"Die große Streitfrage"

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Hanns Ostermann · 01.11.2010
Die CSU hat sich auf ihrem Parteitag in München für die Frauenquote entschieden. Das knappe Ergebnis sei kein Beleg für eine mangelnde Unterstützung für Parteichef Horst Seehofer, betont der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag Hans-Peter Friedrich.
Hanns Ostermann: Die CSU hat auf ihrem Parteitag so Etliches geschafft: Künftig wird die Basis stark in Entscheidungen einbezogen, es wird eine Frauenquote geben, und die Delegierten verabschiedeten einen Sieben-Punkte-Plan zur Integration. Ob das aber ausreicht, die Reihen wieder zu schließen und die Partei aus ihrer schweren Krise herauszuführen? Einmal mehr erhielt der Hoffnungsträger der Partei, Karl-Theodor zu Guttenberg, mehr Beifall als sein Parteichef, als Horst Seehofer. So ganz beendet scheint die Personaldebatte also nicht. Oder doch? Hans-Peter Friedrich ist jetzt am Telefon, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag und stellvertretender Fraktionschef der Union. Guten Morgen, Herr Friedrich!

Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen!

Ostermann: Mit 56 Prozent stimmten die Delegierten für das Frauenquorum – ist das in etwa das Maß der Zustimmung für den Parteichef?

Friedrich: Also diese Frage hat mit dem Parteichef gar nichts zu tun, sondern es war eine hoch emotionale Frage schon im Vorfeld des Parteitages, weil diese Quote natürlich auch so was wie eine Grundsatzfrage ist. Ist das ein sozialistisches Instrument der Bevormundung oder ist es eine Möglichkeit, die Frauen stärker einzubinden -, das war die große Streitfrage, und das ist auch sehr emotional diskutiert worden, hatte aber mit der Frage der Zustimmung zu Horst Seehofer null Komma null zu tun, auch wenn natürlich die Medien immer versucht haben, das so auszulegen.

Ostermann: Na ja, nicht zuletzt hat sich da ja auch Karl-Theodor zu Guttenberg für dieses Thema ins Zeug gelegt. Sie sind da mit der Frage der Zustimmung für den Parteichef elegant ausgewichen.

Friedrich: Also wie gesagt, das stand auch überhaupt nicht zur Debatte, das war kein Thema, das die Delegierten wirklich bewegt hat, sondern ein Thema, das in den Medien rauf und runter gespielt wurde, weil man dort eben personelle Auseinandersetzungen sich gar so gern wünscht, weil man sich dann mit Inhalten weniger auseinandersetzen muss. Insofern ging, glaube ich, die Berichterstattung an dem, was die Delegierten bewegt hat, nämlich die Frage Beitragserhöhung, Leitbildprozess, Modernisierung der Partei, ziemlich vorbei. Aber gut, das ist so, damit leben wir.

Ostermann: Immerhin forderten viele auf dem Parteitag, auch der Verteidigungsminister – und er bekam dafür viel Beifall –, Verlässlichkeit in der Politik. Damit dürfte doch wohl vor allem Seehofer gemeint sein. Was macht Sie so sicher, dass der Ihnen in Berlin nicht weiter das Leben schwermacht?

Friedrich: Also ich glaube, auch da wird völlig falsch interpretiert und gegeneinander gehetzt oder zumindest versucht, das zu tun. Ich habe mit Horst Seehofer als Landesgruppenvorsitzender in Berlin eine hervorragende Zusammenarbeit, das Gleiche gilt auch für die Minister in Berlin, die mit ihm inhaltlich, fachlich sehr gut zusammenarbeiten. Insofern sind es alles Diskussionen, die virtuell sind, die aber nicht wirklich stattfinden.

Ostermann: Herr Friedrich, trotzdem zeichnet sich der nächste Konflikt in der Koalition ja schon ab, bei der Zuwanderung und Integration. Sie schlagen eine härtere Gangart ein, die Kanzlerin möchte Zuwanderer verstärkt in den öffentlichen Dienst aufnehmen. Wie passt das zusammen?

