"Die Frauen haben viel zu wenig zu sagen in Island"
Die isländische Schriftstellerin Steinunn Sigurdardottir hat die katastrophale Finanzsituation ihres Landes als "betrübend" bezeichnet. Sie hofft auf mehr Frauen im Bankensektor: "Meines Erachtens sind die Frauen doch von Natur aus etwas vorsichtiger als Männer", sagte sie.
Matthias Hanselmann: "Gott segne Island!" Mit bewegter Stimme sagte dies der isländische Ministerpräsident Haarde am Ende seiner Fernsehansprache vor drei Tagen. In dieser Rede musste er zugeben, dass die schlimmsten Befürchtungen des isländischen Volkes sich bewahrheiten könnten: Ein Staatsbankrott sei zu befürchten, ein Zusammenbruch der Volkswirtschaft. Fast unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit hatte sich in Island der Finanzsektor zum wichtigsten Wirtschaftszweig entwickelt und droht nun das ganze Land in den Ruin zu treiben. Bei uns ist Steinunn Sigurdardottir. Sie ist Romanautorin. Ihr Buch "Sonnenscheinpferd"ist gerade in Deutschland erschienen. Und Sie sind auch seit Kurzem Wahlberlinerin. Herzlich Willkommen!
Steinunn Sigurdardottir: Danke.
Hanselmann: Wir freuen uns darüber, dass Sie damit einverstanden sind, dass wir weniger über Ihr Buch sprechen als über Ihr Land und die Situation der Menschen dort. In Deutschland fragen sich viele Menschen, was ist denn da auf der kleinen Insel los, wie konnte so etwas passieren? Erst einmal, Frau Sigurdardottir, wie haben Sie die vergangenen Tage selbst erlebt, als die Meldungen über einen möglichen Bankrott der Volkswirtschaft durch die Medien ging?
Sigurdardottir: Ich muss sagen, dass ich es sehr betrübend finde und es hat mich sehr beeinflusst, obwohl ich nicht in Island bin. Und es geht den meisten Leuten so. Einige unter meinen Freunden, die in Island sind, sind doch komplett stoisch, aber es ist natürlich nicht lustig. Viele Leute werden angeblich die Arbeit verlieren, und die Preise steigen. Wie konnte es dazu kommen, das fragt man sich.
Aber wir sind ein Teil dieser unglaublichen globalen Krise, die jeden Tag tiefer wird. In Österreich heute kein Börsenverkehr und dann ferner in Thailand auch keiner. Insofern sind wir aber Sonderfall, dass die isländische Ökonomie ganz klein ist und das Banksystem unglaublich groß geworden war und im Ausland, auch vor allem in England und Dänemark. Aber es gibt auch andere Länder, wo die Situation so ist. Zum Beispiel, wie viel größer ist das Banksystem in der Schweiz als die nationale Ökonomie?
Hanselmann: Sind Sie denn persönlich betroffen, haben Sie Geldeinlagen an einer Bank in Island?
Sigurdardottir: Ja, aber der reine Zufall hat mich vor der schlimmsten Katastrophe gerettet, aber ich muss mein ganzes Leben neu denken. Das geht den meisten so. Die Zukunft eines Schriftstellers ist normalerweise sehr unsicher, wenn es kein Bestseller-Autor ist, und jetzt ist sie noch unsicherer als zuvor.
Hanselmann: Wenn Sie sagen, Sie müssen Ihr ganzes Leben neu denken, an welchen Punkten noch?
Sigurdardottir: Ja, ich meine, was mache ich? Bleibe ich in Deutschland und versuche hier so gut zu tun, wie ich will? Meine Miete war noch machbar, als ich die Wohnung gemietet hatte. Mein Einkommen ist aus Island. Jetzt ist sie doppelt so groß geworden. Was soll ich tun? Soll ich eine neue, etwas billiger, finden? Das ganze Leben ist unsicher jetzt.
Hanselmann: Das Gegenteil von dem, wie es sich in den letzten Jahren in Island entwickelt hat. Wie haben Sie das wahrgenommen? Woran haben Sie merken können, dass es aufwärts geht mit Island, mit der Wirtschaft, mit den Einkommen usw.?
