Die Gelbwesten und die Medien

Hass auf Journalisten

In Paris protestieren Anhänger der sogenannten "Gelbwesten", im Hintergrund ist ein Bürogebäude zu sehen.
Protest der Gelbwesten am 29. Dezember 2018 vor dem Hauptgebäude des Fernsehsenders "BFMTV" in Paris. © picture alliance/dpa/Foto: Michel Stoupak
Von Marcel Wagner · 18.01.2019
Die Protestbewegung der Gelbwesten in Frankreich hat es zu internationaler Bekanntheit gebracht. Auch, weil Medien massiv darüber berichten. Trotzdem werden Journalisten bei den Demonstrationen vielfach angegriffen.
Es waren erschreckende Bilder, die eine Lokalzeitung über Twitter verbreitet hatte: Am Rande einer Gelbwesten-Demo im nordfranzösischen Rouen schlägt und tritt ein Mob auf Sicherheitsleute ein, die ein Kamerateam des französischen Fernsehsenders LCI schützen sollten. Das Team selbst hatte sich gerade noch vor den Demonstranten in Sicherheit bringen können. Ein Einzelfall? Mitnichten, beklagt Francois Pitrel, Sprecher des Journalistenrates beim Informationssender BFMTV:
"Wir hatten mehrere Fälle tätlicher Übergriffe auf Journalisten. Wir haben bei der Polizei mittlerweile etwa zehn bis 15 Anzeigen erstattet, wegen physischer Angriffe auf Journalisten."


BFMTV ist aktuell der Informationssender in Frankreich. Nachdem die Gewalt bei Demonstrationen der Gelbwesten in Paris eskaliert war, waren die Reporterinnen und Reporter im Dauereinsatz, berichteten manchmal pausenlos live von besetzten Kreisverkehren, von Demonstrationen, aus Versammlungen der sogenannten Gelbwesten. Praktisch von Beginn an sei den Kolleginnen und Kollegen dabei teils offener Hass entgegengeschlagen, berichtet Francois Pitrel:
Das Foto zeigt Demonstranten in gelben Warnwesten vor dem Sitz von France Télévisions, dem öffentlich-rechtlichen Sender in Paris. Ihnen gegenüber stehen Polizisten der Sondereinheit CRS.
Protest der Gelbwesten vor dem Sitz von France Télévisions, dem öffentlich-rechtlichen Sender in Paris.© AFP / Zakaria Abdelkafi
"Ein radikalisierter Teil der Protestierenden denkt, dass die Medien Teil der Probleme sind, die den Franzosen im Alltag begegnen. Sie glauben, dass die Medien für die Regierung seien. Was völlig falsch ist, denn die Regierung wiederum wirft uns vor, wir würden zu viel über die Gelbwesten berichten."

Das "Volk" fühlt sich unverstanden

Viele in der Bewegung glauben auch, die Medien hätten nicht ausreichend über die Probleme der Bevölkerung berichtet. Eine der wichtigsten Forderungen der Gelbwesten lautet, dem, was sie als "le peuple", "das Volk" verstehen, die Herrschaft im Lande zurückzugeben. Politiker und Medien werden beschuldigt, gegen dieses Volk zu arbeiten, was aus Sicht eines radikalen Teils der Bewegung Gewalt gegen sie rechtfertigt. Eine Entwicklung, die den bekannten Radio- Und Fernsehmoderator Thomas Sotto kürzlich zu einer drastischen Schlussfolgerung veranlasste:
"Das Verhalten dieser Leute, ob sie eine gelbe Weste tragen oder nicht, ist ein Verhalten, dass wir sonst aus Diktaturen kennen, es sind Angriffe auf die Demokratie. Faschistisch? Ja, es ist faschistisch!"
Sagte Sotto in einer Fernsehdiskussion. Auch bei BFMTV würden die massiven Anfeindungen intern für heftige Diskussionen sorgen, berichtet Francois Pitrel. Kürzlich hätten die Kolleginnen und Kollegen sich sogar einen Tag lang geweigert, live von Aktionen der Gelbwesten zu berichten. Auch der Umfang der Berichterstattung werde hinterfragt. Andererseits sei allen klar, dass einer solchen Bewegung auch medialer Raum zustehe.
"Eine Bewegung wie die der gelben Westen ist so noch nie dagewesen. Deshalb elektrisiert sie die Franzosen. Bei einer Präsidentschaftswahl berichten wir schließlich auch massiv. Niemand würde uns das zum Vorwurf machen."

Gelbwesten und Medien profitieren voneinander

Arnaud Mercier hat die Bewegung der Gelbwesten von Anfang an eingehend beobachtet. Der Soziologe und Medienspezialist ist der Überzeugung, dass bei allen Anfeindungen gegenüber den Medien durch Teile der gelben Westen am Ende allerdings beide Seiten vom spannungsgeladenen Verhältnis profitieren würden:
"Die Bewegung der Gelbwesten ist zunächst außerhalb des klassischen Medienraumes entstanden. Dann haben die Medien über sie berichtet und das hat quasi wie ein Booster für die Wahrnehmbarkeit und Mobilisierung gewirkt. Gleichzeitig ist BFMTV erstmals in seiner Geschichte der zweitstärkste Sender Frankreichs im Nachmittagsprogramm geworden und hat einen Zuschauerrekord aufgestellt."


Die Verachtung gegenüber den Medien hält manchen Vertreter der Gelbwesten keineswegs davon ab, diese für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Eric Drouet, eine der schillerndsten Figuren der Gelbwesten-Bewegung, der auf Facebook immer wieder mit zweifelhaften Kommentaren und Aufrufen von sich reden macht, wurde kürzlich unter den Augen vieler Reporter in Paris verhaftet. Er hatte trotz Platzverbotes zu einer unangemeldeten Demonstration aufgerufen. Im Nachhinein rühmte er sich auf Facebook, die Verhaftung bewusst provoziert und die Medien so instrumentalisiert zu haben.
Demonstranten in Paris stehen in einer Wolke von Tränengas, das von Polizisten während eines "Gelbwesten"-Protests eingesetzt wurde.
Zusammenstöße bei erneuten Gelbwesten-Protesten in Paris.© Kamil Zihnioglu/AP/dpa
"Das war alles programmiert, gewollt, um zu zeigen, dass die Regierung autoritär ist. Und dass man die Medien bedienen muss, weil man sich in einem medialen Krieg befindet."

Facebook hat zur Radikalisierung beigetragen

Analysiert Arnaud Mercier. Der Wissenschaftler hat sich intensiv mit der Rolle sozialer Medien bei der Entstehung und Verbreitung der Gelbwesten-Bewegung beschäftigt. Insbesondere die Nutzung von Facebook habe die Protestbewegung massiv verstärkt und zur Radikalisierung beigetragen, so sein Urteil:
"Facebook hat in seinem Algorithmus die Wertigkeit medialer Informationsinhalte stark gesenkt, zu Gunsten vor allem der Inhalte von Freunden und Gruppen. Dadurch wurden die Gelbwesten deutlich sichtbarer."
Mittlerweile würden sich die Gelbwesten wie in einer Blase bei Facebook ständig gegenseitig bestärken und dabei teilweise bewusst manipuliert. Mit Kritik oder geprüften Fakten würden sie in dieser Blase dagegen kaum konfrontiert, so Arnaud Mercier. Eine noch weitere Radikalisierung eines Teiles der Gelbwesten auch gegenüber den Medien sei daher nicht ausgeschlossen, fürchtet der Forscher.
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