Scholl: Einer Ihrer letzten Filme, Ken Adam, hat Sie auch hierher zurückgeführt, "Der Fall Furtwängler" mit Harvey Keitel in der Hauptrolle, von Istvan Szabos gedreht. Die Geschichte des Dirigenten Furtwänglers und sein Kampf um Wiederanerkennung, war er ein Kollaborateur oder war er keiner. Wie war diese Arbeit damals für Sie?

Adam: War interessant, weil ich die Ruinen von Berlin wiederfinden musste und damals habe ich Computer Generated Images benutzt.

Scholl: Es war ein Bauwerk, das Sie mal nicht gebaut haben?

Adam: Ja.

Scholl: Die Ruine des Reichstages.
Adam: Richtig. Es war ein Film, der mir sehr viel Spaß gemacht hat. Leider Gottes nie richtig gezeigt wurde, weil das erste Mal, wie er in Amerika gezeigt wurde, war "9/11" und keiner der Journalisten war interessiert, den Film zu sehen.

Scholl: Wenn man heute ins Kino geht, Ken Adam, kann man oft nicht mehr unterscheiden, was echt ist oder am Computer generiert. Was Sie noch in wochen- und monatelanger Handwerkerarbeit immer gebaut haben, entsteht heute am Rechner. Beneiden Sie die Kollegen heute eher, oder ist durch diese Simulation, diese Illusion auch etwas verloren gegangen im Film?

Adam: Nein, ich beneide die Kollegen nicht und die Illusion ist verloren gegangen, gar keine Zweifel. Ich finde, es ist ein unglaubliches Handwerkszeug, das muss als solches behandelt werden. Aber nicht für alles. Das ist meiner Ansicht nach die Gefahr, das ist eine ganze andere Art von Filmmachen natürlich, für die Schauspieler hauptsächlich, die vor einer Leinwand stehen. Aber wenn es richtig benutzt wird, kann das auch unglaublich nützlich sein.

Scholl: Sie haben für über 80 Filme die Sets designt, die Bauten geschaffen. Was man weniger weiß, dass sie eine ganz große Errungenschaft auch im englischen Alltagsleben durchgesetzt haben. Sie haben nämlich in London, wie man hört, dafür gesorgt, dass es Cafés gibt. Sie haben die erste Coffeebar entworfen und das hat sich durchgesetzt. Wann war das?

Adam: Das muss Mitte der 50er Jahre gewesen sein oder so, vielleicht Anfang der 50er Jahre.

Scholl: Das war so, dass Sie als Berliner die Berliner Kaffeehauskultur dann doch in London sehr vermisst haben?

Adam: Ja, ja. Ich fühlte, dass es wichtig war, weil es das nicht gab. Es gab die Pubs, die es ja immer gab. Aber tagsüber in einem Café zu sitzen, wo man schmusen kann, das gab es nicht.

Scholl: Ken Adam, der Filmdesigner, mehr als 80 Filme hat er ausgestattet, ihren Stil geprägt und ohne ihn hätten James-Bond-Filme vermutlich nicht diese Filmgeschichte geschrieben, wie sie heute kulturelle Tatsache ist. Herzlichen Dank für das Gespräch! Alles Gute für Sie!

Adam: Danke Ihnen.
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