Die Gläser und Tassen der Oberpfalz

Von Adolf Stock |
Textilindustrie, Glashütten und Porzellanfabriken sind seit jeher das wirtschaftliche Rückgrat in der Oberpfalz und in Oberfranken. Die Produkte mit den klangvollen Namen wie Witt Weiden, Rosenthal oder Hutschenreuther waren der Stolz jeder Aussteuer und sind es bisweilen immer noch. Doch die Branche steckt in der Krise. Immer mehr Fabriken machen zu.
Mit welchen Konzepten wird in der strukturschwachen Region an der Grenze zu Tschechien dieser Entwicklung begegnet? Und was soll mit den nicht mehr genutzten Industriebauten geschehen? Können Denkmalschutz und Denkmalerhaltung eine positive Rolle spielen, wenn es darum geht, eine ganze Region für die Bedürfnisse des neuen Jahrhunderts umzugestalten?

In der Glashütte Lamberts im oberfränkischen Waldsassen wird nach einem jahrhundertealten Verfahren Flachglas hergestellt.

"Das was Sie hier jetzt alles so sehen, was also was wie Hohlglas ausschaut, wird später dann eben zu einer flachen Scheibe. "

Firmenchef Stephan Lamberts führt durch seine Glashütte und erklärt den Produktionsprozess. In der Halle ist es heiß und laut, jedenfalls bis mittags, wenn die Glasbläser rund um die zwei großen Schmelzöfen arbeiten. Jeweils vier bilden eine Gruppe. Es sind eingespielte Teams, bei denen jeder Handgriff sitzt.

" Jetzt bringt also der Anfänger eine schon vorgeblasene Kugel dem Meister, und der bearbeitet sie halt in verschiedenen Schritten zu einem Zylinder. In erster Linie muss er diese Kugel erst einmal aufwärmen, bis zu der nötigen Temperatur. Also das muss er alles im Gefühl haben. Ja, jetzt bläst er es vor. "

Der Anfänger ist hier kein unerfahrener Neuling, der Anfänger ist die Berufsbezeichnung für den Glasbläser, der den Produktionsprozess beginnt. Er entnimmt aus dem Schmelzofen einen rot glühenden Glaspfropfen. An der Glasmacherpfeife wird das Glas zu einem Ballon aufgeblasen, es wird gedreht und geformt und von einem erfahrenen Meister in die endgültige Form gebracht. Zum Schluss stehen lauter Glaszylinder in Reih und Glied. Sie werden später auf eine Art Bahre gelegt und der Länge nach aufgeschnitten. Dann kommen die Zylinder noch einmal in den Ofen, werden erwärmt, aufgeklappt und mit einem Holzschieber glatt gebügelt, so dass eine rechteckige Scheibe entsteht.

Produziert wird in einer Halle, die 1906 für die Bayerische Landes- Ausstellung in Nürnberg gebaut worden war. Danach wurde die mobile Holzkonstruktion wieder zerlegt und nach Waldsassen gebracht. Der außergewöhnliche Bau mit dem patentierten Holzdach erinnert an eine riesige Bahnhofshalle. Seit 1998 steht das Gebäude auf der Bayerischen Denkmalliste.

Der Firma Lamberts geht es wirtschaftlich gut. Sie produziert in einem Industriedenkmal hochwertiges Flachglas, das oft bei der Restaurierung historischer Gebäude zum Einsatz kommt. Für die Denkmalpflege sind solche Gläser unverzichtbar. Es ist ein Nischenprodukt, das von Handwerksbetrieben, Architekten und Künstlern nachgefragt wird.

Kleinere Serien, spezielle Wünsche in Bezug auf Farbe oder Struktur – alles kein Problem. 5.000 Standardfarben liegen als Muster auf Lager, und wenn das nicht reicht, wird mit Metalloxiden so lange getüftelt und probiert, bis sich der Kundenwunsch erfüllt. "Wir sind nix für die Schnäppchen-Generation", sagt Stephan Lamberts.

