Die Herzen der Päpste
Von Thomas Migge · 27.09.2008
Papst Johannes Paul II. wurde auf seinen eigenen Wunsch hin in einem einfachen Holzsarg beigesetzt. Bis auf einen feierlichen Gottesdienst gab es keine Bestattungszeremonien mehr, die an bestimmte Bräuche der Vergangenheit erinnern. Das war in vergangenen Zeiten anders. Da wurden innere Organe dem toten Körper entnommen und in einer Kirche am Trevibrunnen in Tonbehältern beigesetzt - ein heute weitgehend vergessener Brauch, der seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr existiert.
Fontana di Trevi: Ein gigantischer Barockbrunnen mitten im historischen Zentrum. Das Ziel von täglich Zehntausenden von Touristen. Sie alle haben nur ein Auge für den Brunnen. Die barocke Kirche direkt an der Piazza und schräg gegenüber der Fontana di Trevi, mit der prächtigen Fassade, eine der Schönsten Roms, beachten nur wenige.
Diese Kirche - den heiligen Vincenzo und Anastasio geweiht - ist nicht immer geöffnet; doch wenn ihr Hauptportal offensteht, sollte man unbedingt einen Blick in dieses Gotteshaus werfen. In ihrem zum größten Teil eher düsteren Innern werden noch heute Organe aufbewahrt. Organe von Päpsten, erklärt die an der römischen Universität lehrende Historikerin Claudia Pastore:
"Bis ins 14. Jahrhundert wurde diese Kirche von den Römern einfach nur Päpstliche Gemeindekirche¹ genannt, denn sie erhebt sich ja direkt unterhalb des Quirinalspalastes, eine der Residenzen der Päpste. In ihrer Apsis werden, in einigen Behältern, die sogenannten "Precordi" aufbewahrt."
"Precordi" ist eine elegante Umschreibung für das Wort Innereien. Dabei handelt es sich um jene Organe, die sich im menschlichen Brustkorb befinden, also in diesem Fall im päpstlichen Brustkorb. Darunter vor allem das Herz. Diese Organe wurden in früheren Zeiten den verstorbenen Päpsten entnommen, direkt vor der offiziellen Einbalsamierung. Ein Brauch, der bis auf die ägyptischen Pharaonen zurückzuführen ist und seine Begründung darin hat, dass die Organe entnommen werden müssen, um eine perfekte Balsamierung zu garantieren.
Das Wissen der Ägypter, dass sich ein toter Körper ohne seine inneren Organe weitaus besser einbalsamieren lässt, war der praktische Grund für diesen Brauch. Doch den Päpsten, vor allem seit der Renaissance, ging es auch um die Vorstellung, wonach der Tod im christlichen Sinn ein Lebensspender ist, die Pforte zu einem anderen Leben, einem Leben danach. Zu einer Existenz, bei der vor allem das Herz, das wichtigste innere Organ, extra aufbewahrt werden müsse; nicht ausgeschlossen wurde die Möglichkeit, dass es in einem späteren Leben wieder von Nutzen sein könne.
Zunächst betraf dieser Ritus nur die Päpste, die im Quirinalspalast verstorben waren. Nach 1825 wurde die Organentnahme auch auf jene Pontifexe ausgeweitet, die im päpstlichen Palast im Vatikan ihr Leben ausgehaucht hatten. So wurden zum Beispiel die "precordi" von Papst Gregor XVI., er verstarb 1846, dem toten Körper entnommen und mit einer Kutsche in großer Geschwindigkeit durch die Stadt zur Kirche am Trevibrunnen gefahren und dort beigesetzt.
Claudia Pastore: "24 Stunden nach dem Tod des Papstes fand die Öffnung des Leichnams statt. Er wurde für die Einbalsamierung und die Zurschaustellung für die Gläubigen vorbereitet. Während dieses Vorgangs, der im ’Saal der Precordi’ innerhalb des Quirinalspalastes stattfand, wurden die entsprechenden Organe aus dem päpstlichen Körper herausgeschnitten und in Vasen und Urnen untergebracht."
