Die Geigerin Ida Haendel (1928-2020)

Ein Ton voller Hitze und Glut

"Ich bin dazu da, dem Komponisten zu dienen": Ida Haendel, hier 1989 in München, pflegte ein Repertoire von Johann Sebastian Bach bis Allan Pettersson
Ida Haendel: „Ich bin dazu da, dem Komponisten zu dienen." Hier 1989 in München. © imago images / Michel Neumeister
Moderation: Ruth Jarre · 03.01.2021
Meisterwerke, Virtuosenstücke, Altes, Neues: Die Geigerin Ida Haendel widmete sich der Musik mit flammendem Ernst. Erinnerungen an eine Jahrhundertmusikerin, die den Komponisten Gehör verschaffen wollte.
Was für ein Finale! Der Geiger David Oistrach, 27 Jahre alt, konkurriert 1935 in Warschau um den 1. Platz beim Wieniawski-Wettbewerb, aber die Jury gibt der 16-jährigen Ginette Neveu den Preis. Immerhin, zwischen diesen Geigengenies des Jahrhunderts ist noch Platz für ein Kind, das zwar keinen Preis, aber eine Einladung zum polnischen Staatspräsidenten erhält: Ida Haendel, sieben Jahre alt. Es ist der Auftakt zu einer grandiosen Laufbahn.

Hier geht es zur Playlist der Sendung.

Einige Jahre später siedelt die Familie aus Polen nach Großbritannien über; Ida Haendel wird dort von Carl Flesch unterrichtet, der zunächst etwas Merkwürdiges feststellt: Die junge, schon so erfolgreiche Polin, spielt ausschließlich nach Gehör! Ein strenges Studium schließt sich an, Haendel nennt die Methode ihres Lehrmeisters "chirurgisch" und geht später, zu Fleschs Missfallen, nach Paris, um sich bei dem Komponisten und universellen Musiker George Enescu den letzten Schliff zu holen.


Enescu ist auch beispielhaft für Ida Haendels Repertoire: Musik der Romantik, der frühen Moderne und ihrer Gegenwart bestimmten ihre Programme. Mit grenzenloser Neugier setzte sie sich für Benjamin Britten und William Walton ein – englische Musik lag ihr, die 1939 britische Staatsbürgerin geworden war, besonders am Herzen.

Energie und Ernst

Aber auch Max Regers sperriges Violinkonzert nahm sie als Herausforderung an, ganz zu schweigen von dem 2. Violinkonzert, das Allan Pettersson, der radikale Einzelgänger aus Schweden, für sie komponierte.
Diese kleine, energiegeladene und tiefernste Person, die als eine der ersten Frauen in ihrem Metier eine große Karriere machte, muss größte Überzeugungskraft besessen haben. So brachte sie den von ihr besonders verehrten Dirigenten Sergiu Celibidache 1953 dazu, sie mit dem London Symphony Orchestra im Violinkonzert von Johannes Brahms zu begleiten – es blieb die letzte Studioaufnahme, die der Schallplattenverächter dirigierte.

Die Behauptung des Einzelnen gegenüber dem Kollektiv, die Pettersson in seinem monumentalen Konzert in besonders drastischer Weise auskomponierte – sie könnte ein Motto von Haendels Musizieren gewesen sein, in dem Kammermusik eine erstaunlich geringe Rolle spielte. Doch hat sie auch hier, etwa mit dem Pianisten Vladimir Ashkenazy, Erstaunliches und unbedingt Hörenswertes geleistet.
Eine ältere Frau mit langen Haaren lacht jemanden an.
„Ich möchte, dass die Menschen zuhören.“ Hier 2011 im tschechischen Pilsen.© imago images / CTK Photo
Diese Sendung ehrt Ida Haendel, die im vergangenen Sommer im Alter von 91 Jahren in Miami gestorben ist. Unser Studiogast Harald Eggebrecht kennt nicht nur Haendels imponierende Diskographie, sondern ist dieser Jahrhundertkünstlerin der Violine auch mehrfach persönlich begegnet und hat mit ihr in der Jury des ARD-Wettbewerbs zusammengearbeitet.
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