Die Geschichte der Seuchen
Der Titel der Schau "Gotts verhengnis und seine straffe" in der Wolfenbütteler Herzog August Bibliothek ist einer Luther-Schrift für die Bezeichnung von Seuchen entlehnt. Gezeigt werden historische Exponate wie Pestfahnen. Außerdem wird eine Brücke in die Gegenwart zu Infektionskrankheiten wie Aids und Sars geschlagen.
Ein betagtes Stück Stoff, etwa so groß wie eine Einkaufstüte: Auf dem dunklen Tuch, in schon brüchiger Ölfarbe, ein bleicher Totenkopf, direkt darunter zwei gekreuzte Knochen. Keine Piratenflagge, sondern: eine jahrhunderte alte Pest-Fahne. Sie diente einst als Warnsignal, aufgehängt an Häusern von Erkrankten.
Nur ein paar Schritte weiter eine mannsgroße Puppe in historischen Kleidern, höchst seltsam anmutend: Kein Stück Haut unbedeckt, von Kopf bis Fuß alles in Schwarz, auch der breitkrempige Hut. Stutzen aber lässt vor allem die schnabelartige Gesichtsmaske. Wie ein Vogel-Mensch, denkt man, und irrt. Es ist der nachgeschneiderte Schutzanzug eines Pest-Arztes.
Diese Puppe und die Fahne - nur zwei von diversen Exponaten der heute eröffneten Ausstellung im niedersächsischen Wolfenbüttel. Die läuft dort in einer der international renommiertesten Bücher-Stätten. Ein Haus, in dem abertausende wertvoller alter Druckwerke stehen, und das ehemals unter anderem vom Aufklärer Gotthold-Ephraim Lessing geführt wurde: Die Rede ist von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Forschungs- und Studienstätte für europäische Kulturgeschichte.
An solch einem Ort eine Seuchen-Schau zu präsentieren, ist schon etwas ungewöhnlich. Das räumt auch der Bibliotheksdirektor Helwig Schmidt-Glintzer ein.
Ist die Ausstellung nur kultur- und literaturhistorisch interessant? Keineswegs, sagt Schmidt-Glintzer. Es scheine so, als kehrten mit den Pest-Ausbrüchen in Indien und den Cholera-Epidemien in Südamerika die großen Seuchen wieder zurück, meint er. Zudem lösten auch neue Infektionskrankheiten wie Aids und Sars Angst und Panik aus - wie früher eben die Pest oder die Pocken.
Was haben solche Heimsuchungen damals für die Menschen bedeutet? Wie haben sie derartige Katastrophen verarbeitet? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen resultierten daraus? Was gab´s an medizinischen Fortschritten? Diese und andere Fragen greift die Wolfenbütteler Ausstellung auf. Nicht nur, aber überwiegend anhand schriftlicher Quellen – vom Anfang des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts reichend. Aus dieser Zeit gebe es in Fülle und Breite sehr eindrucksvolles Material zum Thema Seuchen, so Petra Feuerstein-Herz, die die Schau konzipiert hat.
Genannt hat man diese Ausstellung zur Geschichte der Seuchen in der frühen Neuzeit übrigens "Gottes Verhängnis und seine Strafe". Ein Titel, entlehnt aus einer Schrift Martin Luthers, in der der Reformator die hochgefährlichen Krankheiten als Glaubensprüfung und eben Strafe deutete.
Es sei keine Gottesstrafe gewesen. Vielmehr habe der Mensch damals durch sein Tun und Unterlassen kräftig dazu beigetragen, freilich meist noch unwissentlich, dass die Epidemien derart schlimm wüten konnten.
So heute Reinhard Kurth, Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin und Berater der Bundesregierung in Sachen Seuchenbekämpfung. Der Virologe und Mediziner machte in Ergänzung zur Ausstellung einen Brückenschlag in die Gegenwart. Und der stimmte recht nachdenklich.
Reinhard Kurth zufolge sind Infektionskrankheiten nämlich international wieder auf dem Vormarsch. Dies vor dem Hintergrund, dass sie ohnehin schon hohen Anteil haben an den globalen Sterbe-Ursachen, wenn man sich die entsprechenden Statistiken betrachte.
Die drei größten Killer heutzutage, so Reinhard Kurth, seien Malaria, Tuberkulose und Aids. Und zur harmlos klingenden, jedoch gleichfalls gefährlichen Vogel-Grippe meinte der Berliner Wissenschaftler: Dass sie kommen werde, stehe außer Frage. Nur wann und in welcher Ausdehnung sei noch offen.
