Die Harmonisierung aller Gegensätze

Von Astrid Mayerle |
Der Pfarrer und Autor Werner Tiki Küstenmacher hat mit "JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens " einen Ratgeber mit einem Hauch von Glamour geschrieben. Küstenmacher kommt vom "Luxus des Gebets" über den "Luxus der Dankbarkeit" zum "Luxus des Nichts". Er arbeitet dabei an der Harmonisierung sämtlicher Widersprüche.
Der moderne Mensch ist ein höchst widersprüchliches Wesen: Er will dinieren wie ein Gourmet und gleichzeitig abnehmen, er will sich Zeit nehmen und schaut dabei auf die Uhr, er will neues Mobilar und kauft Retrodesign, er will James Bond und sieht Daniel Craig, er lebt in der Metropole und fährt einen Roadster mit GPS, auf dass er beim Brötchenholen morgens nicht gegen den Bordstein kantet und schließlich: er will Bier trinken, aber bei klarem Verstand bleiben. Die Folge: Bier ohne Alkohol, Kaffee ohne Koffein, Pralinen ohne Zucker und so fort. Paradox wie das Schaf im Wolfspelz, wie der Hedgefondsmanager in Jesuslatschen?

Nein, Paradessenz statt Paradoxon nennen Marketinger die erfolgreiche Vereinigung zweier widersprüchlicher Eigenschaften – bestes Beispiel ein Kaffee, der gleichzeitig anregt und entspannt. Jene Harmonisierung von offensichtlichen Gegensätzen hat ökonomische Vorteile - in der Sprache der Sales Manager: Der jüngste Performance Feedback Prozess bestätigt, dass das Update des Productplacements die Nettoreichweite unseres Portfolios nachhaltig optimiert. Mit anderen Worten: sowohl die herzschwache Mitachzigerin aus Hösacker wie auch der Location Scout einer Berliner Filmproduktion greifen im Supermarkt nach eben jener anregend-entpannenden oder entspannend-anregenden Kaffeesorte.

Die jüngste Paradessenz stammt aus der Ratgeberwelt: "JesusLuxus" nennt Werner Tiki Küstenmacher sein neues Buch. Untertitel: "Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens". Küstenmacher ist Pfarrer und Ratgeberautor in Personalunion, vereint also selbst zwei offensichtliche Gegensätze, nämlich Metaphysik und Materialismus, Geist und Geschäft. Küstenmacher setzt mit seinen ultrapopulären Simplify-Ratgebern seit Jahren auf das altbekannte Prinzip "less is more" – "weniger ist mehr". Er erzählt gerne aus dem Erfahrungsschatz des Seelsorgers und Familienvaters und weiß daher besonders gut, wie man die Wohnung aufräumt, die Garage entrümpelt, Spielsachen entsorgt, in welchem Winkel der PC zur Schreibtischkante stehen sollte und wie man mit oder ohne Partner, Kind, Kegel, Küche und Kellerabteil glücklich wird.

Nachdem Küstenmacher im behenden Pragmatissimo sämtliche Niederungen des Alltags durchmessen hat, setzt er jetzt mit "JesusLuxus" auf einen Hauch von Glamour und Vanity Fair. Wer Jesus bis vor kurzem noch in einer ganz anderen Wortkombination, etwa mit "Latschen" dachte, wird aus dem Buch einen enormen Erkenntnisgewinn ziehen, denn Küstenmacher hat nach der Abkehr von der Simplify-Idee gerade selbst eine extreme Wandlung hinter sich: vom Askeseextremisten zum Luxusfetischisten. Das neue Buch interpretiert die Lebensvita Jesu über die Tugend der Großzügigkeit und siehe da, endlich wird alles zum Luxus - vom Brathendl bis zur Fußwaschung, vom Cappuccino bis zur Fastenspende der evangelischen Seelsorger. Küstenmacher kommt vom "Luxus des Gebets" über den "Luxus der Dankbarkeit" zum "Luxus des Nichts". Er arbeitet – wie die Produktmanager der bekannten Kaffeerösterein - an der Harmonisierung sämtlicher Widersprüche, denn seine Zielgruppe ist breit. Sie reicht von der Paybackcartensammlerin bis zum Porschefahrer.

"JesusLuxus" macht den Wanderprediger der Zeitenwende mit dem Common Sense des Zeitgeists kompatibel. Klar, dass hier die Weinvermehrung bei der Hochzeit zu Kana als Partyevent beschrieben wird. Tiki sei Dank und gelobt sei die Schokoladendiät, der Pelzbiki, die Anmut der Binse und die ewige Vergänglichkeit der vielsagenden Floskel!