Die Geschichte des Parkhauses

09.08.2011
Parkplätze auf Brachflächen verschandeln so manches Stadtquartier, Parkhäuser sind häufig schlicht hochgestapelte Betonkolosse und Tiefgaragen führen uns in mehr oder weniger unheimliche Unterwelten. Der Bauhistoriker Joachim Kleinmanns hat sich dieser "ungeliebten Notwendigkeit" jetzt in einem Buchangenommen.
Das Auto hat früher auch mal schöner gewohnt, aber Architekturhistoriker Joachim Kleinmanns konstatiert das in seinem neuen Buch "Parkhäuser. Geschichte einer ungeliebten Notwendigkeit" rein sachlich. Gewiss, die ersten Garagen – wie etwa sein Favorit, die französische Garage de la Societé Ponthieu-Automobiles, 1907 von Auguste Perret im 8. Pariser Bezirk, Rue de Ponthieu Nummer 51 erbaut – beschreibt der Autor als "Kathedralen des Fortschritts". Kleinmanns bedauert, dass dieses historische Bauzeugnis 1970 abgerissen wurde. Als energischer Verfechter einer Politik des Stehenlassens ist er gegen die Auslöschung selbst eklatanter Bauscheußlichkeiten aus den 50er- und 60er-Jahren.

Die Nüchternheit der Hochgaragen jener Zeit nennt er "angemessen" und verblüfft mit Aussagen wie dieser: Dass es mehr und mehr Garagen in den Innenstädten gegeben habe und gebe, sei nicht Schuld des Autos, sondern jener Autofahrer, die ins Zentrum hineinfahren wollten. Dorthin also, wo die Kinos und Kaufhäuser liegen, und also dorthin, wo Baugrund teuer ist und man darum auf die Idee kommt, die Kraftwagen – wie schon zuvor die Menschen – übereinander zu stapeln.

Doch obwohl das Buch knappe soziologische Bemerkungen zumindest einschließt, ist es keine Kulturgeschichte des Parkhauses, sondern eher ein Buch für architekturhistorisch interessierte Leser mit einer Neigung zu Hoch- und Tiefbau. Ausführlich zitiert etwa wird aus Standardorganen der Zunft wie "Beton- und Stahlbau", "Bauwelt", dem New Yorker "Architect's and Builder's Magazine", AIT, "Architektur, Innenarchitektur, Technischer Ausbau".
Da müssen Kaschierungen an offenen Fassaden eines Parkhauses von den Denkmalschutzbehörden verhindert werden. Da geht es um Fassadengliederungen, Geschosshöhen und die bautechnische Funktion von Wellblechverkleidungen (keine). Kleinmanns weist nach, dass heutige Parkhausarchitekten auf die Geschichte dieses Gebäudetyps Bezug nehmen.

Man lernt, welche dramatischen Effekte verschiedenfarbige Klinkersorten bei Stürzen, Sockeln und Konsolen erzielen können. Was aber zählt, ist die überbaute Fläche im Verhältnis zur Anzahl der Stellplätze – Schnitt sind brutto 50 Quadratmeter pro Stellplatz. Das kommt dem ahnungslosen Autofahrer etwas viel vor und auch Kleinmanns nennt das einen schlechten Wert. Sind getrennte Wendelrampen für Auf- und Abfahrt besser oder Turmgaragen – die schon Ende der 20er-Jahre der magischen Zahl von eintausend parkenden Autos Platz boten? Und was war das erste Parkhaus mit freier Aufstellung in Deutschland? Die Stuttgarter "Schwabengarage" von 1926.

Die architektonische Erzählung des Buches ist sehr genau und sehr faszinierend. Nur mit manchen Schlüssen wird man nicht glücklich. So votiert der Autor etwa für die schmucklose Modernität der Nachkriegsparkhäuser, weil darin eine lobenswerte Antikonstruktion zu allem, was unter den Nationalsozialisten gebaut wurde, zu erkennen sei.

Und genauso merkwürdig ist seine Aussage, dass Frauen in Parkhäusern häufig Ängste ausstünden, sei nicht den Gebäuden anzulasten, sondern der Tatsache, dass Männer sie generell belästigten und bedrohten. Ja und nein! Sollte das Automobilzeitalter einmal zu Ende gehen, überleben die Garagen, deren Fassaden künstlerisch gestaltet sind, eher, so Kleinmanns' Forschungen, und wenn sie zu Lofts werden. Er sympathisiert jedoch mit Stränden auf Parkhausdächern. Mit besonderem Stolz präsentiert er einen ganz anderen Fall von Umnutzung zur Erhaltung. Der Michigan Palace in Detroit stellt ein Theater dar, dass 1976 in ein Parkhaus umgewandelt wurde.

Besprochen von Wiebke Hüster

Joachim Kleinmanns: Parkhäuser. Architekturgeschichte einer ungeliebten Notwendigkeit
Jonas Verlag, Marburg 2011
208 Seiten, 20 Euro