Die Hitmacher – Folge 3

Die Komponisten-Chamäleons

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Songwriter Martin Fliegenschmidt im Studio. Er war u.a. an Max Giesingers Hit "80 Millionen" beteiligt. © Deutschlandradio/Ina Plodroch
Von Ina Plodroch · 02.08.2017
Komponisten, die Songs für einige große Stars schreiben, gibt es auch in Deutschland. Sie versuchen, in die Gefühlswelt der Künstler einzutauchen und diese in einen Drei-Minuten-Song zu pressen. Und helfen ganz nebenbei, den Künstler als authentisch darzustellen.
Name: Daniel Nitt
Typ: Der persönliche Assistent
Schreibt für: Mark Forster
"Du hast an der Popakademie studiert, oder?"
"Ich hab da studiert, genau. "
Ohne damals an der Mannheimer Popakadamie überhaupt darüber nachzudenken, irgendwann mal Songs für andere zu schreiben.
"Ich glaube, sogar, dass 99 von 100 Leuten, die anfangen, Musik zu machen, denen ist nicht klar, dass man Songs für andere schreiben kann."
Irgendwie ist Daniell Nitt da reingerutscht. Er selbst ist heute nicht der umjubelte Star auf der Bühne, er arbeitet im Hintergrund.
Daniel Nitt bei der 7. Verleihung des Deutschen Musikautorenpreis 2015 in Berlin
Daniel Nitt bei der Verleihung des Deutschen Musikautorenpreis 2015 © imago/eventfoto54
"Im Augenblick mache ich das meiste mit einer Person, nämlich mit Mark Forster. Schreiben und produzieren."
Dass Daniel Nitt fast nur noch für einen Künstler schreibt, ist fast schon ein Gegenentwurf zu den Songwriting Camps, auf denen etliche Produzenten und Songschreiber um die Wette komponieren – unabhängig davon, welcher Künstler den Song dann aufnimmt.
"Wir sind immer nur zu zweit."
"Also du und Mark."
Und abends um acht ist der Song dann fertig, sagt Nitt. Zum Beispiel "Au Revoir", der über ein Jahr in den deutschen Charts klebte. Dass ein anderer seinen Song singt, findet er nicht seltsam.
"Das hört sich vielleicht komisch an, aber das ist es dann am Ende doch nicht."
Immerhin schreibt Mark Forster – der Brillen und Cappy-tragende Chartspoet - ja auch mit. Aber warum eigentlich nicht ganz alleine?
"Er trifft sich, weil er weiß, dass er das gut kann, mit Leuten, die das können, was er nicht so kann. Nämlich an einem Instrument oder Computer sitzen."
Daniel Nitt ist also Mark Forsters verlängerter Arm, der mit ihm im Studio neue Songs komponiert und auch mit ihm auf der Bühne steht.

Name: Martin Fliegenschmidt
Typ: Der Vielschreiber
Schreibt für: Roger Cicero, Max Giesinger, Helene Fischer, Laith Al-Deen.
Berlin Mitte, ein paar Schritte und Häuserecken vom Rosa-Luxemburg-Platz entfernt in einem Hinterhof teilt sich Martin Fliegenschmidt ein kleines Studio mit seinem Schreiberkollegen Alexander Zuckowski. Sein bisher erfolgreichster Song:
"80 Millionen" von Max Giesinger. Den hat er nicht allein geschrieben, sondern mit zwei anderen Komponisten und mit Giesinger selbst.
"Meistens ist es so, dass man sich zu zweit, dritt oder viert mit dem Künstler überlegt, worüber wollen wir schreiben, was für ein Song wird gebraucht. Dann sagt der Künstler meistens: ein Hit. Auch gerne: die Single fehlt. Und dann setzt man sich hin, in welche Richtung es gehen könnte."
Martin Fliegenschmidt arbeitet häufig mit den gleichen Songschreibern zusammen. Songwriting Camps besucht er kaum noch. Stattdessen trifft er sich mit den Künstlern zu sogenannten Sessions.
"Die Blase von deutschen Songwritern im Bereich von Pop, diese Blase von Songschreibern ist nicht so groß."

Name: Michelle Leonard
Typ: Die Psychologin.
Hat geschrieben für: Sarah Connor, MC Fitti, Alice Merton.
"Ich arbeite meistens hier. Habe so eine Art Homestudio."
Der Qualm der Räucherstäbchen zieht sich durch ihr Loft und wandert in die Gitarren und das Klavier. Michelle Leonard nimmt sich viel Zeit für die Musiker, mit denen sie an deren Songs schreibt, die wohnen dann meistens sogar bei ihr. Sie will es nicht so machen wie die in der Songwriting-Hauptstadt L.A.
"Die Amerikaner schreiben drei Mal am Tag. Die sind wahnsinnig. Das könnte ich gar nicht."
"Wenn die da sind, dann will ich immer wissen, was ihre Essenz ist, ihre Seelensuppe. Und was sie loswerden sollen."
Michelle Leonard versucht also, den eigentlichen Widerspruch aufzuheben: Ist es noch authentisch, wenn Musiker ihre Songs nicht selbst schreiben? Leonard will das vermeintlich Echte aus den Künstlern herauskitzeln. Damit ist sie ziemlich erfolgreich.
"Wenn es gut läuft, werde ich bis nächstes Jahr 20-30 Major Releases haben. Nicht alle weltweit, manche nur in Deutschland, manchmal Filme."
Michelle Leonard bei der 9. Verleihung des Deutschen Musikautorenpreises 2017 im Hotel Ritz Carlton. Berlin
Michelle Leonard bei der 9. Verleihung des Deutschen Musikautorenpreises 2017 in Berlin© imago/Future Image
Die Songs, bei denen Michelle Leonard beteiligt ist, klingen aber nicht grundsätzlich anders als die, bei denen Martin Fliegenschmidt oder Daniel Nitt mitschreiben – der Unterschied liegt in der Herangehensweise. Ein guter Songschreiber drückt seinen eigenen Stil keinem Künstler auf – sondern macht es wie Michelle Leonard: schaut, was zu ihm passt, und kann wie ein Chamäleon den Wunsch des Künstlers in einen Drei-Minuten-Song pressen.
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