Die Hürden des Alltags
Die Figuren in Maeve Brennans Erzählungsband "Der Morgen nach dem großen Feuer" kämpfen mit den Hürden des Alltags im kleinbürgerlichen Milieu. Die Geschichten spielen in der irischen Hauptstadt Dublin und tragen autobiografische Züge der Autorin, die 1993 in New York verstarb.
"Der Morgen nach dem großen Feuer" enthält zwölf teilweise autobiografisch grundierte Erzählungen, die in scheinbarer Beiläufigkeit daherkommen, um dann völlig unsentimental die besondere Bedeutung alltäglicher Ereignisse zu entfalten. Es sind Geschichten vom Alltag mehr oder weniger kleiner Leute in Dublin, genau beobachtet und sehr präzise geschildert. Die Figuren sind oft egoman, spießig oder kleinlich. Aber so scharf und ironisch sie auch geschildert werden: An irgendeinem Punkt begreift man sie oder akzeptiert sie wenigstens.
Die wunderbare Erzählung "Der Rosengarten" etwa handelt von der groben, immer unfreundlichen Mary Lambert. Allein ein wunderschöner, zu einem Kloster gehöriger Rosengarten löst ihre Sehnsucht aus - wundervoll sinnlich sind übrigens die Beschreibungen der Rosen. Man ahnt, warum sie so geworden ist, wenn man von der Enge und alltäglichen Lieblosigkeit liest, in der sie ihr Leben lebt. Aber das Verständnis bleibt an der Oberfläche. Viel später erst wird, ganz unpathetisch, das tiefe, ziellose, das "schreckliche Verlangen" dieser durch und durch bedürftigen Frau für einen Moment spürbar und lässt ein anderes Verständnis für sie zu.
Satirisch ist die Geschichte der schlampigen, gemeinen und schmutzigen Toilettenfrau Mary, die seit 30 Jahren ihre Kundinnen und Kolleginnen tyrannisiert - und sich am Ende selbst ins Aus katapultiert. Oder die knappe Momentaufnahme von dem Dienstmädchen, das in eine ungewollte Ehe schliddert, weil sie schlicht nicht weiß, wie sie sagen kann, dass sie nicht will. Ehe ist ein wichtiges Thema für Maeve Brennan, vor allem jene Verstrickungen, Kleinlichkeiten und Lieblosigkeiten, die sich im jahrelangen engen Zusammenleben ergeben und Menschen zu Quälgeistern füreinander machen können.
Die teilweise autobiografisch inspirierten Ich-Erzählungen werden erzählt aus einer scheinbar kindlichen Perspektive von der erwachsenen Erzählerin, die einst das Kind war. Da gibt es eine Mutter, die sich für die Familie abschuftet und nur daraus ihr Selbstwertgefühl bezieht - und daraus, dass es alle Armen und Bettler zu ihrer Tür zieht und sie sie dann unterstützen kann. Mit einer ganz anderen Mutter in "Die Lüge" teilt die Tochter einen Scherz, in den "nur wir beide eingeweiht waren, und das gefiel mir ausnehmend gut. Dann aber, eines Tages in meinem neunten Lebensjahr, verdarb ich mir alles. Ich sah den kleinen Scherz sterben und wusste, dass ich ihn getötet hatte."
Solche Sätze funkeln geradezu in ihrer metaphorischen Genauigkeit und gleichzeitigen Suggestionskraft. Sie bringen Gefühle auf den Punkt. Oder sie pointieren intellektuell: "Sie gaben ein hübsches, wenn auch recht mitgenommenes Paar ab, denn ihre unbändigen Hoffnungen hatten sie fürs Leben gezeichnet", heißt es in "Die Bohemiens" über ein glückloses Künstlerehepaar, das letztlich von seinen unerfüllten und unerfüllbaren Hoffnungen lebt.
Wunderbar geschrieben, lebendig und ungeachtet ihres Alters völlig zeitgemäß: Maeve Brennans Erzählungen sind eine wirkliche Entdeckung.
Besprochen von Gertrud Lehnert
Maeve Brennan: Der Morgen nach dem großen Feuer
Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Steidl Verlag, Göttingen 2009
156 Seiten, 16 Euro
Die wunderbare Erzählung "Der Rosengarten" etwa handelt von der groben, immer unfreundlichen Mary Lambert. Allein ein wunderschöner, zu einem Kloster gehöriger Rosengarten löst ihre Sehnsucht aus - wundervoll sinnlich sind übrigens die Beschreibungen der Rosen. Man ahnt, warum sie so geworden ist, wenn man von der Enge und alltäglichen Lieblosigkeit liest, in der sie ihr Leben lebt. Aber das Verständnis bleibt an der Oberfläche. Viel später erst wird, ganz unpathetisch, das tiefe, ziellose, das "schreckliche Verlangen" dieser durch und durch bedürftigen Frau für einen Moment spürbar und lässt ein anderes Verständnis für sie zu.
Satirisch ist die Geschichte der schlampigen, gemeinen und schmutzigen Toilettenfrau Mary, die seit 30 Jahren ihre Kundinnen und Kolleginnen tyrannisiert - und sich am Ende selbst ins Aus katapultiert. Oder die knappe Momentaufnahme von dem Dienstmädchen, das in eine ungewollte Ehe schliddert, weil sie schlicht nicht weiß, wie sie sagen kann, dass sie nicht will. Ehe ist ein wichtiges Thema für Maeve Brennan, vor allem jene Verstrickungen, Kleinlichkeiten und Lieblosigkeiten, die sich im jahrelangen engen Zusammenleben ergeben und Menschen zu Quälgeistern füreinander machen können.
Die teilweise autobiografisch inspirierten Ich-Erzählungen werden erzählt aus einer scheinbar kindlichen Perspektive von der erwachsenen Erzählerin, die einst das Kind war. Da gibt es eine Mutter, die sich für die Familie abschuftet und nur daraus ihr Selbstwertgefühl bezieht - und daraus, dass es alle Armen und Bettler zu ihrer Tür zieht und sie sie dann unterstützen kann. Mit einer ganz anderen Mutter in "Die Lüge" teilt die Tochter einen Scherz, in den "nur wir beide eingeweiht waren, und das gefiel mir ausnehmend gut. Dann aber, eines Tages in meinem neunten Lebensjahr, verdarb ich mir alles. Ich sah den kleinen Scherz sterben und wusste, dass ich ihn getötet hatte."
Solche Sätze funkeln geradezu in ihrer metaphorischen Genauigkeit und gleichzeitigen Suggestionskraft. Sie bringen Gefühle auf den Punkt. Oder sie pointieren intellektuell: "Sie gaben ein hübsches, wenn auch recht mitgenommenes Paar ab, denn ihre unbändigen Hoffnungen hatten sie fürs Leben gezeichnet", heißt es in "Die Bohemiens" über ein glückloses Künstlerehepaar, das letztlich von seinen unerfüllten und unerfüllbaren Hoffnungen lebt.
Wunderbar geschrieben, lebendig und ungeachtet ihres Alters völlig zeitgemäß: Maeve Brennans Erzählungen sind eine wirkliche Entdeckung.
Besprochen von Gertrud Lehnert
Maeve Brennan: Der Morgen nach dem großen Feuer
Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Steidl Verlag, Göttingen 2009
156 Seiten, 16 Euro