Sigurdardottir: Das Einzige, an was die reichen und ein bisschen reichen Leute gedacht haben, war Geld. Aktien usw. Ich war also die letzten sieben Jahre in Frankreich wohnhaft, aber normalerweise war ich immer in Island im Sommer und ab und zu, vier bis fünf Monate, wir haben noch ein Haus da, mein Lebensgefährte und ich. Ein Mensch, der einen guten Vorteil hat, zum Beispiel, wenn man sagt, ein Mensch ist vorsichtig, dann ist das gut an sich, aber wenn der Mensch zu vorsichtig ist, hilft das nicht.
Die Isländer sind sehr kraftvoll, und sie haben viele Initiative und viel Kreativität. Und diese Kreativität und Initiative haben unsere Finanz-Wikinger also gebraucht. Aber dieser gute Teil des Charakters wurde dann schließlich, es ging dann gegen ihn.
Hanselmann: Pervertiert sozusagen?
Sigurdardottir: Ja. Und weil sie dann, sie hatten zu viel Risiken genommen, auch sozusagen mit der Hilfe der Kontrolle, die nicht genug war. Aber auch das ist ein globales Problem, unzulängliches "Risk-Management".
Hanselmann: Auf wessen Kosten geht dieser Finanzboom der letzten Jahre, auf wessen Kosten ist er gegangen innerhalb Islands? Gab es da welche, die davon benachteiligt waren?
Sigurdardottir: Da bin ich mir gar nicht sicher. Also wir hatten dieselben Verrücktheiten mit diesen Lohn, die so unwahrscheinlich hoch waren, also unverschämt ist nicht das Wort, es ist einfach …
Hanselmann: Um 75 Prozent sind die Löhne und Gehälter gestiegen, habe ich gelesen?
Sigurdardottir: Das war der reine Wahnsinn. Ob es den Ärmeren schlimmer ging, bin ich mir gar nicht sicher. Aber wir hatten eine Hilfe in Island in diesen für uns guten Zeiten, es waren die polnischen Arbeiter, die nach Island kamen und unter schrecklichen Bedingungen arbeiteten, also sehr viel. Sie hatten Mietwohnungen, die nicht menschenwürdig waren, und sehr hohe Preise usw. Jetzt sind sie natürlich geflohen.
Hanselmann: Kann man sich gut vorstellen. Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit der isländischen Autorin Steinunn Sigurdardottir. Island galt lange Zeit, so schreibt es die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", als eine Art Insel der Glückseligen, galt auch besonders als frauen- und kinderfreundliches Land. Es gab bei Ihnen schon sehr früh das Frauenwahlrecht. Welche Rollen haben die Frauen in Ihrem Land in den letzten Jahren gespielt bei der wirtschaftlichen Liberalisierung und dem Finanzboom?
Sigurdardottir: Wir haben unglaublich starke Frauen, so zum Beispiel unsere ehemalige Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir, die erste Frau auf der Welt, in einer demokratischen Wahl zur Präsidentin gewählt zu werden. Wir haben Björk, wir haben unsere starke Außenministerin, Ausbildungsministerin usw. Aber in diesem wirtschaftlichen Boom keine Frau. Und die Frauen haben viel zu wenig zu sagen in Island in diesen Sachen Bank und Wirtschaft usw.
Meines Erachtens sind die Frauen doch von Natur aus etwas vorsichtiger als Männer. Und wir haben eine Frau in Island, (… unverständlich, Anmerkung der Redaktion), sie hat so eine Investmentfirma. Und sie ist o.k., diese Frau. Und jetzt wird sehr interessant: Auf den Ruinen des ehemaligen Landsbanki wurde eine neue Bank gebaut, und eine Frau kommt jetzt, die erste Leiterin einer großen Bank in Island.
Hanselmann: Sie muss sozusagen die Scherben zusammenkehren.
Sigurdardottir: Also eine Putzfrau nach der Männerorgie. Also der Grundunterschied zwischen den Attitüden der Männer und Frauen, schätze ich es, eine Frau saß in der Leitung der sehr umstrittenen Nationalbank. Sie hat sich vorgestern verabschiedet mit einem öffentlichen Brief, wo sie die isländische Nation um Verzeihung bittet für die Fehler, die da begangen wurden, und sie auffordert ihre Kollegen in der Leitung der Zentralbank, sich auch zu verabschieden.
Hanselmann: Sie erwähnen dies, weil Sie damit sagen wollen, wann hat jemals ein Mann das getan, dass er sich für diese Fehler entschuldigt hat?
