"Die Fremde"
"Die Fremde" handelt von einer in sich zerrissenen, zerriebenen Deutsch-Türkin, die auf ihr eigenes Leben pocht. Ein Spielfilm mit einem längst überfälligen aktuellen Gesellschaftsthema: Ehrenmord.
Feo Aladag ist eine in Wien geborene, 38-jährige Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin, die eine Schauspielausbildung in Wien und London absolvierte und Psychologie und Kommunikationswissenschaften an der Universität von Wien studierte. Im Jahr 2000 schloss sie das Studium mit Promotion (Dr. phil.) ab. 2003/2004 war Feodora (wie sie eigentlich mit Vornamen heißt) Aladag Teilnehmerin an "Masterclasses" der Europäischen Filmakademie bei Michael Radford und Mike Figgis im Regiefach und besuchte 2004/2005 im Rahmen eines Regieaufbaustudiums an der DFFB in Berlin Regie-Seminare von namhaften Regisseuren wie Stephen Frears, Mike Leigh, Bertrand Tavernier und Peter Lilienthal.
Danach arbeitet sie als Werbefilmerin. Für die ARD-"Tatort"-Folgen "Mutterliebe" (2003) und "Erfroren" (2005) schrieb sie die Drehbücher. Des Weiteren trat sie auch als Schauspielerin in Fernseh- wie auch in Kinofilmen ("Meine schöne Bescherung" von Vanessa Jopp/2007) auf.
2005 gründete Feo Aladag zusammen mit ihrem Ehemann, dem Regisseur Züli Aladag ("Adolf-Grimme-Preis" 2006 für "Wut"), die Produktionsfirma "Independent Artists"; "Die Fremde" ist der erste Kinofilm dieses Unternehmens und hatte kürzlich Uraufführung innerhalb der Berlinale-Sektion "Panorama".
Es ist ein Spielfilm mit einem längst überfälligen aktuellen Gesellschaftsthema unserer Tage - Stichwort Ehrenmord. Dabei gibt ein vorangestelltes Zitat im Presseheft das Motto, das gedankliche Ziel, aus: "Es gibt keinen Ehrenmord und keinen Eifersuchtsmord. Es gibt nur Mord",
(Sema Meray, Autorin des Stückes "Wegen der Ehre").
"Die Fremde", das ist die 25-jährige, in Berlin geborene Umay. Die lebt mit Ehemann Kemal und dem kleinen Sohn Cem in einem Vorort von Istanbul, inmitten eines tristen Hochhausblocks. Kemal ist regelmäßig gegenüber Frau und Sohn extrem gewalttätig, die Ehe ist zerrüttet. Also flüchtet Umay zurück nach Berlin, wo sie künftig selbstbestimmt leben und arbeiten will.
Auf die Unterstützung ihrer in Berlin seit vielen Jahren lebenden türkischen Familie kann sie jedoch nicht zählen, denn diese ist völlig zerrissen zwischen traditionellen Ehrvorstellungen und überholten Konventionen inmitten eines "deutschen" Umfeldes. Obwohl Umays Vater seine Tochter innig liebt, fordert er sie auf, ihr "altes Leben" weiterzuleben, mit ihrem Sohn in die Türkei zu ihrem Mann zurückzukehren.
"Alle reden über uns", heißt es in der aufgewühlten Familie, zu der die "gehorsame" Mutter sowie drei Geschwister, zwei Brüder, eine Schwester, gehören. Als sich die häusliche Situation immer mehr zuspitzt, flüchtet Umay mit ihrem Sohn ins Frauenhaus.
Doch die Wurzeln einfach so abreißen zu lassen und völlig losgelöst ein eigenständiges Leben zu führen, fällt ihr entsetzlich schwer. Immer wieder zieht es sie zu ihrer Familie zurück, um Verständnis einzufordern. Und als schließlich ihr Sohn von ihrem Ehemann in die Türkei entführt werden soll, kommt es zum Eklat.
