Die ganze Welt in einer Limousine

Von Alexander Soyez |
In David Cronenbergs neuem Werk "Cosmopolis" fährt ein milliardenschwerer Anlageberater - gespielt von Davids Pattinson - abgeschottet durch New Yorker Straßen, auf denen gegen den Kapitalismus protestiert wird.
So groß der Titel "Cosmopolis" klingt, so klein scheint zunächst die Welt, die der Film zeigt. Ein Tag mit einem milliardenschweren Anlageberater, gespielt von Twilight-Star Robert Pattinson, und die meiste Zeit verbringt man mit ihm in einer riesigen Stretchlimousine. Lederausstattung, jeder vorstellbare Luxus und Bildschirme, auf denen man die Millionen, die er gewinnt oder verliert, ablesen könnte. Fast kein Geräusch dringt von außen herein und hinter den getönten Scheiben wirken die Straßen der Stadt wie eine Kulisse.

Filmszene: "
- "Gibt es einen Grund dafür, dass wir im Wagen sind und nicht im Büro."
- "Wie kommst du darauf, dass wir im Wagen sind und nicht im Büro?"
- "Wenn ich diese Frage beantworte …"
- "… aufgrund welcher Prämisse?"
- "… dann gebe ich nur etwas von mir, das halbwegs klug, aber weitgehend oberflächlich wäre und vermutlich auf irgendeiner Ebene unzutreffend. Und dann wirst du mir dein Beileid aussprechen, dass ich geboren wurde."
- "Ich muss mir die Haare schneiden lassen.""

Der Weg zum Frisör auf der anderen Seite der Stadt als Odyssee eines lebensfernen Superkapitalisten. Zwischendrin kommt es zwar mal zu seltsam unnatürlichen Begegnungen mit seiner Frau, ansonsten aber kommt die Welt zu ihm in den Fond seiner Limousine. Er spricht dort mit Angestellten, hat dort Sex mit seiner Kunsthändlerin, lässt sich dort wie jeden Tag von seinem Arzt untersuchen, oder tauscht sich dort philosophisch mit seiner Finanzberaterin über die Macht des Geldes aus.

Filmszene:
"Je visionärer eine Idee ist, desto mehr Menschen lässt sie auf der Strecke. Darum geht es hier bei diesem Protest. Visionen von Technologie und Reichtum. Die Kraft des Cyberkapitals, die Menschen in die Gosse wirft, wo sie elend verrecken."

Ein ausgesuchtes Exemplar der modernen Finanzelite fährt abgeschottet durch Straßen, auf denen gegen den Kapitalismus protestiert wird. Und natürlich kann man ihn als Sinnbild dafür verstehen, wie wenig das, wofür er steht noch mit der normalen Welt zu tun hat – und das ihm nichts anderes übrigbleibt als auf seinen eigenen Untergang zuzusteuern. In dieser Hinsicht ist "Cosmopolis'" Abgesang auf das moderne Geschäft mit dem Geld, bei dem es nicht mehr um Produkte oder Leistungen geht, sondern nur noch um Zahlen.

David Cronenberg: "Als Filmemacher fühlt man sich manchmal wie ein Wissenschaftler, der ein Experiment macht. Ich sage also nicht: So oder so funktioniert die Welt, ich möchte da niemanden überzeugen, dass das hier zum Beispiel die Wahrheit über den Kapitalismus ist. Ich sage: Schaut her, das sind doch interessante Möglichkeiten. Ich beobachte Dinge und diese Dinge lassen mich über andere Dinge nachdenken. Könnte richtig, könne falsch sein, aber es ist auf jeden Fall interessant für mich und vielleicht auch für andere. So fühlt sich das für mich an."

"Cosmopolis" ist ein typischer Cronenberg, auch wenn er selbst diese Schublade nicht mag, Ein Film, der sich perfekt einreihen ließe zwischen "Die Fliege", "Naked Lunch", "Crash", "eXistenz" oder "A History of Violence". Irgendwo zwischen intellektuellem Horror, finsterer Gesellschaftsmetapher und nachdenklicher Gewaltfantasie. Und mit einem Helden, der sich von unserer Gesellschaft soweit entfremdet hat, dass es ihn selbst zerstört. Auch das ist nämlich typisch Cronenberg.

David Cronenberg: "Nicht, dass das ich da nicht zustimmen würde … - aber ich denke darüber eigentlich nicht nach, wenn ich einen Film mache. Es ist jedenfalls nichts, nach dem ich bewusst suche."