Sigurdardottir: In Island kommt das nicht vor. In Island verabschiedet sich niemand.
Hanselmann: Jetzt ist die Rede davon, dass Russland sich finanziell stark in Island engagieren könnte und es auch schon tut. Was geht Ihnen dazu durch den Kopf?
Sigurdardottir: Ich habe einen Artikel in "The London Times" gelesen von Bronwen Maddox, das ist ein Editor für Auslandsnachrichten. Und er sagt, dass die Vereinigten Staaten, England und die Europäische Union einen Riesenfehler begangen haben, wenn sie Island den Kredit verweigert haben, nicht einmal, sondern zweimal. Er sagt, es ist eine Verrücktheit, Georgien und Ukraine zu unterstützen, von Natur aus, und dann einen Nato-Alliierten wie Island und einen alten Freund so komplett zu verlassen.
Und er schätzt es so, dass die Russen absolut irgendwie nach Island wollen, um Öl und Gas usw. im Nordpolarkreis, davon zu profitieren. Aber die Tatsache ist doch, es waren die Isländer, die den Russen gebeten haben. Aber ich meine, das ist hoch interessant, das wäre doch historisch. Also eine neue Entwicklung nach dem Kalten Krieg, das wäre wirklich historisch.
Hanselmann: Ihr Buch "Sonnenscheinpferd" handelt von früher Verantwortung, die Frauen übernehmen, von der Wiederbegegnung mit einer alten Liebe, vor allem von zwischenmenschlichen Dingen. Spielen die Verhältnisse, über die wir gerade gesprochen haben, auch eine Rolle?
Sigurdardottir: Das glaube ich eigentlich nicht, nicht so viel. Aber ich habe gerade in Berlin ein Theaterstück fertig geschrieben, und jetzt sehe ich es als eine Sache über diese Islandkrise, über den Untergang des Eislandes, also auf Umwegen, auf großen Umwegen. Aber jetzt sehe ich mein Stück so.
Hanselmann: Steinunn Sigurdardottir, isländische Autorin mit internationalem Ruf und demnächst unterwegs mit "Sonnenscheinpferd" ihrem neuen Roman. Für unsere Hörer in Bielefeld, Lüneburg, München, Bonn, Heidelberg und Leipzig hier schon mal der Hinweis: Achten Sie auf die Tagespresse, Frau Sigurdardottir wird Ihnen einen Besuch abstatten. Und was Ihr Land betrifft, vielleicht müssten ja dann doch die Elfen ein wenig helfen?
Sigurdardottir: Die Elfen sind ein wichtiger Teil von unserer Folklore, aber wenn man die Elfen als Tatsachen nimmt, dann finde ich das einfach witzig und nichts anderes.
Hanselmann: Vielen Dank!
Sigurdardottir: Danke.
Steinunn Sigurdardottir: Danke.
Hanselmann: Wir freuen uns darüber, dass Sie damit einverstanden sind, dass wir weniger über Ihr Buch sprechen als über Ihr Land und die Situation der Menschen dort. In Deutschland fragen sich viele Menschen, was ist denn da auf der kleinen Insel los, wie konnte so etwas passieren? Erst einmal, Frau Sigurdardottir, wie haben Sie die vergangenen Tage selbst erlebt, als die Meldungen über einen möglichen Bankrott der Volkswirtschaft durch die Medien ging?
Sigurdardottir: Ich muss sagen, dass ich es sehr betrübend finde und es hat mich sehr beeinflusst, obwohl ich nicht in Island bin. Und es geht den meisten Leuten so. Einige unter meinen Freunden, die in Island sind, sind doch komplett stoisch, aber es ist natürlich nicht lustig. Viele Leute werden angeblich die Arbeit verlieren, und die Preise steigen. Wie konnte es dazu kommen, das fragt man sich.
Aber wir sind ein Teil dieser unglaublichen globalen Krise, die jeden Tag tiefer wird. In Österreich heute kein Börsenverkehr und dann ferner in Thailand auch keiner. Insofern sind wir aber Sonderfall, dass die isländische Ökonomie ganz klein ist und das Banksystem unglaublich groß geworden war und im Ausland, auch vor allem in England und Dänemark. Aber es gibt auch andere Länder, wo die Situation so ist. Zum Beispiel, wie viel größer ist das Banksystem in der Schweiz als die nationale Ökonomie?
