Die Frau mit den vielen Nachnamen

28.03.2008
Sie war eine geborene Michaelis, verwitwete Böhmer, geschiedene Schlegel und wiederverheiratete Schelling. In diese vier Kapitel hat Brigitte Roßbeck ihre detailreiche Biografie über die Autorin, Übersetzerin und Muse der Romantiker eingeteilt. Feinfühlig erzählt sie auch von den bitteren Ereignissen, die sich durch Schlegel-Schellings Leben ziehen.
Von Friedrich Schiller hatte sie den Titel "Dame Lucifer" bekommen, Hegel wünschte sie zum Teufel, und Fichte fand ihren Lebenswandel skandalös. Allein Goethe zollte ihr und der Souveränität, mit der sie durchs Leben ging, den allerhöchsten Respekt. Brigitte Roßbeck hat über dieses Leben Caroline Schlegel-Schellings eine detailreiche Biographie geschrieben.

Schon in der Aufmachung ihres Buches beweist die Biographin Brigitte Roßbeck ihren Humor: Sie teilt es in vier große Kapitel ein, die sie nach den wechselnden Nachnamen ihrer Protagonistin benennt: Denn Caroline Schlegel-Schelling war eigentlich eine geborene Michaelis, verwitwete Böhmer, geschiedene Schlegel und wiederverheiratete Schelling.

Die Geschichte beginnt mit Caroline Michaelis, einer hochbegabten Professorentochter, der das Talent zu bissigen Rezensionen in die Wiege gelegt worden ist. Schon als Kind verschlingt sie Klassiker wie Milton, Hume und Shakespeare; auch Goethe liest sie gern, obwohl dieser – wie sie in Briefen kritisch bemerkt – "sonderbare Gegenstände" wähle. Caroline besitzt einen hellwachen Verstand und ist dabei absolut undiplomatisch. "Ich schmeichle niemals", sagt sie über sich. "Ich sage, was ich denke und fühle."
Mit 21 Jahren kommt Caroline unter die Haube. Sie zieht mit ihrem Mann, dem Arzt Johann Franz Wilhelm Böhmer, von Göttingen ins nahe Clausthal, eine Kleinstadt, in der sie sich abgrundtief langweilt. Doch das Unglück sollte erst noch kommen. Nach vier Ehejahren und der Geburt zweier Kindern stirbt überraschend ihr Mann. Ein Jahr später erliegt eine ihrer Töchter einer Lungenentzündung.

Detailliert und zugleich feinfühlig erzählt Brigitte Roßbeck von den vielen bitteren Ereignissen, die sich wie eine Kette durch Carolines Leben ziehen. Zum persönlichen Unglück kommt gesellschaftliche Ächtung. 1792/93 verstrickt sich Caroline in die Revolutionsunruhen um die Mainzer Republik. Sie kommt in Festungshaft und stellt fest, dass sie schwanger ist – ein uneheliches Kind aus einer Affäre mit einem französischen Soldaten. Zwar können Freunde ihre Freilassung erwirken, doch nun ist das "Revolutionärsliebchen" gesellschaftlich am Ende.

Caroline ist kurz davor, Selbstmord zu begehen – aber sie tut es nicht, weil sie eine Eigenschaft besitzt, die Brigitte Roßbeck die "Fähigkeit zur Selbsterziehung" nennt. Immer wieder rückt Roßbeck dieses stete Nach-vorne-Schauen, das positive Denken Carolines in den Mittelpunkt. "Romantische Lebenskunst" – die unerschütterliche, leidenschaftliche, idealistische Suche nach dem eigenen Glück. Eine Lebenseinstellung, die dem Leser noch heute Respekt abnötigt.

Und schließlich geht es wieder aufwärts. Carolines langjähriger Briefpartner und Verehrer August Wilhelm Schlegel begreift, dass Caroline für seine geplante Shakespeare-Übersetzung eine geniale Co-Autorin sein würde. Das Zweckbündnis wird 1796 mit der Heirat besiegelt: Sie erhält seinen guten Namen und hilft ihm dafür beim Übersetzen. Es folgt die schönste Stelle des Buches – die Shakespeare-Übersetzungen, die echte Teamarbeit sind, und die Brigitte Roßberg wunderbar beschreibt. Mal beharrt Schlegel auf seinen Verszeilen, mal setzt sich Caroline durch. Die Schlussredaktion der Texte übernimmt natürlich sie – und dennoch taucht ihr Name nirgendwo auf; ebenso wenig bei den vielen Rezensionen, die sie für Schlegel anfertigt.

Brigitte Roßbeck geht auf solche Probleme der Emanzipation nur am Rande ein und auch philosophische oder literarische Fragen beschäftigen sie wenig. Neben dem historischen Hintergrund hat sie ihrer Biographie vor allem eine Menge Klatsch und Tratsch beigefügt, sodass ein ganz eigenes Porträt der Epoche entsteht; etwa beim Zusammentreffen des Jenaer Frühromantiker-Kreises im Hause Schlegel. Die Frauen zickig, die Männer gereizt – das ist manchmal etwas viel, aber auch amüsant. Schließlich kennt man das Personal, das sich da behakt: Schiller, Goethe, Novalis, Tieck, Schelling ...

Und schließlich kann so noch eine große Liebesgeschichte erzählt werden: Caroline verliebt sich in Jena in den gut elf Jahre jüngeren Schelling. Ein paar Jahre später heiraten die beiden – endlich eine Liebesheirat Carolines, und damit der romantische Höhepunkt eines unterhaltsamen Buches.

Rezensiert von Marcus Weber

Brigitte Roßbeck: Zum Trotz glücklich.
Caroline Schlegel-Schelling und die romantische Lebenskunst

Siedler, München, März 2008
352 Seiten, 22.95 €