Ein aufwühlender Film. Ein bewegender Film. Ein großartiger Film. Ein spannender Film. Mit einem "ungeheuren" aktuellen Thema. Was verbirgt sich wirklich hinter den vielen Schlagzeilen in Sachen "Ehrenmord"? Was "passiert" dabei dort tatsächlich? Anonymes bekommt ein "aufregendes Gesicht", das eben nicht auf der Gut-Böse-Klaviatur ausgerichtet ist, sondern mit tiefer Betrachtung, Annäherung, Beschreibung. Spannung.
Natürlich provozierend. Auf sicherlich allen Seiten. Aber notwendig. Dringend notwendig. Um zu verstehen, um zu begreifen, um mitdenken zu können. Dabei sind die Beteiligten hier keine plumpen Abziehbilder, sondern "nachvollziehbare", glaubwürdige, zwiegespaltene Menschen. Und keine "Monster", mit denen sich zu befassen, mit denen sich auseinanderzusetzen hier lohnt.
Feo Aladag differenziert klug wie engagiert, wagt sich couragiert wie packend an ein kulturelles Reizthema in Sachen Integration heran, das niemanden kalt lassen kann beziehungsweise sollte.
Denn das Glück dabei heißt Sibel Kekilli. Die 1980 in Heilbronn geborene Schauspielerin türkischer Abstammung wurde 2004 als Hauptrollen-Debütantin mit dem vielfach prämierten Fatih-Akin-Film "Gegen die Wand" bekannt und viel gelobt ("Deutscher Filmpreis"). 2006 brillierte sie an der Seite von Josef Bierbichler in "Winterreise". Hier nun überzeugt sie als Umay. Mit jeder Faser ihres Körpers, ihrer Bewegung, ihrer Sprache, ihres Ausdrucks, ist sie diese gepeinigte junge Frau, die selbst über ihr Leben bestimmen, entscheiden möchte und dabei an seelische wie gesellschaftliche Grenzen gerät.
Ebenso schmerzhaft wie nachvollziehbar wie wunderbar unaufdringlich verkörpert Sibel Kekilli diese in sich zerrissene, zerriebene Deutsch-Türkin, die auf ihr eigenes Leben pocht. Eine außerordentliche starke darstellerische Leistung.
Übrigens auch aus dem gesamten Ensemble, deren Auftritte bisweilen unter die Haut gehen (zum Beispiel Settar Tanriögen als Vater). Ein großartiger deutscher Gesellschaftsthriller. Aufregend. Aufwühlend. Angehend. Lob, Lob, Lob.
Deutschland 2009, Regie: Feo Aladag, Darsteller: Sibel Kekilli, Settar Tanriögen, Derya Alabora, Florian Lukas, Alwara Höfels, Tamer Yigit, Almila Bagriacik, Serhad Can, Nizam Schiller, FSK: ab 12 Jahren, Länge: 119 Minuten
Filmhomepage
Danach arbeitet sie als Werbefilmerin. Für die ARD-"Tatort"-Folgen "Mutterliebe" (2003) und "Erfroren" (2005) schrieb sie die Drehbücher. Des Weiteren trat sie auch als Schauspielerin in Fernseh- wie auch in Kinofilmen ("Meine schöne Bescherung" von Vanessa Jopp/2007) auf.
2005 gründete Feo Aladag zusammen mit ihrem Ehemann, dem Regisseur Züli Aladag ("Adolf-Grimme-Preis" 2006 für "Wut"), die Produktionsfirma "Independent Artists"; "Die Fremde" ist der erste Kinofilm dieses Unternehmens und hatte kürzlich Uraufführung innerhalb der Berlinale-Sektion "Panorama".
Es ist ein Spielfilm mit einem längst überfälligen aktuellen Gesellschaftsthema unserer Tage - Stichwort Ehrenmord. Dabei gibt ein vorangestelltes Zitat im Presseheft das Motto, das gedankliche Ziel, aus: "Es gibt keinen Ehrenmord und keinen Eifersuchtsmord. Es gibt nur Mord",
(Sema Meray, Autorin des Stückes "Wegen der Ehre").
"Die Fremde", das ist die 25-jährige, in Berlin geborene Umay. Die lebt mit Ehemann Kemal und dem kleinen Sohn Cem in einem Vorort von Istanbul, inmitten eines tristen Hochhausblocks. Kemal ist regelmäßig gegenüber Frau und Sohn extrem gewalttätig, die Ehe ist zerrüttet. Also flüchtet Umay zurück nach Berlin, wo sie künftig selbstbestimmt leben und arbeiten will.