" Das ist ein sehr angenehmes Gefühl, dass wir also das Produkt nicht verunstaltet haben mit irgendwelchen maschinellen Methoden, was teilweise unsere früheren Mitbewerber gemacht haben. Sie haben das Produkt mehr oder weniger verraten. "

Dass die Firma Lamberts in einem Industriedenkmal produziert, freut Egon Johannes Greipl, oberster Denkmalpfleger im Freistaat Bayern. "Denkmalschutz", sagt er, "ist bei der Firma Lamberts kein Problem".

" Es ist kein besonderer Aufwand erforderlich, um diese Halle zu erhalten, sondern sie steht einfach. Und dadurch, dass sich dauernd jemand kümmert, dass das Dach in Ordnung ist und dass, wenn sich mal was lockert, das wieder festgemacht wird, ist das ist das Allerbeste. Wenn eine solche Halle genutzt wird, wenn da eine Produktion stattfindet, die auch Geld bringen muss, dann schaut jeder sehr sehr genau, dass die Halle auch in Ordnung ist. "

Auch im benachbarten Amberg wird in einem Industriedenkmal Glas produziert. Vor den Toren der Stadt stehen die berühmten Thomas-Werke, die der Architekt Walter Gropius Ende der 60er Jahre für die Firma Rosenthal entworfen hat. Die Glaskathedrale ist ein Spätwerk des Bauhaus-Gründers Walter Gropius. Sie ist eine Ikone des modernen Industriebaus. Diese Fabrik ist nicht nur dem Neuen Bauen verpflichtet, in Amberg wurde auch versucht, optimale Arbeitsbedingungen für die Glasbläser zu schaffen, sagt Detlef Knipping vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege.

" Wir haben hier eines der ganz großen Werke von Walter Gropius, was versucht, das Bauhaus-Prinzip, die Form und Funktion zusammenzubringen. Er hat versucht, das Problem der Wärme in der Glashütte in den Griff zu bekommen, durch eine natürlich Thermik, die entstehen sollte in seinem Gebäude und die Hitze, die das Hauptproblem für die Glasarbeiter natürlich darstellt, durch den First abzuleiten. Und das war die Idee, die dann auch durch die formale Gestaltung richtungweisend war. "

Die Halle mit dem steilen Satteldach steht in einer Senke. "Ich setze ein Schiff in einen grünen See", hatte Walter Gropius verkündet. Die Fabrik wurde dann ein dramatischer Bau, mit einem Mittelschiff, das an eine Kathedrale erinnert. Durch eingezogene Fensterbänder im Dach, die lamellenartig übereinander liegen, wollte der Architekt eine natürliche Thermik erzeugen, damit die heiße Luft über den Dachfirst abziehen kann. Die Stirnwände der Halle sind in voller Höhe verglast und mit riesigen Drehtüren versehen, die weit geöffnet werden können.

Die Fabrik hatte Gropius für die manuelle Glasproduktion gebaut. Heute stehen hier keine Glasbläser mehr, sondern ein gigantischer Schmelzofen mit zwei Produktionslinien.

Es zischst und rummst und glüht, wie von Geisterhand werden hier Tag für Tag 50.000 Gläser produziert.

Für die maschinelle Glasproduktion wurde die Gropius-Halle nicht gebaut, und so ist aus einer stolzen, selbstbewussten Fabrik eine triviale Maschinenhalle geworden. Der Designer Wolf Karnagel hat die Fabrikeröffnung selbst miterlebt und hat die Entwicklung verfolgt.

" … und später kam es dann dazu, dass man einen Automaten da reingestellt hat, und das ist nun wirklich ganz verkehrt, weil die kann man überall hinstellen, in irgendeine Blechkiste, und das tut’s besser als so eine Kathedrale. Die haben dann auch das Problem gehabt, dass das Glas eben nicht die Qualität sofort bekam, die sie eben brauchten. Sie mussten also Kunstgriffe anwenden, um das einigermaßen hinzukriegen, und so ist das eigentlich noch heute. "

Eine schlichte Halle mit einem fahrbaren Kran an der Decke würde für die maschinelle Glasproduktion vollauf genügen, schließlich sind solche Produktionsanlagen auf Licht, Luft und Sonne nicht angewiesen. So eine Produktionsanlage könnte überall stehen. "Klar", sagt Armin Reichelt, Geschäftsführer der Glasfabrik Amberg, "das ist das eigentliche Problem."

