Die große Unbekannte

Von Peter Kaiser |
Kreativität beschäftigt verschiedene Wissenschaftszweige, von der Hirnforschung über Psychologie bis hin zur Informatik. Auf dem 20. Kongress für Philosophie an der Technischen Universität Berlin wird sie derzeit von verschiedenen Forschern beleuchtet. Doch schon die Suche nach einer allgemein gültigen Definiton von Kreativität gestaltet sich als schwierig.
Prof. Günther Abel: " Kreativität ist zunächst ein (…) Grundphänomen für die Künste. Da ist es auch absolut lokalisiert. Aber der interessante Punkt ist, wenn man mal genau versucht hinterherzugehen, was verstehen wir unter Kreativität, dann stossen wir auf die Psychologie, dann stossen wir auf die Hirnforschung, und wir stossen auf die Computerforschung. Das wären so die charakteristischen Felder. "

Günter Abel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie, die den XX. Kongress für Philosophie veranstaltet. Am Vorabend des Kongresses erläutert Professor Abel, warum der Begriff Kreativität im Mittelpunkt der nächsten Tage steht.

Prof. Günther Abel: " Denken Sie an solche Stichwörter wie Chaosforschung, Fraktale, Zufall, Synergetik, Autopoesis, Selbstorganisationssysteme (…), das sind alles nicht mehr Theorien, die einfach nur Phänomene eintüten, sondern sie versuchen dem eigentümlich prozessualen Charakter der Phänomene selber näher zu kommen. Und dazu müssen sie an ihren Theorien Veränderungen vornehmen, und es könnte sein, jedenfalls rumort es schon mächtig, dass Kreativität in dieser Hinsicht ein wirkliches Paradigma wird."

Während die Hirnforschung zunehmend an den neuronalen Verbindungen in unserem Gehirn interessiert ist, die bei kreativen Prozessen auftreten, versuchen weltweit Mathematiker und Informatiker derzeit, das Entstehen und die Mechanik von Kreativität in die Rechner zu bringen. So wird überall momentan nach einer Computersoftware geforscht, die selbstständig kreativ ist. Doch das Interesse am Phänomen Kreativität geht noch viel weiter.

Prof. Günther Abel: " Die Psychologie ist, vereinfacht gesprochen, auf Persönlichkeitsmerkmale orientiert. Was ist das für ein psychisches Profil von Personen, von denen wir sagen, sie seien kreativ? Und da kommt, aus meiner Sicht, die Philosphie ins Spiel, die sich mit diesem Thema bisher auch noch nicht richtig beschäftigt hat, also das ist ein interessanter Punkt. Wir versuchen, und das ist meine Einflugschneise, so ausgedrückt, jetzt diejenigen Merkmale und Muster zu benennen, die strukturell für kreative Prozesse charakteristisch sind. "

Schon die Suche nach einer allgemein gültigen Definition des Begriffes Kreativität ist, nach Meinung von Günter Abel, sehr schwierig. Denn was ist das: Kreativität? Ist Kreativität mehr als ein Einfall, eine Idee, die man hat? Was passiert im Moment des "Heureka"? Das Interesse beinahe aller Forschungsdisziplinen an diesem Thema ist gewaltig. Denn Kreativität ist in allen Gebieten des heutigen Lebens gefragt und gefordert, nicht nur in der Wissenschaft. Dass sich die Philosophen dieses Themas jetzt verstärkt widmen, hat sofort Reaktionen hervorgerufen.

Prof. Günther Abel: " Die besten Vertreter der künstlichen Intelligenz, die besten Vertreter der Hirnforschung heute, die besten Vertreter der Psychologie sind an diesen Schnittstellen zu Philosophie interessiert, und kommen auch auf uns zu mit der Bitte und Frage, könnt ihr etwas beitragen. Ich glaube auch nicht, dass wir das hier in einer Woche tun können, aber wenn so ein Schuss Aufbruchsstimmung, Forschungsstimmung, wenn Sie so wollen, dareinkommt, wäre das sehr gut. "

Jene Aufbruchsstimmung muß auch Paul Geier, Professor für Philosophie an der Universität von Pennsylvania in den USA, erreicht haben. Für ihn waren diese Fragen nach dem Wesen der Kreativität so wichtig, dass er den weiten Weg bis nach Berlin nicht gescheut hat.

Paul Geier: "Ich bin natürlich sehr interessiert zu hören, was Andere über das Thema Kreativität zu sagen haben. Meines Erachtens ist es ein schwieriges Thema, weil man könnte fast sagen, dass das Wesen der Kreativität ist, dass es keine Regeln hat, und ich denke, es ist schwer über Kreativität nachzudenken und zu theoretisieren."

Auf die Frage, ob in den USA mit Kreativität nicht völlig anders umgegangen wird, als hier in Deutschland, antwortet Paul Geier:

"Es gibt Unterschiede in den Zuständen der Kreativitäten. Zum einen weil die USA dreimal, viermal größer sind als Deutschland. Ich kann da einige Dinge sagen. Zum Teil (…), das ist der große "Melting Pot" der Vereinigten Staaten, das ist ein wirklicher geschichtlicher Aspekt der Kreativität, denke ich. "

Wie wohl etliche Kongressteilnehmer wird auch Dagmar Gehreke von der Universität in Karlsruhe von den Kardinalfragen zur Kreativität umgetrieben. Für sie ist es wichtig hier festzustellen, ob sie in den Seminaren mit ihren Studenten vom Begriff Kreativität das Wichtigste erfasst und weitergegeben hat.

Dagmar Gehreke: "Ich denke, die Kreativität prägt den Menschen und umgekehrt der Mensch prägt auch die Kreativität. Was verstehen wir unter Kreativität? Kreativität, ich würde sogar sagen, der Mensch ist die Kreativität."

So wird eine Woche lang mit dem Begriff Kreativität an der Technischen Universität gerungen, geredet und philosophiert. Zwischendrin gibt es eine Buchausstellung im Lichthof der TU, dann eine Bootsfahrt und am Freitag eine Abschlussparty. Wie kreativ die Teilnehmer dieses spannenden Kongresses mit den Vorträgen und den Gesprächen dann numgehen, wird sich sicherlich bald zeigen.
John Rogers Searle, amerikanischer Philosoph
Auch der amerikanische Philosoph John Rogers Searle wird auf dem Philosophie-Kongress sprechen.© Richard Holmgren