Hanselmann: Sind Sie denn persönlich betroffen, haben Sie Geldeinlagen an einer Bank in Island?
Sigurdardottir: Ja, aber der reine Zufall hat mich vor der schlimmsten Katastrophe gerettet, aber ich muss mein ganzes Leben neu denken. Das geht den meisten so. Die Zukunft eines Schriftstellers ist normalerweise sehr unsicher, wenn es kein Bestseller-Autor ist, und jetzt ist sie noch unsicherer als zuvor.
Hanselmann: Wenn Sie sagen, Sie müssen Ihr ganzes Leben neu denken, an welchen Punkten noch?
Sigurdardottir: Ja, ich meine, was mache ich? Bleibe ich in Deutschland und versuche hier so gut zu tun, wie ich will? Meine Miete war noch machbar, als ich die Wohnung gemietet hatte. Mein Einkommen ist aus Island. Jetzt ist sie doppelt so groß geworden. Was soll ich tun? Soll ich eine neue, etwas billiger, finden? Das ganze Leben ist unsicher jetzt.
Hanselmann: Das Gegenteil von dem, wie es sich in den letzten Jahren in Island entwickelt hat. Wie haben Sie das wahrgenommen? Woran haben Sie merken können, dass es aufwärts geht mit Island, mit der Wirtschaft, mit den Einkommen usw.?
Sigurdardottir: Das Einzige, an was die reichen und ein bisschen reichen Leute gedacht haben, war Geld. Aktien usw. Ich war also die letzten sieben Jahre in Frankreich wohnhaft, aber normalerweise war ich immer in Island im Sommer und ab und zu, vier bis fünf Monate, wir haben noch ein Haus da, mein Lebensgefährte und ich. Ein Mensch, der einen guten Vorteil hat, zum Beispiel, wenn man sagt, ein Mensch ist vorsichtig, dann ist das gut an sich, aber wenn der Mensch zu vorsichtig ist, hilft das nicht.
Die Isländer sind sehr kraftvoll, und sie haben viele Initiative und viel Kreativität. Und diese Kreativität und Initiative haben unsere Finanz-Wikinger also gebraucht. Aber dieser gute Teil des Charakters wurde dann schließlich, es ging dann gegen ihn.
Hanselmann: Pervertiert sozusagen?
Sigurdardottir: Ja. Und weil sie dann, sie hatten zu viel Risiken genommen, auch sozusagen mit der Hilfe der Kontrolle, die nicht genug war. Aber auch das ist ein globales Problem, unzulängliches "Risk-Management".
Hanselmann: Auf wessen Kosten geht dieser Finanzboom der letzten Jahre, auf wessen Kosten ist er gegangen innerhalb Islands? Gab es da welche, die davon benachteiligt waren?
Sigurdardottir: Da bin ich mir gar nicht sicher. Also wir hatten dieselben Verrücktheiten mit diesen Lohn, die so unwahrscheinlich hoch waren, also unverschämt ist nicht das Wort, es ist einfach …
Hanselmann: Um 75 Prozent sind die Löhne und Gehälter gestiegen, habe ich gelesen?
Sigurdardottir: Das war der reine Wahnsinn. Ob es den Ärmeren schlimmer ging, bin ich mir gar nicht sicher. Aber wir hatten eine Hilfe in Island in diesen für uns guten Zeiten, es waren die polnischen Arbeiter, die nach Island kamen und unter schrecklichen Bedingungen arbeiteten, also sehr viel. Sie hatten Mietwohnungen, die nicht menschenwürdig waren, und sehr hohe Preise usw. Jetzt sind sie natürlich geflohen.
Hanselmann: Kann man sich gut vorstellen. Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit der isländischen Autorin Steinunn Sigurdardottir. Island galt lange Zeit, so schreibt es die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", als eine Art Insel der Glückseligen, galt auch besonders als frauen- und kinderfreundliches Land. Es gab bei Ihnen schon sehr früh das Frauenwahlrecht. Welche Rollen haben die Frauen in Ihrem Land in den letzten Jahren gespielt bei der wirtschaftlichen Liberalisierung und dem Finanzboom?
