"Die Gießkanne hilft im Moment nicht"

Willi Stächele im Gespräch mit Marcus Pindur |
Der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele (CDU) hat sich gegen ein generelles Konjunkturprogramm zur Stärkung der Wirtschaft ausgesprochen. Wer glaube, mit einem solchen Programm ein "Allheilmittel" zu besitzen, sei einem Irrtum erlegen, sagte Stächele. Über gezielte, einzelne Maßnahmen könne man sich jedoch unterhalten.
Marcus Pindur: Die weltweite Finanzkrise wird sich auch auf unser Wirtschaftswachstum niederschlagen. So viel ist sicher. Wie viel Konjunktur das alles kosten wird, ist aber bisher nicht absehbar, und deswegen wird in Deutschland über ein Konjunkturprogramm debattiert. Was genau das umfassen sollte, ist aber noch hoch umstritten. Wir sprechen jetzt am Telefon mit Willi Stächele. Er ist Finanzminister in Baden-Württemberg. Guten Morgen, Herr Stächele.

Willi Stächele: Guten Morgen!

Pindur: Herr Stächele, viele Politiker in Deutschland wollen das Wort Konjunkturprogramm gar nicht in den Mund nehmen, weil es eben gleichgesetzt wird mit einem schuldenfinanzierten Strohfeuer. Wollen Sie ein Konjunkturprogramm und wenn ja, was für eines?

Stächele: Wenn man glaubt, mit einem allgemeinen Konjunkturprogramm gleich wieder ein Allheilmittel in den Händen zu halten, dann ist man schnell einem Irrtum erlegen, denn die Gießkanne hilft im Moment nicht. Vielleicht erinnert man sich jetzt einfach mal daran, dass in der vergangenen Woche ja mit dem großen Maßnahmenpaket zur Banken- und Finanzkrise ein erster wichtiger Beitrag zur Konjunkturentwicklung geleistet worden ist, denn was wir wieder brauchen ist Vertrauen - nicht nur zwischen den Banken, sondern auch Vertrauen des Konsumenten.

Wenn der Konsument vertraut und wenn er wieder bereit ist, auch Geld auszugeben, dann haben wir zumindest einen ersten Schub für unsere Konjunktur und können so auch gewisse Wachstumsschwächen wieder korrigieren. Ich erinnere gerne daran, dass wir im Moment ja die höchste Sparquote haben. Die ist ja wiederum auch angestiegen von 10,8 Prozent auf über 11 Prozent. Also da Vertrauen schaffen und ich denke, es ist mit der Handlungsfähigkeit, die die Politik in der vergangenen Woche bewiesen hat, schon ein Grund für mehr Konsumentenvertrauen gelegt. Also der erste Schub ist schon mal da.

Pindur: Das wäre ein erster Schritt, der bereits beschritten worden ist. Selbst die SPD-Linke will ja kein klassisches Konjunkturprogramm aus der Gießkanne. Die SPD-Vize Andrea Nahles hat jetzt zum Beispiel vorgeschlagen, Investitionen in Wärmedämmung bei Wohnhäusern stärker steuerlich zu fördern. Könnten Sie sich mit solchen gezielten Maßnahmen auch anfreunden?

Stächele: Ja. Sicherlich kann man sich unterhalten über gezielte Maßnahmen. Allerdings warum nicht zunächst das Naheliegendste? Das Naheliegendste wäre in der Tat die großzügigere Berücksichtigung der Beiträge zur Krankenversicherung, die ja nun vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben ist, vielleicht um ein Jahr vorzuziehen. Das ist ein aktuelles Diskussionsthema, und ich denke, man sollte darüber nachdenken. Es ist sicherlich mit einer Belastung für die öffentlichen Haushalte von um die neun bis zehn Milliarden ein gewaltiger Brocken, aber so wir denn wissen, dass dies eine unabdingbare Maßnahme für das Jahr 2010 sein wird, ernsthaft zu diskutieren, ob wir diese Maßnahme vorziehen und damit einen zweiten Schub geben, sind diese gezielten Maßnahmen im Gespräch.

Ich könnte mir vorstellen, wenn man denn die KFZ-Steuer von den Erträgen her und von der Kompetenz her zum Bund gibt, dass man auch dort neue Flexibilität hat und dann auch das verwirklichen kann, was auch schon politische Absicht ist, nämlich den Neukauf von KFZ zu befördern - und zwar nicht im Sinne der Gießkanne, sondern Befördern im Sinne der Reduktion von CO2. Das wäre ein Punkt, über den man gleichermaßen nachdenken könnte, aber wie gesagt nicht überborden, denn wir alle haben nach wie vor den Grundsatz und die Pflicht, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren.

Pindur: Aber dennoch plädieren Sie für Steuer- und Abgabensenkung als eine bessere Maßnahme, um die Konjunktur wieder in Schwung zu kriegen, als mit flächendeckenden Investitionsprogrammen?

Stächele: Ich denke über das nach, was geboten ist und vielleicht auch vorgezogen werden könnte. In Sachen Krankenversicherung ist dies das ganz konkrete Beispiel. Daran führt kein Weg vorbei. Also die Frage, ob man im Interesse der Konjunktur, im Interesse des Wachstums dieses um ein Jahr vorzieht. Und ansonsten ganz zielgerichtet, nur keine Gießkanne, denn das können wir uns wirklich nicht leisten. Das ist ein Ansatzpunkt, der ja auch schon bereits in dieser Woche im Bundeskabinett beraten wird, und wir werden unsererseits auch in den politischen Gremien des Landes darüber zu befinden haben.

Pindur: Auch das muss dann im Endeffekt gegenfinanziert werden, und das sollte natürlich nicht mit neuen Schulden gemacht werden, sondern durch Einsparungen. Wo könnten denn die Länder dazu beitragen, denn das ist ja wohl auch eine gemeinschaftliche Aufgabe, genauso wie das Finanzrettungspaket?

Stächele: Wir haben Gott sei Dank jetzt im Moment Steuermehreinnahmen im Jahr 2008 und die sinnvoll einbringen in diese Konjunkturentwicklung, das ist sicherlich jetzt eine Aufgabe, der wir uns gerne stellen. Wir, das Land Baden-Württemberg, haben bereits entschieden, dass wir von diesen Mehreinnahmen alleine 530 Millionen Euro in Bildungsausgaben fließen lassen, das heißt also ganz konkret auch hier ein Schub in mannigfacher Form, in Investitionen, aber auch in Personal, in Sachmittel. Also kurzum: Wir haben ja die Möglichkeit - robuste Wirtschaft, gute Konjunktur, gute Steuereinnahmen, und wir sollten uns darauf besinnen und sie jetzt so einsetzen, dass sie auch wirklich konjunkturförderlich dienen.

Pindur: Vielen Dank für das Gespräch!

Stächele: Gerne. Danke schön.

Pindur: Willi Stächele. Er ist Finanzminister des Landes Baden-Württemberg.