Die Gefahr ist groß, dass Stoiber petzt

Von Michael Watzke, Landesstudio Bayern |
Edmund Stoiber zu kritisieren, ist leicht und billig. Man wirft ihm einfach Größenwahn vor und spielt belustigt noch einen seiner klassischen Verhaspler. Hätte man seinen Auftritt heute im Untersuchungsausschuss mitschneiden dürfen – es wäre zur Stoiberschen Pannensammlung noch das Wort "due diligence" gekommen. Stoiber verhackstückte es in seiner Aufregung zu "julididschenz".
Vielleicht hat die wohlfeile Kritik an Stoiber damit zu tun, dass man den Klassenprimus nicht mag. Man ist unterschwellig neidisch auf ihn. Unter Stoiber, das ist unbestritten, stieg Bayern zur Nummer eins auf. Nicht in Deutschland, sondern europaweit. Das ist auch und nicht zuletzt Stoibers Verdienst. Er hat Bayerns Entwicklung mit richtigen Entscheidungen, viel Sachverstand und noch mehr harter Arbeit gefördert. Trotzdem wirkte Stoiber dabei immer wie ein Streber. Einer, neben dem man im Klassenraum nicht sitzen möchte. Oder höchstens, um mal bei ihm abzuspicken. Eigentlich ist das ungerecht.

Aber heute, im BayernLB-Untersuchungs-Auschuss, bewies Stoiber, warum man sich nicht gern neben ihn setzt. Denn die Gefahr ist groß, dass Stoiber petzt. Dass er alles Gute, Schöne, Erfolgreiche sich selber zuschreibt. Aber wenn mal was schief geht – dann sind andere Schuld.

Stoiber hat schon einmal gepetzt. Beim LWS-Skandal 1999. Damals hatte die staatliche Landeswohnungsgesellschaft LWS 300 Millionen Mark in ostdeutschen Immobilien verzockt. Peanuts im Vergleich zu den 3,7 Milliarden Euro, die die BayernLB bei ihrem Kärntner Abenteuer verbrannte. Stoiber zog damals den Hals aus der Schlinge, indem er als Sündenbock Alfred Sauter präsentierte. Der Justizminister saß erst im LWS-Aufsichtsrat und dann in Edmund Stoibers legendärer Pressekonferenz. Sauter setzte sich zu den Journalisten und schaute in stummem Protest zähneknirschend zu, wie er geopfert wurde. Wären Sauters Kiefer damals Kontinentalplatten gewesen, das Geologische Institut München hätte eine Erdbebenwarnung herausgegeben.

Diesmal ist der Sündenbock der frühere Finanzminister: Kurt Faltlhauser. Der schöne Kurt ist eitel genug, die Schuld gern auf sich zu laden. Er, der BayernLB-Verwaltungsrat, sah sich nämlich als obersten Bankstrategen, der mit der BayernLB jahrelang fette Gewinne einfuhr – zum Wohle des Steuerzahlers. Da kann eben auch mal was schiefgegangen. So ist das in der Wirtschaft, sagt Falthauser. Mal hast Du Glück, mal hast Du Pech.

So hätte heute auch Edmund Stoiber reagieren können. Ja, wir haben Fehler gemacht. Auch ich, der Ministerpräsident a. D. Und Ihr, liebe Bayern-SPD, ihr habt ja damals genauso zugestimmt. Ich bin genauso wenig fehlbar wie ihr. Stattdessen aber will Stoiber mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Er, der personifizierte Leitz-Ordner, der sich auf gut bayrisch um jeden Furz im Freistaat kümmerte, er will bei der größten Landesbank-Transaktion seit dem Zweiten Weltkrieg seine Finger nicht im Spiel gehabt haben? Erstens glaubt ihm das sowieso keiner. Und zweitens widersprach sich Stoiber heute im Ausschuss gleich mehrfach. Das gaben hinter vorgehaltener Hand sogar CSU-Parteifreunde zu.

Horst Seehofer hat aus dem Stoiberschen Strebertum gelernt. Neulich, in der Umfrage-Affäre mit der FDP, stellte sich Seehofer demonstrativ vor seinen Staatskanzleiminister Schneider. Nicht hinter ihn. Wenn hier einer zurücktrete, dann er und nicht Schneider, sagte Seehofer. Er weiß nämlich: Die bayerischen Wähler mögen so was viel lieber als alte Petzen.