Insgesamt habe die Menschheit trotz allen Fortschritts die Infektionskrankheiten noch keineswegs besiegt, führte Kurth weiter aus, betonte dabei aber auch, er wolle nicht als Kassandra-Rufer erscheinen.
Die Ausstellung "Gotts verhengnis und seine straffe" - Seuchen ist vom 14. August bis 13. November 2005 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zu sehen.
Nur ein paar Schritte weiter eine mannsgroße Puppe in historischen Kleidern, höchst seltsam anmutend: Kein Stück Haut unbedeckt, von Kopf bis Fuß alles in Schwarz, auch der breitkrempige Hut. Stutzen aber lässt vor allem die schnabelartige Gesichtsmaske. Wie ein Vogel-Mensch, denkt man, und irrt. Es ist der nachgeschneiderte Schutzanzug eines Pest-Arztes.
Diese Puppe und die Fahne - nur zwei von diversen Exponaten der heute eröffneten Ausstellung im niedersächsischen Wolfenbüttel. Die läuft dort in einer der international renommiertesten Bücher-Stätten. Ein Haus, in dem abertausende wertvoller alter Druckwerke stehen, und das ehemals unter anderem vom Aufklärer Gotthold-Ephraim Lessing geführt wurde: Die Rede ist von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Forschungs- und Studienstätte für europäische Kulturgeschichte.
An solch einem Ort eine Seuchen-Schau zu präsentieren, ist schon etwas ungewöhnlich. Das räumt auch der Bibliotheksdirektor Helwig Schmidt-Glintzer ein.
Ist die Ausstellung nur kultur- und literaturhistorisch interessant? Keineswegs, sagt Schmidt-Glintzer. Es scheine so, als kehrten mit den Pest-Ausbrüchen in Indien und den Cholera-Epidemien in Südamerika die großen Seuchen wieder zurück, meint er. Zudem lösten auch neue Infektionskrankheiten wie Aids und Sars Angst und Panik aus - wie früher eben die Pest oder die Pocken.
Was haben solche Heimsuchungen damals für die Menschen bedeutet? Wie haben sie derartige Katastrophen verarbeitet? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen resultierten daraus? Was gab´s an medizinischen Fortschritten? Diese und andere Fragen greift die Wolfenbütteler Ausstellung auf. Nicht nur, aber überwiegend anhand schriftlicher Quellen – vom Anfang des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts reichend. Aus dieser Zeit gebe es in Fülle und Breite sehr eindrucksvolles Material zum Thema Seuchen, so Petra Feuerstein-Herz, die die Schau konzipiert hat.
Genannt hat man diese Ausstellung zur Geschichte der Seuchen in der frühen Neuzeit übrigens "Gottes Verhängnis und seine Strafe". Ein Titel, entlehnt aus einer Schrift Martin Luthers, in der der Reformator die hochgefährlichen Krankheiten als Glaubensprüfung und eben Strafe deutete.
Es sei keine Gottesstrafe gewesen. Vielmehr habe der Mensch damals durch sein Tun und Unterlassen kräftig dazu beigetragen, freilich meist noch unwissentlich, dass die Epidemien derart schlimm wüten konnten.
So heute Reinhard Kurth, Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin und Berater der Bundesregierung in Sachen Seuchenbekämpfung. Der Virologe und Mediziner machte in Ergänzung zur Ausstellung einen Brückenschlag in die Gegenwart. Und der stimmte recht nachdenklich.
Reinhard Kurth zufolge sind Infektionskrankheiten nämlich international wieder auf dem Vormarsch. Dies vor dem Hintergrund, dass sie ohnehin schon hohen Anteil haben an den globalen Sterbe-Ursachen, wenn man sich die entsprechenden Statistiken betrachte.
Die drei größten Killer heutzutage, so Reinhard Kurth, seien Malaria, Tuberkulose und Aids. Und zur harmlos klingenden, jedoch gleichfalls gefährlichen Vogel-Grippe meinte der Berliner Wissenschaftler: Dass sie kommen werde, stehe außer Frage. Nur wann und in welcher Ausdehnung sei noch offen.
Insgesamt habe die Menschheit trotz allen Fortschritts die Infektionskrankheiten noch keineswegs besiegt, führte Kurth weiter aus, betonte dabei aber auch, er wolle nicht als Kassandra-Rufer erscheinen.
Die Ausstellung "Gotts verhengnis und seine straffe" - Seuchen ist vom 14. August bis 13. November 2005 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zu sehen.