Nach ihrer Entnahme durch die päpstlichen Ärzte und in Anwesenheit einiger Kardinäle wurden die einzelnen Organe mit einem Stofftuch sorgfältig abgetrocknet und in einem Tonbehälter untergebracht, der vage an eine antike Amphore erinnert. Mit Wachs wurden der Deckel des Organbehälters versiegelt. Erst in der Nacht nach diesem Eingriff wurden die "precordi" an ihren letzten Aufenthaltsort gebracht. Die Tonbehälter wurden einem Geheimkaplan genannten Geistlichen übergeben, der sie, begleitet von zwei Kerzenträgern und einigen Schweizer Gardisten als Bewachung in einer sehr schlichten Zeremonie in die Kirche am Trevibrunnen überführte.
Diese Zeremonie fand fast heimlich statt, ohne viel Aufsehen zu erregen. Am Hauptportal nahm der Gemeindepfarrer die Urnen im Empfang und ließ sie in einer Kappelle unterhalb des Hauptaltars einmauern. Dieser Ritus hatte seinen Ausgang im Jahr 1590, mit dem Tod von Papst Sixtus V.
Ununterbrochen beibehalten wurde die makabre Organaufbewahrung bis 1903. Die ³precordi³ von Leo XIII. waren die letzten, die in der Kirche am Trevibrunnen ihre Ruhestätte fanden. Leos Nachfolger Pius X. ordnete in seinem letzten Willen ausdrücklich an, dass seinem Körper die Organe nicht mehr entnommen werden sollen, weil er diesen Brauch als anachronistisch und nicht mehr zeitgemäß bezeichnete. Dazu die Kirchenhistorikerin Anna Stani:
"Pius X. untersagte fortan den Ritus, der inzwischen in der römischen Bevölkerung zum Ziel des Spotts geworden war. Den Papst ärgerte vor allem jener Ausspruch des bekannten römischen Volksdichters Belli, der die Kirche als "museo de corate e de ciorcelli" bezeichnet hatte, als Museum für die Innereien von Schlachttieren."
Dazu muss man wissen, dass die römische Volksküche auch eine Küche der Innereien war, die, so heißt es, von den vornehmen Päpsten und Kardinälen nicht verzehrt, sondern weggeworfen wurden. Aus diesen Resten stellten die Römer schmackhafte und deftige Gerichte zusammen, die noch heute beliebt, aber nicht jedermanns Sache sind.
Heute sind die Tonbehälter mit den Papstorganen nicht mehr zu sehen. Sie wurden so zugemauert, dass fast nichts mehr an sie erinnert. Nur noch eine Tafel in der Nähe des Altars kann bestaunt werden: auf ihr sind sämtliche Päpste verzeichnet, die ihre letzte Ruhe ohne Brustorgane fanden.
Diese Kirche - den heiligen Vincenzo und Anastasio geweiht - ist nicht immer geöffnet; doch wenn ihr Hauptportal offensteht, sollte man unbedingt einen Blick in dieses Gotteshaus werfen. In ihrem zum größten Teil eher düsteren Innern werden noch heute Organe aufbewahrt. Organe von Päpsten, erklärt die an der römischen Universität lehrende Historikerin Claudia Pastore:
"Bis ins 14. Jahrhundert wurde diese Kirche von den Römern einfach nur Päpstliche Gemeindekirche¹ genannt, denn sie erhebt sich ja direkt unterhalb des Quirinalspalastes, eine der Residenzen der Päpste. In ihrer Apsis werden, in einigen Behältern, die sogenannten "Precordi" aufbewahrt."
"Precordi" ist eine elegante Umschreibung für das Wort Innereien. Dabei handelt es sich um jene Organe, die sich im menschlichen Brustkorb befinden, also in diesem Fall im päpstlichen Brustkorb. Darunter vor allem das Herz. Diese Organe wurden in früheren Zeiten den verstorbenen Päpsten entnommen, direkt vor der offiziellen Einbalsamierung. Ein Brauch, der bis auf die ägyptischen Pharaonen zurückzuführen ist und seine Begründung darin hat, dass die Organe entnommen werden müssen, um eine perfekte Balsamierung zu garantieren.