Friedrich: Also ich glaube, weder das eine noch das andere ist so in seiner reinen Form richtig. Wir haben schon immer als CSU gefordert, dass Menschen, die zu uns kommen, ins Land kommen, nicht nur die deutsche Sprache lernen müssen, sondern sich auch dieser Gesellschaft anpassen müssen. Daran hat sich nichts geändert, wir haben das auch am Parteitag in einem Integrationspapier noch mal so aufgeschrieben. Wir sind außerdem der Meinung, dass in allererster Linie, bevor wir über Zuwanderung reden, wir die Menschen qualifizieren müssen, das Potenzial nutzen müssen, das wir in Deutschland und in Europa haben. Und dazu gehört natürlich auch dann die Frage, wie gehen wir konkret in der Gesellschaft damit um, und dazu gehört natürlich auch, dass wir künftig stärker auch Polizisten mit Migrationshintergrund haben werden und Lehrer mit Migrationshintergrund haben werden, und das wird eine ganz normale Entwicklung sein, die irgendwann mal niemand mehr für sehr verwunderlich hält.

Ostermann: Aber ist das Punktesystem der Liberalen nicht ein flexibleres Instrument? Am Wochenende waren bereits von der FDP Stimmen zu hören: Wir legen Wert auf das Punktesystem und lassen uns auf andere Spielregeln nicht ein!

Friedrich: Also das Punktesystem, das es in anderen Ländern gibt, zum Beispiel in Kanada, ist dort inzwischen sehr umstritten, weil es ja nicht sehr zielgenau ist. Wir haben momentan eine Regelung in Deutschland, nach der übrigens jedes Jahr über 100.000 Menschen nach Deutschland kommen, und bei dieser Regelung wird sehr zielgenau gefragt, welche Berufsarten, welche Qualifikationen brauchen wir im Land. Das funktioniert hervorragend. Wenn Sie ein Punktesystem machen, dann holen Sie die Leute zunächst mal ins Land, ohne vorher konkret die Frage gestellt zu haben, brauchen wir die eigentlich.

Ostermann: Dies bestreiten die Liberalen. Die sagen, genau das ist zielgenau, indem man hinschaut, um was für Menschen handelt es sich, und man sucht sich dann genau die Menschen aus, die man braucht. Also die Liberalen sagen ja, genau wir argumentieren zielgenau.

Friedrich: Nein, nein. Also die Leute werden unabhängig von einer konkreten Arbeitsstelle, die sie haben, ins Land geholt. So ist das in Kanada auch. Dort stellt man fest, dass die Kriterien, die man jeweils aufstellt, wie das halt in einer planwirtschaftlichen Regelung so ist, dass die oft den eigentlichen Bedürfnissen hinterherlaufen, oft zwei, drei Jahre hinter dem zurück sind, was wirklich an Bedürfnissen auf dem Arbeitsmarkt besteht, und dann hat man inzwischen in Kanada eine höhere Arbeitslosigkeit als in Deutschland. Ich glaube, das spricht Bände.

Ostermann: Jetzt hat Horst Seehofer den Begriff der Leitkultur wieder ins Gespräch gebracht, vielleicht auch bewusst vor dem Gipfel am Mittwoch im Kanzleramt. Warum eigentlich? Denn dieser Begriff spaltet doch eher, als dass er versöhnt.

Friedrich: Also der Begriff Leitkultur wurde ja genannt vor einigen Jahren von Friedrich Merz und ...

Ostermann: Und hat eine Menge Schaden angerichtet.

Friedrich: ... hat einen Riesenwirbel ausgelöst. Inzwischen hat sich das alles beruhigt. Leitkultur heißt eigentlich nichts weiter, als dass in diesem Land, in Deutschland, in Europa insgesamt kann man sagen, eine christliche Kultur sich über Jahrhunderte gebildet hat, und diese Kultur sozusagen die Leitkultur für dieses Land ist, und wer nach Deutschland kommt, muss sich integrieren in diese Kultur. Ich glaube, das ist eine ganz normale Forderung, so wie es eigentlich auch bei allen anderen Ländern, in die man kommt, der Fall ist, dass man sich an das, was man dort vorfindet, auch zu gewöhnen und dort zu integrieren hat.

Ostermann: Hans-Peter Friedrich, der Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Herr Friedrich, danke Ihnen für das Gespräch heute früh!

Friedrich: Gerne, Herr Ostermann!