" Es geht immer noch in Punkto Qualität und Flexibilität, die unser Vorsprung noch sind, aber hier muss man sehen, wie sich das weiter entwickelt. Und hier müssen wir alles dransetzten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Es ist heute nicht anders möglich wie durch Rationalisierung und Personaleinsparung. "

Wer mehr über Glanz und Elend der Region erfahren will, kann sich im "Europäischen Industrie- und Porzellanmuseum" in Selb informieren. Hier, an der Bahnlinie von Hof nach Eger, steht die zweitälteste Porzellanfabrik der Stadt. 1867 gegründet, nutzte sie den Standortvorteil der Bahn. Kohle aus Mitteldeutschland und tschechisches Kaolin konnten problemlos angeliefert werden. Und mit der Bahn gingen auch die fertigen Porzellane auf Reisen, erzählt Museumsdirektor Wilhelm Siemen.

" Diese Fabrik wechselte dann 1917 den Besitzer. Philip Rosenthal der Ältere kaufte sie, und sie blieb bis 1938, bis zur Arisierung der Rosenthal-AG, im Besitz der Familie Rosenthal. Nach dem Krieg kam 1950 Philip Rosenthal der Jüngere wieder zurück aus dem Exil, setzte sich aber zum Ziel, das Unternehmen von der Formenpalette her auf moderne Maßstäbe umzubauen. "

Selb-Plößberg ist ein historischer Ort, hier haben die ersten Designer des "Studios Rosenthal" gearbeitet. Es waren vor allem skandinavische Künstler wie Björn Winblad oder Tapio Wirkkala, die damals mit einem zeitgemäßen hochwertigen Design Porzellangeschichte geschrieben haben.

1970 wurde die Produktion dann nach Selb am Rotbühl verlagert, weil die Gebäudestruktur für die modernen Tunnelöfen nicht mehr zu gebrauchen war. Die Fabrik wurde geschlossen, wechselte mehrfach den Besitzer, bis sie am Ende verfiel. Seit 1988 steht sie auf der bayerischen Denkmalliste.

" Wir haben dann gesehen, dass es wirklich eine intakte Porzellanfabrik in ihrer Struktur noch ist, wie es sie sonst in der ganzen Bundesrepublik damaliger Art nicht gab. Mit den Rundöfen zum Beispiel, mit dem Arbeiterwohnhaus direkt daneben, mit dem Bahnhof, mit dem Feuerlöschteich und mit dem Fabrikantenwohnhaus. Diese Dinge waren alle erhalten in einer wunderschönen Lage, sie repräsentiert wirklich die Geschichte der Porzellanindustrie von1840 bis etwa in die 1950er Jahre, bis dann ein kompletter Umbruch kam. "

Heute ist Wilhelm Siemen stolz, dass man in den alten Werkshallen den Prozess der Porzellanherstellung hautnah erleben kann.

Man sieht die gewaltige Dampfmaschine, und es gibt die großen Rundöfen, die bei der Porzellanherstellung üblich waren, bevor die Fließbandproduktion mit den isostatischen Pressen und den Tunnelöfen begann. Noch in den 50er Jahren wurde das Flachgeschirr gegossen und von Hand gedreht, erst dann wurde mechanisiert und rationalisiert. Designer Wolf Karnagel hat den Rationalisierungsprozess über die Jahrzehnte mit begleitet.

" Es gibt Unterschiede in der Handfertigung, da kann man natürlich wesentlich differenziertere Dinge machen, die in einer Maschine so dann nicht mehr gehen. Man muss meiner Ansicht nach sehr viel technisches Wissen haben, um mit solchen Geräten wirklich gute neue Sachen machen zu können. Aber dann sind die im Grunde genommen ganz hervorragend. Aber die Eleganz oder so, die lässt sich mit der Maschine eben nicht machen, da gibt es so viele Einschränkungen, die gemacht werden müssen, dass ich schon sage, diese Differenzierung geht nur über so eine kleinere handgefertigte oder Halb-und-halb-Technik. "

Um Nordost-Bayern als Standort für die Porzellanindustrie zu erhalten, will sich das Museum zu einem "Servicecenter" für Kultur und für die Wirtschaft entwickeln. Neue Produkte und ein innovatives Design sollen helfen, den Standort wieder etwas zu stärken.