Das Wissen der Ägypter, dass sich ein toter Körper ohne seine inneren Organe weitaus besser einbalsamieren lässt, war der praktische Grund für diesen Brauch. Doch den Päpsten, vor allem seit der Renaissance, ging es auch um die Vorstellung, wonach der Tod im christlichen Sinn ein Lebensspender ist, die Pforte zu einem anderen Leben, einem Leben danach. Zu einer Existenz, bei der vor allem das Herz, das wichtigste innere Organ, extra aufbewahrt werden müsse; nicht ausgeschlossen wurde die Möglichkeit, dass es in einem späteren Leben wieder von Nutzen sein könne.
Zunächst betraf dieser Ritus nur die Päpste, die im Quirinalspalast verstorben waren. Nach 1825 wurde die Organentnahme auch auf jene Pontifexe ausgeweitet, die im päpstlichen Palast im Vatikan ihr Leben ausgehaucht hatten. So wurden zum Beispiel die "precordi" von Papst Gregor XVI., er verstarb 1846, dem toten Körper entnommen und mit einer Kutsche in großer Geschwindigkeit durch die Stadt zur Kirche am Trevibrunnen gefahren und dort beigesetzt.
Claudia Pastore: "24 Stunden nach dem Tod des Papstes fand die Öffnung des Leichnams statt. Er wurde für die Einbalsamierung und die Zurschaustellung für die Gläubigen vorbereitet. Während dieses Vorgangs, der im ’Saal der Precordi’ innerhalb des Quirinalspalastes stattfand, wurden die entsprechenden Organe aus dem päpstlichen Körper herausgeschnitten und in Vasen und Urnen untergebracht."
Nach ihrer Entnahme durch die päpstlichen Ärzte und in Anwesenheit einiger Kardinäle wurden die einzelnen Organe mit einem Stofftuch sorgfältig abgetrocknet und in einem Tonbehälter untergebracht, der vage an eine antike Amphore erinnert. Mit Wachs wurden der Deckel des Organbehälters versiegelt. Erst in der Nacht nach diesem Eingriff wurden die "precordi" an ihren letzten Aufenthaltsort gebracht. Die Tonbehälter wurden einem Geheimkaplan genannten Geistlichen übergeben, der sie, begleitet von zwei Kerzenträgern und einigen Schweizer Gardisten als Bewachung in einer sehr schlichten Zeremonie in die Kirche am Trevibrunnen überführte.
Diese Zeremonie fand fast heimlich statt, ohne viel Aufsehen zu erregen. Am Hauptportal nahm der Gemeindepfarrer die Urnen im Empfang und ließ sie in einer Kappelle unterhalb des Hauptaltars einmauern. Dieser Ritus hatte seinen Ausgang im Jahr 1590, mit dem Tod von Papst Sixtus V.
Ununterbrochen beibehalten wurde die makabre Organaufbewahrung bis 1903. Die ³precordi³ von Leo XIII. waren die letzten, die in der Kirche am Trevibrunnen ihre Ruhestätte fanden. Leos Nachfolger Pius X. ordnete in seinem letzten Willen ausdrücklich an, dass seinem Körper die Organe nicht mehr entnommen werden sollen, weil er diesen Brauch als anachronistisch und nicht mehr zeitgemäß bezeichnete. Dazu die Kirchenhistorikerin Anna Stani:
"Pius X. untersagte fortan den Ritus, der inzwischen in der römischen Bevölkerung zum Ziel des Spotts geworden war. Den Papst ärgerte vor allem jener Ausspruch des bekannten römischen Volksdichters Belli, der die Kirche als "museo de corate e de ciorcelli" bezeichnet hatte, als Museum für die Innereien von Schlachttieren."
Dazu muss man wissen, dass die römische Volksküche auch eine Küche der Innereien war, die, so heißt es, von den vornehmen Päpsten und Kardinälen nicht verzehrt, sondern weggeworfen wurden. Aus diesen Resten stellten die Römer schmackhafte und deftige Gerichte zusammen, die noch heute beliebt, aber nicht jedermanns Sache sind.
Heute sind die Tonbehälter mit den Papstorganen nicht mehr zu sehen. Sie wurden so zugemauert, dass fast nichts mehr an sie erinnert. Nur noch eine Tafel in der Nähe des Altars kann bestaunt werden: auf ihr sind sämtliche Päpste verzeichnet, die ihre letzte Ruhe ohne Brustorgane fanden.