Sigurdardottir: Wir haben unglaublich starke Frauen, so zum Beispiel unsere ehemalige Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir, die erste Frau auf der Welt, in einer demokratischen Wahl zur Präsidentin gewählt zu werden. Wir haben Björk, wir haben unsere starke Außenministerin, Ausbildungsministerin usw. Aber in diesem wirtschaftlichen Boom keine Frau. Und die Frauen haben viel zu wenig zu sagen in Island in diesen Sachen Bank und Wirtschaft usw.
Meines Erachtens sind die Frauen doch von Natur aus etwas vorsichtiger als Männer. Und wir haben eine Frau in Island, (… unverständlich, Anmerkung der Redaktion), sie hat so eine Investmentfirma. Und sie ist o.k., diese Frau. Und jetzt wird sehr interessant: Auf den Ruinen des ehemaligen Landsbanki wurde eine neue Bank gebaut, und eine Frau kommt jetzt, die erste Leiterin einer großen Bank in Island.
Hanselmann: Sie muss sozusagen die Scherben zusammenkehren.
Sigurdardottir: Also eine Putzfrau nach der Männerorgie. Also der Grundunterschied zwischen den Attitüden der Männer und Frauen, schätze ich es, eine Frau saß in der Leitung der sehr umstrittenen Nationalbank. Sie hat sich vorgestern verabschiedet mit einem öffentlichen Brief, wo sie die isländische Nation um Verzeihung bittet für die Fehler, die da begangen wurden, und sie auffordert ihre Kollegen in der Leitung der Zentralbank, sich auch zu verabschieden.
Hanselmann: Sie erwähnen dies, weil Sie damit sagen wollen, wann hat jemals ein Mann das getan, dass er sich für diese Fehler entschuldigt hat?
Sigurdardottir: In Island kommt das nicht vor. In Island verabschiedet sich niemand.
Hanselmann: Jetzt ist die Rede davon, dass Russland sich finanziell stark in Island engagieren könnte und es auch schon tut. Was geht Ihnen dazu durch den Kopf?
Sigurdardottir: Ich habe einen Artikel in "The London Times" gelesen von Bronwen Maddox, das ist ein Editor für Auslandsnachrichten. Und er sagt, dass die Vereinigten Staaten, England und die Europäische Union einen Riesenfehler begangen haben, wenn sie Island den Kredit verweigert haben, nicht einmal, sondern zweimal. Er sagt, es ist eine Verrücktheit, Georgien und Ukraine zu unterstützen, von Natur aus, und dann einen Nato-Alliierten wie Island und einen alten Freund so komplett zu verlassen.
Und er schätzt es so, dass die Russen absolut irgendwie nach Island wollen, um Öl und Gas usw. im Nordpolarkreis, davon zu profitieren. Aber die Tatsache ist doch, es waren die Isländer, die den Russen gebeten haben. Aber ich meine, das ist hoch interessant, das wäre doch historisch. Also eine neue Entwicklung nach dem Kalten Krieg, das wäre wirklich historisch.
Hanselmann: Ihr Buch "Sonnenscheinpferd" handelt von früher Verantwortung, die Frauen übernehmen, von der Wiederbegegnung mit einer alten Liebe, vor allem von zwischenmenschlichen Dingen. Spielen die Verhältnisse, über die wir gerade gesprochen haben, auch eine Rolle?
Sigurdardottir: Das glaube ich eigentlich nicht, nicht so viel. Aber ich habe gerade in Berlin ein Theaterstück fertig geschrieben, und jetzt sehe ich es als eine Sache über diese Islandkrise, über den Untergang des Eislandes, also auf Umwegen, auf großen Umwegen. Aber jetzt sehe ich mein Stück so.
Hanselmann: Steinunn Sigurdardottir, isländische Autorin mit internationalem Ruf und demnächst unterwegs mit "Sonnenscheinpferd" ihrem neuen Roman. Für unsere Hörer in Bielefeld, Lüneburg, München, Bonn, Heidelberg und Leipzig hier schon mal der Hinweis: Achten Sie auf die Tagespresse, Frau Sigurdardottir wird Ihnen einen Besuch abstatten. Und was Ihr Land betrifft, vielleicht müssten ja dann doch die Elfen ein wenig helfen?
Sigurdardottir: Die Elfen sind ein wichtiger Teil von unserer Folklore, aber wenn man die Elfen als Tatsachen nimmt, dann finde ich das einfach witzig und nichts anderes.
Hanselmann: Vielen Dank!
Sigurdardottir: Danke.