" Unsere Region ist eine Kompetenzregion im Bereich des Porzellans und im Bereich des Porzellandesigns. Wir versuchen aber auch auf dieser Basiskompetenz aufbauend, eben eine neue Industrie, die diese Dinge brauchen kann und Anregungen von dort mitnimmt zu implementieren in diese Region. Da dient zum Beispiel auch die Zusammenarbeit mit dem Royal College of Art, also diese Zusammenarbeiten sind uns da wichtig, und so bringen Studenten, die ja nachher in den unterschiedlichsten Branchen arbeiten, die die Begabungen sind für die Zukunft im gestalterischen Bereich, bringen wir so in Kontakt mit dem Werkstoff, sagen ihnen, Mensch, daraus kannst du was machen. "

Ein kleiner Blick nach vorn in einer krisengeschüttelten Region. Dagegen beurteilt Wolf Karnagel die Zukunftschancen der Porzellan- und Glasfabrikation für die Region eher nüchtern.

" Auf die Tradition kann man sich sicher nicht verlassen. Das muss man einfach so sehen. Bevor sich die Porzellanindustrie dort angesiedelt hatte, gab es eben ganz viele handwerkliche Betriebe, Weber und dergleichen, und das hat sich ja auch erledigt. Das war für die ein Segen, dass man dort die Porzellanerde gefunden hat oder Kaolin, und dass sich dort dann eben Firmen entwickelt haben, wie Hutschenreuther, die ganz früh da waren und dort Firmen aufgebaut haben. Die haben quasi diese eine Industrie schon damals verdrängt mit einer neuen Industrie.

Und ich denke, das wird so auch in der nächsten Zeit passieren müssen, vielleicht durch die Gemeinschaft, wenn sich das ein bisschen angeglichen hat. Aber ich glaube, das dauert auch meiner Ansicht nach viele Jahre, bis das Lohngefälle zwischen zum Beispiel Tschechen und Deutschen in etwa gleich ist, dann könnte sich dort wieder was entwickeln, aber das ist im Augenblick gar nicht denkbar. "

Egon Johannes Greipl, Bayerns oberster Denkmalpfleger, nennt die Oberpfalz das "Ruhrgebiet des Mittelalters", denn in der Gegend wurde Jahrhunderte lang Erz abgebaut und Eisen produziert. Das ist lange her. Der einstige Wohlstand ist bis heute im Stadtbild der Gemeinden zu erkennen. In den Städten gibt es repräsentative Bürgerhäuser, stattliche Bürgerkirchen und prunkvolle Rathäuser. Im 19. Jahrhundert boomte dann die Region noch einmal: Dampfmaschinen wurden für die Fabriken und die Eisenbahn gebraucht und natürlich Schienen, um das Land zu vernetzen.

Die Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg war das Zentrum der bayerischen Eisenindustrie. 10.000 Menschen waren in den 60er Jahren dort in Lohn und Brot, heute sind es keine 500 mehr.

Gerd Geismann ist Erster Bürgermeister der Stadt. Auf seiner Visitenkarte steht "Aufstrebendes Mittelzentrum". Schön wär’s ja. Aber zunächst steht der Bürgermeister mit den Denkmalpflegern und dem Geschäftsführer der Maxhütte vor einem Trümmerhaufen. Er und die anderen stehen vor der eindrucksvollen Kulisse der Hochofenanlage, die bis 2002 Stahl produzierte.

Für die einen ist das nur noch ein Haufen Schrott, für andere ist der stillgelegte Hochofen ein bedeutendes Industriedenkmal, das zunächst allerdings nur nutzlos in der Gegend steht und vom Niedergang der Montanindustrie erzählt. Karl Reyzl, Geschäftsführer der Rohrwerke Maxhütte, ist weder für noch gegen das Industriedenkmal, er denkt vor allem an die Kosten.

