Die Furien des Ruhms
Deutschland sucht den Superstar: Tausende junger Leute lassen sich von nichts abschrecken: weder vom eigenen Unvermögen, noch von den verletzenden Sprüchen, die ihnen mit Sicherheit wieder entgegengeschleudert werden. Die Ruhmsucht ist so gewaltig, dass der Einzelne selbst die gnadenlose öffentliche Entblößung vor einem Massenpublikum in Kauf nimmt.
Es ist, als ob durch diese Sucht ein psychischer Schutzmechanismus außer Kraft tritt, der bislang zu funktionieren schien. Das könnte zum einen an der geringer werdenden Aufmerksamkeit liegen, die dem einzelnen in der zunehmenden Anzahl von Patchworkfamilien zuteil wird. Zum anderen an den wachsenden Auftrittsmöglichkeiten, die von den Medien geboten werden. Mit etwas Glück wird man über Nacht berühmt. Beides zusammen: Knappheit und Überfluss an Aufmerksamkeit, dieser wichtigsten Ressource für psychisches Wohlbefinden, würde erklären, wieso der Schutz verloren geht, der den Einzelnen vor der Blamage bewahrt. Womöglich kommt als erklärendes Moment hinzu, dass die Schamgrenzen gesellschaftsweit gesunken sind. Wer sich nicht schämen muss, braucht weniger Angst vor der Selbstentblößung zu haben.
Diejenigen, die ganz unten an der Ruhmesleiter stehen, wie jetzt etwa die Mädchen von Monrose, wissen noch nichts von den Furien, die sie heimsuchen werden, wenn sie oben angekommen sind. Eine kurze Revue von Beispielen aus der letzten Zeit, wahllos herausgegriffen, soll das zeigen. Relativ harmlos klingt der Fall der 16-jährigen Film-Freundin von Harry Potter, Emma Watson. Sie hat es nach eigenen Aussagen schwer, im richtigen Leben einen Liebsten zu finden. Entweder hätten die Jungen Angst vor ihrem Ruhm, oder sie wollten sie nur wegen ihrer Bekanntheit treffen. Schon schlimmer muss es Wolfgang Petry ergangen sein. Der 54 Jahre alte Schlagersänger nahm das 30-jährige Bühnenjubiläum zum Anlass, seine Karriere zu beenden. Als Grund für seinen Rückzug nannte er den unerträglichen Starrummel, der ihm das Leben als Musiker verleidet hat. Durch die zunehmende Bekanntheit wurde er nach eigenen Worten nachdenklich und verschlossen.
Mehr als nur nachdenklich ist offenbar Tim Mälzer geworden. Der in den letzten Jahren zum Medienstar avancierte Fernseh-Koch aus Pinneberg soll von Panik-Attacken geschüttelt worden sein. Er nahm sich eine Auszeit und entkam nur mit professioneller Hilfe dem seelischen Tief, in das ihn seine Bekanntheit und die vielen damit verbundenen Termine gestürzt hatten.
Der eine geht ganz aus dem Geschäft, der andere spannt nur eine Weile aus, um sich erneut ins Getümmel zu stürzen. Verlassen wir die noch relativ überschaubaren deutschen Verhältnisse, um uns kurz in Hollywood umzusehen, wo die Furien massierter aufzutreten pflegen als hierzulande. Das kanadische Popsternchen Avril Lavigne soll beim Knutschen mit ihrem Mann im Auto von Paparazzi überrascht worden sein und die Lama-Methode angewandt haben. Sie öffnete kurzerhand das Fenster und bespuckte die Fotografen samt ihren Kameralinsen. Gefährlicher wurde es anscheinend für Filmstar Cameron Diaz und ihren Freund Justin Timberlake, die vor dem Haus von Freunden von einem Fotografen aufgescheucht worden sind. Sie seien ihm nachgelaufen, heißt es, der Fotograf sei darauf in sein Auto geflüchtet und habe die beiden dann fast überfahren.
Wir haben uns angewöhnt, die Paparazzi als gefährlichste Sorte von Furien einzustufen. Auf den ersten Blick ist es wohl auch so. Sie verfolgen die Berühmten auf Schritt und Tritt, manchmal bis in den Tod. Noch gefährlicher jedoch als diese äußeren, sichtbaren Verfolger sind die inneren, unsichtbaren, die im Ruhmsüchtigen selber agieren. Sie fotografieren nicht. Sie treiben ihn dazu, fotografiert zu werden. Er ist sich der Konsequenzen nicht bewusst, obwohl er sie täglich studieren kann. Doch er nimmt sie nicht zur Kenntnis, weil etwas in ihm stärker ist, das ihn für die Folgen zugleich blind und taub macht: die Sucht, der Nichtigkeit der eigenen Existenz zu entfliehen und wenigstens für einen Augenblick im Rampenlicht zu stehen.
Andy Warhol hat angesichts der multiplen medialen Möglichkeiten der Gegenwart behauptet, jedem Menschen würde es heutzutage gelingen, dieses Rampenlicht mindestens einmal eine Viertelstunde lang zu genießen. Doch 15 Minuten scheinen für ein ganzes Leben nicht auszureichen. Vielleicht hilft dem Süchtigen ein Satz der berühmten österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, gelassener an die Sache ranzugehen: Was nützt mir der Ruhm, sagte sie sinngemäß, wenn ich den Nachruhm nicht erleben kann? Ein Satz, den zu befolgen auch so manchem Politiker zur Ehre gereichen würde.
