Die Gammelfleisch-Pistole

Von Joachim Baumann |
Gammelfleisch oder genießbare Fleischdelikatesse? – Wenn das Fleisch eingeschweißt im Kühlregal liegt, können Kunden dies meist nicht erkennen. Der „Fresh-Scan“ – ein von der Berliner Technischen Universität entwickelter Laser – soll bei der Kontrolle von Steak und Schnitzel helfen.
„So, jetzt schalten wir einmal den Laser an: Ich kann ja mal eine Serie von ‚Spektren‘ aufnehmen. Was man hört, ist jetzt praktisch der Detektor.“

Im Spektroskopie-Labor des Institutes für Optik und atomare Physik der Berliner Technischen Universität betrachten Heinz-Detlef Kronfeldt und Heinar Schmidt aufmerksam das waffenartige Gerät auf dem Versuchstisch. Aus dem Lauf der eher futuristisch aussehenden kleinen Pistole schießt rotes Licht zur Labordecke.

„Die Laserpistole beinhaltet einen kleinen Diodenlaser, der sichtbares Licht auf das Fleisch schickt. Und dieses Licht dort wird gestreut.“

Jene Lichtstreuung, von der Heinz-Detlef Kronfeldt spricht, dringt tief in die Fleischstruktur ein. Dann wird das Licht zum Scanner zurückgeworfen.

„Und das rückstreuende Licht schauen wir uns an. Und dieses rückstreuende Licht ist charakteristisch für die Fleischsorte, aber auch charakteristisch für die Beschaffenheit des Fleisches.“

Die Laserpistole nutzt die sogenannte Raman-Streuung. Vereinfacht gesagt, wird durch den ausgesendeten Laserstrahl die molekulare Fleisch-Struktur mit winzigsten Lichtstößen angeregt. Die Moleküle des Schnitzels oder Steaks geraten durch die Stöße in Schwingungen. Das rückstreuende Licht hat daher eine andere Energie als das Laserlicht. Aus der Differenz können Rückschlüsse auf das Material gewonnen werden. Dieser Effekt wurde 1928 von dem indischen Physiker Chandrasekhara Raman experimentell nachgewiesen. Zwei Jahre später erhielt er dafür den Physik-Nobelpreis. Mit der zurückgestrahlten erhält man sozusagen einen „Fingerprint der Materie“ sagt Heinar Schmidt.

„Zum Beispiel können wir auf diese Art und Weise unterscheiden, ob Fleisch aufgetaut worden ist oder eingefroren war. Das äußerst sich ja so, dass beim Einfrieren die Zellen platzen und dadurch verändert sich natürlich auch das Fleisch: in der Struktur und chemisch. Das heißt, diesen Unterschied können wir feststellen. Und wenn das Fleisch altert, dann ändert sich ja auch die molekulare Struktur, und diese Veränderung sieht man natürlich auch.“

Noch ist nicht so klar, wie die „Fresh-Scan-Pistole“ in Zukunft arbeiten soll. Denkbar wäre, dass es eine klare Farbeinteilung am Pistolenknauf für „Gut“ oder „Schlecht“ gibt.

„So könnte man sich das vorstellen, das man sagt, o.k., für den Endverbraucher wäre es natürlich am schönsten, er hat sozusagen ein grünes Licht: Das Fleisch ist o.k.; hat ein gelbes Licht: Jetzt wird’s nun langsam Zeit, dass ich es esse; und ein rotes Licht: Jetzt ist es verdorben.“

Und noch etwas ist noch nicht klar. Wer hat den Scanner? Der Supermarkt um die Ecke oder der Verbraucher?

„Vor zehn Jahren hätten Sie sich nicht vorstellen können, was heute im Handy drin ist. Es ist also durchaus vorstellbar, dass so etwas in zehn Jahren auch im Handy drin ist. Das wäre eine Zukunftsmöglichkeit.“

Es ist aber auch denkbar, dass der Supermarkt – um das Vertrauen der Kunden nicht zu verlieren – den Scan anbietet.

„Eine Möglichkeit wäre, so etwas wie in einer Scannerkasse auch in einer Kasse zu integrieren. Und da kann es der Kunde dann erkennen. Oder es würde neben der Fleischtheke liegen, beispielsweise.“

Noch existiert der Scanner nur als Prototyp. Und neben den rein technischen Fragen gibt es auch die, ob die Laserpistole alle Fleischsorten erkennen und in ihren spezifischen Haltbarkeitsdaten jeweils ausdifferenzieren kann.

„Huhn, Pute, Rind, Lamm und Schwein haben wir schon einmal getestet. Das heißt, man kann unterscheiden, welche Fleischsorte da ist, wobei es dann in Gruppen zerfällt: Weißes Fleisch, rotes Fleisch, und Wild – wird sicherlich dann auch noch einmal anders sein. Das heißt, es gibt da Unterschiede und jede dieser Fleischsorten muss einzeln im Prinzip getestet werden.“

Zaghaft wird auch über weitere Einsatzgebiete des Scanners nachgedacht, also Obst- und Gemüse etwa. Doch bis dahin dauert es noch. Einstweilen bleibt nichts anderes übrig als zu vertrauen.