Die hohe Kunst des Segelfliegens

Die mit den Wolken schweben

Ein Segelflieger nach dem Start
Ein Segelflieger nach dem Start © imago stock&people
Von Fritz Schütte · 30.09.2018
In Deutschland sind mehr als 7000 Segelflugzeuge zugelassen. Vor den Deutschen Meisterschaften finden bundesweit Ausscheidungswettflüge statt, etwa beim Offenen Märkischen Vergleichsfliegen in Brandenburg. Wichtig ist hier, was man nicht sehen kann: die Luft.
Max Michaelis: "Segelfliegen ist im Prinzip ja die Kunst, ohne Motor in der Luft zu bleiben, das heißt, Höhe zu gewinnen und die dann beim Abgleiten in Strecke umzuwandeln." Segelflieger nutzen Thermik, Aufwinde, die im Sommer bis in über eintausend Meter Höhe reichen.
"Und schnell wirst du natürlich dann, wenn du möglichst viel gleitest und möglichst wenig Zeit mit dem Kreisen in der Thermik verschwendest. Das ist die Kunst."

Ähnlich wie bei einer Segelregatta

Sechzig Segelflugzeuge stehen in Dreierreihen auf der Wiese und warten darauf, von Propellerflugzeugen hochgezogen zu werden. Max Michaelis vom Fliegerklub Brandenburg gehört zum Organisationsteam des Märkischen Vergleichsfliegens.
"Ähnlich wie in einer Segelregatta bekommen die bestimmte Punkte, die sie umrunden müssen, und dann zählt eben: der Schnellste, der diese Strecke absolviert."
450 Kilometer sind bis zum Abend zurückzulegen. Östlichster Punkt ist die polnische Grenze. Serena Triebel, Deutsche Meisterin im Einer, startet im Doppel zusammen mit Vater Claus. Ihre Kennung ist SP, Sierra Papa. Die beiden programmieren gerade ihre Navis. Ein nerviger Piepston wird sie während des Fluges begleiten: "Genau, der ändert sich: lauter und leiser, wenn man steigt oder sinkt."

Abends, wenn die Thermik nachlässt

An Wolken lesen Segelflieger ab, wo die Thermik günstig ist. Aber heute ist der Himmel blau und Aufwinde suchen wie Blinde Kuh spielen. "Und deswegen fliegt man im Blauen nicht als erster. Immer lieber hintendran fliegen, dann hat man ein paar, die vorfliegen, und sieht schon mal, wo die so steigen. Dann kann man deutlich besser hinterher fliegen.
Ich habe es auch schon mal erlebt, dass alle gewartet haben, und dann ist man um vier Uhr losgeflogen auf 500 Kilometer. Chancenlos. Kann keiner fliegen, geht nicht. Da entscheidet abends auch, wer am weitesten kommt." Abends, wenn die Thermik nachlässt, ist für Segelflieger Feierabend.
Aber kein Grund zur Panik, sagt Serena.
"Wir brauchen zwei-, dreihundert Meter Acker, und dann landen wir da. Dann sind wir nicht abgestürzt, sondern das ist ganz normal. Und dann stehen wir da halt so und warten, dass der Anhänger kommt. Und dann wird der Flieger in den Anhänger gepackt, und dann geht es am nächsten Morgen weiter."
Bald ist auch mit dem Fernglas kein Segelflugzeug mehr zu erkennen.
Matthias Kaese vom Vereinsvorstand verfolgt das Geschehen am Bildschirm. "Die sind jetzt an Belzig vorbei, und fliegen auf die erste Wende zu. Man kann den Einzelnen jetzt anklicken und gucken, wie hoch er ist, wie schnell er ist."

Wie Wespen um die Marmelade kreisen

An einigen Orten auf der virtuellen Landkarte bilden sich Pulks von Punkten. Segelflieger kreisen in einer Thermik wie Wespen um ein Glas Limonade. "Oben links kommt die Hotel Mike, die wird sich gleich in diesen Kreis eingesellen, weil sie 200 Meter niedriger ist. Und jetzt sehen Sie da diese Fox Mike hat jetzt aufgerichtet und verlässt diese aufsteigende Luft 200 Meter über dem, der da gerade rein ist."
In den Himmel zu gucken lohnt sich erst wieder ab 16.30 Uhr.
– "Siehst du schon einen?"
– "Ja."
– "Aha, da oben kommt er an."
Am Walkie-Talkie:
– "Brandenburg von der Hotel Alpha."
– "Brandenburg hört."
– "Was ist die aktive Landerichtung?"
– "Eins Null links...."
Nachdem sie die virtuelle Ziellinie überflogen hat, meldet sich Serena zur Landung an und setzt wenig später die Sierra Papa butterweich auf der Wiese auf. Serena ist schlecht gelaunt. Auch Vater Claus, ihr Co-Pilot ist eher kleinlaut.
"Schlecht geflogen." Die beiden haben offenbar keine harmonischen Stunden miteinander verbracht. "Wenn ich da 500 Meter Höhe mache mit einem Meter, brauche ich 500 Sekunden, wenn ich die mit drei Meter mache, 150. Wo hast denn du die Höhe her bekommen? – Tja, ist manchmal so."
Das genaue Ergebnis steht erst fest, wenn alle Flugdaten ausgelesen sind.
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