Auf die Unterstützung ihrer in Berlin seit vielen Jahren lebenden türkischen Familie kann sie jedoch nicht zählen, denn diese ist völlig zerrissen zwischen traditionellen Ehrvorstellungen und überholten Konventionen inmitten eines "deutschen" Umfeldes. Obwohl Umays Vater seine Tochter innig liebt, fordert er sie auf, ihr "altes Leben" weiterzuleben, mit ihrem Sohn in die Türkei zu ihrem Mann zurückzukehren.
"Alle reden über uns", heißt es in der aufgewühlten Familie, zu der die "gehorsame" Mutter sowie drei Geschwister, zwei Brüder, eine Schwester, gehören. Als sich die häusliche Situation immer mehr zuspitzt, flüchtet Umay mit ihrem Sohn ins Frauenhaus.
Doch die Wurzeln einfach so abreißen zu lassen und völlig losgelöst ein eigenständiges Leben zu führen, fällt ihr entsetzlich schwer. Immer wieder zieht es sie zu ihrer Familie zurück, um Verständnis einzufordern. Und als schließlich ihr Sohn von ihrem Ehemann in die Türkei entführt werden soll, kommt es zum Eklat.
Ein aufwühlender Film. Ein bewegender Film. Ein großartiger Film. Ein spannender Film. Mit einem "ungeheuren" aktuellen Thema. Was verbirgt sich wirklich hinter den vielen Schlagzeilen in Sachen "Ehrenmord"? Was "passiert" dabei dort tatsächlich? Anonymes bekommt ein "aufregendes Gesicht", das eben nicht auf der Gut-Böse-Klaviatur ausgerichtet ist, sondern mit tiefer Betrachtung, Annäherung, Beschreibung. Spannung.
Natürlich provozierend. Auf sicherlich allen Seiten. Aber notwendig. Dringend notwendig. Um zu verstehen, um zu begreifen, um mitdenken zu können. Dabei sind die Beteiligten hier keine plumpen Abziehbilder, sondern "nachvollziehbare", glaubwürdige, zwiegespaltene Menschen. Und keine "Monster", mit denen sich zu befassen, mit denen sich auseinanderzusetzen hier lohnt.
Feo Aladag differenziert klug wie engagiert, wagt sich couragiert wie packend an ein kulturelles Reizthema in Sachen Integration heran, das niemanden kalt lassen kann beziehungsweise sollte.
Denn das Glück dabei heißt Sibel Kekilli. Die 1980 in Heilbronn geborene Schauspielerin türkischer Abstammung wurde 2004 als Hauptrollen-Debütantin mit dem vielfach prämierten Fatih-Akin-Film "Gegen die Wand" bekannt und viel gelobt ("Deutscher Filmpreis"). 2006 brillierte sie an der Seite von Josef Bierbichler in "Winterreise". Hier nun überzeugt sie als Umay. Mit jeder Faser ihres Körpers, ihrer Bewegung, ihrer Sprache, ihres Ausdrucks, ist sie diese gepeinigte junge Frau, die selbst über ihr Leben bestimmen, entscheiden möchte und dabei an seelische wie gesellschaftliche Grenzen gerät.
Ebenso schmerzhaft wie nachvollziehbar wie wunderbar unaufdringlich verkörpert Sibel Kekilli diese in sich zerrissene, zerriebene Deutsch-Türkin, die auf ihr eigenes Leben pocht. Eine außerordentliche starke darstellerische Leistung.
Übrigens auch aus dem gesamten Ensemble, deren Auftritte bisweilen unter die Haut gehen (zum Beispiel Settar Tanriögen als Vater). Ein großartiger deutscher Gesellschaftsthriller. Aufregend. Aufwühlend. Angehend. Lob, Lob, Lob.
Deutschland 2009, Regie: Feo Aladag, Darsteller: Sibel Kekilli, Settar Tanriögen, Derya Alabora, Florian Lukas, Alwara Höfels, Tamer Yigit, Almila Bagriacik, Serhad Can, Nizam Schiller, FSK: ab 12 Jahren, Länge: 119 Minuten
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