Die guten Vorsätze

Neues Jahr, neues Glück

Silhouette eines Joggers im Sonnenuntergang.
Öfter joggen - auch einer dieser Pläne fürs neue Jahr © imago/Imagebroker
Von Bettina Ritter · 28.12.2014
Weniger Alkohol, bessere Ernährung, mehr Sport - ewig die gleichen Vorsätze über Jahre hinweg und irgendwie wird nie was draus. Warum geben wir immer wieder auf? Auch unsere Autorin Bettina Ritter nimmt sich jedes Silvester das Gleiche vor.
Jesse, Personal Trainer: "Man muss es einfach machen. Wenn ich mir sage, ich mache morgen 18 Uhr Sport, es ist 18 Uhr, ich habe keine Lust, egal. Einfach umziehen, und wenn man sich umgezogen hat und angefangen hat, dann funktioniert‘s, dann macht man’s auch. Deshalb, nicht lange überlegen, umziehen, los geht’s!"
Moment, jetzt, sofort? Ich hatte es mir doch gerade so schön bequem gemacht - auf dem Sofa mit einer Tüte Chips und der neuen Staffel meiner amerikanischen Lieblingsserie. Na gut, mein Po könnte etwas straffer sein, der Bauch flacher, und überhaupt fühle ich mich besser, wenn ich regelmäßig Sport mache. Aber irgendetwas hält mich immer zurück. Da ist Stefan Lieb schon viel, viel weiter. Er trainiert zweimal pro Woche.
"Es ist schon ne Schinderei, aber durch die Termine mit dem Raphael ist man sozusagen gezwungen, hinzugehen. Allein würde ich das Pensum nicht schaffen, das ist unmöglich."
Raphael, das ist Raphael Jesse. Der mit dem schneidigen "Los geht’s" vom Anfang. Er ist Personal Trainer und macht Stefan Lieb mächtig Druck. Mit Erfolg: Er hat den Berliner vom Aufgeber zum Dranbleiber gewandelt. Sportlich gesehen. Denn dem inneren Schweinehund ist auch Stefan Lieb schon oft zum Opfer gefallen.
"Weil ich vorher auch im Fitnessstudio war und da alle Verträge hab schleifen lassen, einfach nicht mehr hingegangen bin. In der Anfangsphase vom Fitnessstudio war ich auch jeden Tag da, hab da fünfmal pro Woche trainiert, und das ist dann irgendwie eingerissen. Dann ist der gute Vorsatz weg."
Hochmotivierte Neulinge im Fitnessstudio zu Jahresbeginn
Stefan Lieb ist in guter, oder besser schlechter Gesellschaft. Im Januar stürmen so viele hochmotivierte Neulinge die großen Fitnessstudios wie sonst nie im Jahr. Im März lässt sich nur noch ein Bruchteil sehen. Sie sind an ihren guten Vorsätzen gescheitert. Kein Wunder, meint der Psychologe Hans-Werner Rückert von der FU Berlin. Vorsätze zu fassen sei Blödsinn.
"Wir wissen aus der Psychologie, dass sowas unter Umständen sofort Widerstand erzeugt, das nennt sich dann Reaktanz. Weil ich meine persönliche Freiheit beenge. Wenn ich sage, ich mache das jetzt, schließe ich andere Handlungsmöglichkeiten aus. Deswegen könnte man genauso gut sagen, formulieren Sie es doch als Wunsch. Ich wünsche mir von mir selbst für das neue Jahr dieses und jenes. Dann ist diese Konfliktspannung durch die Reaktanzvermeidung geringer."
Wer es wirklich ernst meint, dem gibt der Psychologe einen einfachen Tipp.
"Bevor ich los jogge, würde ich die Anschaffung eines Ringbuches empfehlen. Weil man sein Leben durch die Anschaffung eines Ringbuches nachhaltig verändern kann."
Rückert empfiehlt, die guten Vorsätze aufzuschreiben und gründlich zu überlegen, warum man sie verfolgen will. Welche Gründe sind meine eigenen und welche kommen von der Familie, dem Partner, den Medien. Was muss ich tun, um meine Ziele zu erreichen. Und was mache ich, wenn ich merke, ich habe keine Lust mehr.
"Wenn ich dann am Ende sage, nach ein, zwei Wochen Arbeit an meinem Ringbuch, also, ich glaube, die Sache ist es mir wert, dann ist das eine ganz andere Sache als der Neujahresvorsatz, der im Gehirn drinsteckt. Man kann sich ein Bild vom Gehirn anschauen, anderthalb bis vier Millimeter Gehirnrinde, da sitzen die guten Vorsätze, man sieht sofort, der Rest des Systems ist größer."
Neujahrsvorsätze bedeuten tiefgreifende Lebensveränderungen
Einen einfachen Neujahrsvorsatz umzusetzen ist also gar nicht so einfach. Denn eigentlich bedeutet, zweimal pro Woche Sport zu machen erst einmal eine tiefgreifende Lebensänderung.
"Und das ist ziemlich schwer. Wir sind Gewohnheitstiere, unser Gehirn hat diese Fähigkeit, enorm schnell Gewohnheiten auszubilden und in Gewohnheiten einzugreifen und sie zu verändern ist leider überhaupt nicht eine Angelegenheit von Selbstüberlistung und Tipps und Tricks, sondern es ist eine Frage einer wirklich validen Kosten-Nutzen-Analyse."
Will ich mein bequemes Couchpotatoe-Dasein überhaupt eintauschen gegen ein erst mal unbequemes Sportler-Leben. Der "Payoff", der Lohn, wäre ein strammerer Po, aber weniger Stunden mit meiner Lieblingsserie. Ob es mir das wirklich wert wäre? Vielleicht brauche ich einfach noch ein Argument, das mich vom Sofa reißt.
"Es gibt ja diesen Spruch, wer rastet, der rostet. Und der stimmt leider wirklich. Der Körper baut einfach ab. Das Ding ist, man muss einfach anfangen, und nicht nachdenken, macht es Sinn, macht es nicht Sinn, wann könnt ich denn. Sondern einfach sagen, ich fang an, mach mir nen Tag, nehm mir nen Termin und dann lege ich einfach los."
Da ist es schon wieder, das "einfach anfangen". Na gut, ich fange an! Ich werde anfangen. Zum Glück startet ja bald das neue Jahr. Dann kann ich endlich meinen guten Vorsatz umsetzen: Mehr Sport!
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