" Bei dem Erhalt der Baudenkmäler tun wir uns ein bisschen hart. Die Unterhaltskosten allein für einen Hochofen, der allerdings schon zurückgebaut wurde, ohne die zusätzlichen Konstruktionen, da bewegen wir uns alleine hier in der Größenordnung zwischen 150.000 und 200.000 Euro pro Jahr für die Instandhaltung, nur für einen Hochofen, geschweige denn für ein ganzes Werk. "

In ihrer Not hat sich die Gemeinde professionellen Rat geholt. Der Gutachter, so Bürgermeister Gerd Geismann, hat zunächst einmal empfohlen, sorgsam mit dem kulturellen Erbe umzugehen.

" Der sagt, zwei Dinge dürft ihr nicht tun, ihr dürft die Verkehrs- und Hinweiswege und Hinweisschilder zur Maxhütte nicht verändern, die müssen bleiben. Und ihr müsst das Werk unbedingt so wie es dasteht nachts anstrahlen, damit die Menschen sehen, da ist kein schwarzes Loch, sondern da ist etwas, was erhaltenswürdig ist, was auch mit neuem Leben erfüllt werden kann. "

Denkmalpfleger Egon Johannes Greipl ist wohl derselben Meinung, dass Abrisswut bei der Lösung von Strukturproblemen auch nichts nützt.

" Das heißt, dass man nicht sagt, erst tun wir alles weg und dann schauen wir, was wir machen mit dem Gelände. Sondern dass man sagt: Aha, da steckt ein Geschichts- und Identitätswert für die Region drin, schauen wir, dass wir doch einen Teil von dieser Substanz in einer künftigen Nutzung aufheben. So wie im Marktgrafenschloss von Bayreuth, da sitzt wirklich kein Marktgraf mehr, sondern der Regierungspräsident, aber das Schloss steht noch. Und man sagt nicht: Das machen wir jetzt platt, weil wir keinen Marktgrafen mehr haben, sondern man hat gesagt, was könnte man denn mir diesem schönen wichtigen Geschichtszeugnis tun? "

Was für Schlösser und Burgen gilt, gilt auch für Industriedenkmäler. Doch wie könnte eine Umnutzung aussehen? Wie stets in solchen Fällen, hofft man auf das zukunftsträchtige Dienstleistungsgewerbe und überlegt, Kunst und Kultur an den Standort zu bringen. Günter Grass war schon da, aber auch er kann die Strukturprobleme nicht lösen.

Sulzbach-Rosenberg kämpft um den Industriestandort, denn an dem 43 Hektar großen Gewerbegebiet hängt die Identität des Stadtteils Rosenberg. Und es ist ja ein guter Standort, sagt Oberbürgermeister Gerd Geismann, hier steht einer der größten Güterbahnhöfe Bayerns, der nur reaktiviert werden müsste.

" Wir haben 30 Hektar Baugebiet, voll erschlossen mit Baurecht und Baureife, das kann man sofort erschließen, wenn der Investor da wäre. Das liegt ja an der allgemeinen Konjunktur, liegt nicht an der Stadt Sulzbach-Rosenberg oder an diesen Umständen hier. Die Arbeitskräfte, die fleißigen Menschen, die gut ausgebildeten wären auch hier. Das Denkmal selber ist der wenigste Grund, dass hier möglicherweise heute und morgen keine Arbeitsplätze entstehen. Altlasten und Konjunktur-schwäche ist meines Erachtens der Hauptgrund. "

20 bis 30 Millionen Euro werden für die Altlastensanierung veranschlagt. Auch diese Kosten müssen aufgebracht werden, bevor rund um die Maxhütte vielleicht eine neue Zukunft winkt.

Auch die Gemeinde Marktredwitz kämpft mit wirtschaftlichen Problemen, Oberbürgermeisterin Birgit Seelbinder benennt die aktuelle Situation.

