Die gefährdete Frucht

Von Annegret Faber |
Man kann Marmelade, Schnaps oder Tee daraus herstellen, aber in purer Form ist der Wildapfel ungenießbar. Dennoch ist der seltene Baum wichtig für die genetische Vielfalt. Wir haben Menschen begleitet, die sich für seinen Erhalt einsetzen.
"Hier haben wir einen leckeren Wildapfeltee. Der Wildapfel ist ja der Baum des Jahres in diesem Jahr und deswegen haben wir mal ausprobiert, mit Wildäpfeln einen Tee zu machen und den können wir jetzt mal kosten."

Der Tee riecht und schmeckt stark nach getrockneten Apfelscheiben. Roh sollte man von der walnussgroßen Frucht die Finger lassen, erklärt die Geschäftsführerin Birgitt Krummhaar vom Förder- und Landschaftspflegeverein Biosphärenreservat "MittelElbe".
"Die schmecken sehr streng."

Wildäpfel sind sehr sauer. Für Gelee, Schnaps, Marmelade oder Tee seien sie gut, aber nicht, um sie roh zu essen. Das sollte man den Wildschweinen überlassen.

"…die mögen den gerne, aber für uns jetzt nicht."

Warum ist es dann so wichtig, den Wildapfel zu erhalten? Und wieso soll es ihn nicht mehr geben? Gerade haben wir doch Tee aus Wildäpfeln getrunken. Wir fahren an die Elbe. In den Elbauenwäldern in Sachsen Anhalt soll es den Baum noch geben. Heike Fischer, Mitarbeiterin beim Landschaftspflegeverein, hat alle Exemplare kartiert und kennt die Daten jedes Baumes. Schon nach wenigen Metern hat sie den ersten Wildapfelbaum gefunden und holt ein GPS-Gerät aus der Tasche.

"Die Bäume werden alle eingemessen. Also er hat eine Höhe von 16,5 Metern, einen Durchmesser von 30,6 Zentimetern. In der Vitalität ist er eingestuft mit einer eins, also er ist nicht mehr ganz vital."

Der Baum steht unauffällig mitten im Auwald. Verglichen mit anderen Wildäpfeln ist er mit 16 Metern sehr groß. Wildäpfel, die auch Holzäpfel genannt werden, erreichen gewöhnlich eine Höhe von fünf bis zehn Metern, selten darüber. Dieses Exemplar ist schon sehr alt und hat zwei schmale Stämme, die krumm aus der Erde wachsen. Auch die Äste ragen knorrig in den Himmel und nach allen Seiten. Er trägt, wie alle Wildäpfel, nur sehr kleine Früchte. Das sei normal, sagt Heike Fischer. Alles an diesem Baum sei nicht so üppig wie beim Kulturapfel.

"Das ist ein Unterscheidungsmerkmal zum Kulturobst, dass insgesamt - die Blüten, die Blätter - alles ein bisschen kleiner ist. Das beste Indiz sind die Früchte, die sind wesentlich kleiner als das Kulturobst."

2200 Bäume hat sie hier kartiert. Davon wurden 200 Bäume genetisch untersucht. Dabei stellte sie fest: Den reinen Wildapfel gibt es nicht mehr.

"Die reine Wildform wird es nicht mehr geben, die wird auch niemand mehr finden oder keiner mehr haben. Die Ergebnisse haben wir erst von den ersten 100 Äpfeln und das sind ungefähr 50 Prozent, die jetzt genetisch als Wildform-nah eingestuft werden."

Die Kulturen haben sich längst vermischt. Nur Bäume, die weit weg vom Kulturapfel stehen, hätten eine Chance, erläutert Jörg Schuboth vom Landesamt für Umweltschutz in Sachsen-Anhalt.

"Die Biene sammelt ja den Pollen und die hat ihren Radius von ca. 3 Kilometern und alle Blüten werden angeflogen, da kommt es zur Vermischung. Wir haben ja viele Kulturbestände ringsum, um die Wildäpfel, und dann gibt es keine reine Wildapfelart in dem Sinne mehr."

Auch in anderen abgelegenen Gebieten gibt es noch Wildapfelnahe Bestände. Im Erzgebirge zum Beispiel und in Baden-Württemberg. 5500 Bäume sind es noch in ganz Deutschland. 2200 davon in den Auwäldern an der Elbe. Den Wildapfel so zu erhalten, wie er jetzt noch existiert, sei sehr wichtig, sagt Jörg Schuboth. Zum Beispiel, um ihn mit dem Kulturapfel zu kreuzen.

"Man kann ja bestimmte Resistenzen finden, die in Kultursorten mit einfließen sollen, und darum will man die Erbsubstanz erhalten, die genetische Vielfalt erhalten."

Der Wildapfel ist viel robuster als der Kulturapfel. Seit Tausenden Jahren wächst er in Europa und bedarf keiner Pflege. Damit es ihn auch weiterhin gibt, wenigstens so Wildapfelnah wie derzeit, gehen Heike Fischer und Birgitt Krummhaar regelmäßig in den Auwald bei Dessau und kartieren die Bäume.

Krummhaar: "Das Ziel ist, diese Bestandsaufnahme fortzuführen und dann anhand der morphologischen und genetischen Merkmale wirklich festzustellen, wo sind Bäume die für die spätere Vermehrung des Wildobstes genutzt werden können und in Zusammenarbeit mit der Baumschule so Anzuchtverträge abzuschließen."

Der Förder- und Landschaftspflegeverein Biosphärenreservat "MittelElbe" will den Baum vor allem Kindern nahe bringen, damit die sich auch im Erwachsenenalter noch an ihn erinnern. Jörg Schuboth besucht deshalb Schulen, erklärt den Baum und pflanzt mit den Kindern junge Stecklinge.

"Und wenn so ein kleiner Junge oder ein kleines Mädchen sich damit richtig beschäftigt hat, die sind ja dann froh zu sehen, wie ihr Baum wächst. Das können sie später ihren Enkeln erzählen."

Am besten draußen, unterm selbst gepflanzten Wildapfelbaum. Der dann hoffentlich nicht schon von zu vielen Bienen heimgesucht wurde, die vorher am Pollen eines Kulturapfels genascht haben. Der selbst gepflanzte Wildapfel würde dann, im Laufe der Jahre, zum Kulturapfel.

Mehr zum Baum des Jahres auf dradio.de:

Europäische Lärche ist Baum des Jahres 2012
Wahl zum Baum des Jahres 2011