Erik von Grawert-May, 1944 in Lauban/Niederschlesien geboren, studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften in Paris, Tübingen und Berlin. Er habilitierte sich über den Barockbegriff "Theatrum Belli", ist seit 1994 Professor für Unternehmensethik und -kultur an der Fachhochschule Lausitz und leitet seit 1999 das "Hanns von Polenz Institut für regionalgeschichtliche Studien, Senftenberg".
Diejenigen, die ganz unten an der Ruhmesleiter stehen, wie jetzt etwa die Mädchen von Monrose, wissen noch nichts von den Furien, die sie heimsuchen werden, wenn sie oben angekommen sind. Eine kurze Revue von Beispielen aus der letzten Zeit, wahllos herausgegriffen, soll das zeigen. Relativ harmlos klingt der Fall der 16-jährigen Film-Freundin von Harry Potter, Emma Watson. Sie hat es nach eigenen Aussagen schwer, im richtigen Leben einen Liebsten zu finden. Entweder hätten die Jungen Angst vor ihrem Ruhm, oder sie wollten sie nur wegen ihrer Bekanntheit treffen. Schon schlimmer muss es Wolfgang Petry ergangen sein. Der 54 Jahre alte Schlagersänger nahm das 30-jährige Bühnenjubiläum zum Anlass, seine Karriere zu beenden. Als Grund für seinen Rückzug nannte er den unerträglichen Starrummel, der ihm das Leben als Musiker verleidet hat. Durch die zunehmende Bekanntheit wurde er nach eigenen Worten nachdenklich und verschlossen.
Mehr als nur nachdenklich ist offenbar Tim Mälzer geworden. Der in den letzten Jahren zum Medienstar avancierte Fernseh-Koch aus Pinneberg soll von Panik-Attacken geschüttelt worden sein. Er nahm sich eine Auszeit und entkam nur mit professioneller Hilfe dem seelischen Tief, in das ihn seine Bekanntheit und die vielen damit verbundenen Termine gestürzt hatten.
Der eine geht ganz aus dem Geschäft, der andere spannt nur eine Weile aus, um sich erneut ins Getümmel zu stürzen. Verlassen wir die noch relativ überschaubaren deutschen Verhältnisse, um uns kurz in Hollywood umzusehen, wo die Furien massierter aufzutreten pflegen als hierzulande. Das kanadische Popsternchen Avril Lavigne soll beim Knutschen mit ihrem Mann im Auto von Paparazzi überrascht worden sein und die Lama-Methode angewandt haben. Sie öffnete kurzerhand das Fenster und bespuckte die Fotografen samt ihren Kameralinsen. Gefährlicher wurde es anscheinend für Filmstar Cameron Diaz und ihren Freund Justin Timberlake, die vor dem Haus von Freunden von einem Fotografen aufgescheucht worden sind. Sie seien ihm nachgelaufen, heißt es, der Fotograf sei darauf in sein Auto geflüchtet und habe die beiden dann fast überfahren.
Wir haben uns angewöhnt, die Paparazzi als gefährlichste Sorte von Furien einzustufen. Auf den ersten Blick ist es wohl auch so. Sie verfolgen die Berühmten auf Schritt und Tritt, manchmal bis in den Tod. Noch gefährlicher jedoch als diese äußeren, sichtbaren Verfolger sind die inneren, unsichtbaren, die im Ruhmsüchtigen selber agieren. Sie fotografieren nicht. Sie treiben ihn dazu, fotografiert zu werden. Er ist sich der Konsequenzen nicht bewusst, obwohl er sie täglich studieren kann. Doch er nimmt sie nicht zur Kenntnis, weil etwas in ihm stärker ist, das ihn für die Folgen zugleich blind und taub macht: die Sucht, der Nichtigkeit der eigenen Existenz zu entfliehen und wenigstens für einen Augenblick im Rampenlicht zu stehen.
Andy Warhol hat angesichts der multiplen medialen Möglichkeiten der Gegenwart behauptet, jedem Menschen würde es heutzutage gelingen, dieses Rampenlicht mindestens einmal eine Viertelstunde lang zu genießen. Doch 15 Minuten scheinen für ein ganzes Leben nicht auszureichen. Vielleicht hilft dem Süchtigen ein Satz der berühmten österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, gelassener an die Sache ranzugehen: Was nützt mir der Ruhm, sagte sie sinngemäß, wenn ich den Nachruhm nicht erleben kann? Ein Satz, den zu befolgen auch so manchem Politiker zur Ehre gereichen würde.
Erik von Grawert-May, 1944 in Lauban/Niederschlesien geboren, studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften in Paris, Tübingen und Berlin. Er habilitierte sich über den Barockbegriff "Theatrum Belli", ist seit 1994 Professor für Unternehmensethik und -kultur an der Fachhochschule Lausitz und leitet seit 1999 das "Hanns von Polenz Institut für regionalgeschichtliche Studien, Senftenberg".