" Es ist so, dass hier in diesem Raum, insbesondere im Bereich der Porzellanindustrie, der Glasindustrie und der Textilindustrie massiv Arbeitsplätze abgebaut worden sind, beziehungsweise Firmen auch geschlossen worden sind, so dass wir mehrere Brachen im Stadtgebiet haben, wie sie zum Beispiel im Bereich der Glasindustrie aber auch der Textilindustrie aber auch der Porzellanindustrie bestehen. "

Mit der geplanten Gartenschau 2006 besteht die Chance, diese Brachen wieder in den Stadtraum zu integrieren. Schon immer waren Gartenschauen eine Möglichkeit, den Stadtraum neu zu entwickeln. Das galt nach dem Krieg für den Wiederaufbau, und das gilt auch heute, wenn die Gewerbebetriebe aus der Stadt ziehen.

Pflasterer verlegen Pflastersteine am Rand der historischen Altstadt. Hier werden im nächsten Jahr die Besucher der Landesgartenschau erwartet. Birgit Seelbinder begutachtet die Baustelle auf dem ehemaligen Werksgelände der Buntweberei Benker. Ein Teil der Fabrik wird noch gewerblich genutzt, der Rest wird Landesgartenschau. Die Oberbürgermeisterin springt über Gräben und Kabel und spricht von der Zukunft.

" Wir haben diese ehemalige Textilfabrik sozusagen genommen, haben sie entkernt. Und obwohl der Betrieb noch weitergeführt wird, sind wir in der Lage, eben die Räume, die Shedhallen in die Hallenschauen der Gartenschau zu integrieren und danach haben wir vor, eben in Richtung Fachschule, Fachoberschule, Fachhochschule uns weiter zu entwickeln. Interessanterweise gibt es da Nachfragen, insbesondere aus dem chinesischen Raum. Gut, das wird man im Weiteren prüfen müssen, ganz genau weiß man das natürlich nicht, aber insofern denke ich, dass das durchaus auch eine interessante Alternative darstellt. "

Wenn China Textilien und billiges Porzellan nach Deutschland exportiert, warum nicht auch bildungswillige Menschen, die der Region wieder auf die Beine helfen? Und überhaupt Zukunft: Die geplante Landesgartenschau ist Teil eines länderübergreifenden Projekts, denn in der tschechischen Nachbarstadt Eger wird zur gleichen Zeit auch eine Gartenschau stattfinden. Die Absprache ist gewollt und entspricht der weltoffenen Überzeugung der selbstbewussten Oberbürgermeisterin, die sich schon in den 80er Jahren mit dem Verhältnis zum tschechischen Nachbarn beschäftigt hat.

" Als ich hier Oberbürgermeisterin wurde, habe ich systematisch diese Zusammenarbeit aufgebaut, denn nur das hat es überhaupt ermöglicht, dass man ein so kompliziertes Projekt wie eine gemeinsame Gartenschau, die zur selben Zeit ja stattfinden muss, eben auf die Beine stellen kann. Und ich denke, das wird uns gelingen, und ich denke, dass es in diesem Raum nur dann eine Chance gibt, wenn wir diesen Raum gemeinsam, als unseren gemeinsamen Raum ansehen und nicht gegeneinander oder getrennt. "

Zu diesem gemeinsamen Raum gehören auch die Industriedenkmäler. Die baulichen Zeugnisse aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit sind unangefochten. Rathäuser und Klöster, Schlösser und Bürgerhäuser will keiner missen, sie gehören zur Identität einer Region und sind die Stars auf den Hochglanzprospekten der Tourismuswerbung.

Die Industriedenkmäler sind die Trutzburgen unserer Zeit. Den Denkmalschutz als Feind einer notwendigen Strukturpolitik anzusehen, ist ein hartnäckiges und manchmal gefährliches Vorurteil, das im schlimmsten Fall der Region die Identität nimmt und damit die Zukunft kostet. Ob in Amberg oder Selb, ob in Waldsassen oder Sulzbach-Rosenberg, die konkreten Beispiele zeigen, dass Industriedenkmalpflege nicht die wirtschaftliche Entwicklung behindert, sondern eine krisengeschüttelte Region wirtschaftlich und mental stärken kann.